Wirtschaft Zu wenig Sprachkurse für ukrainische Geflüchtete

15. Dezember 2022, 05:00 Uhr

Für ukrainische Geflüchtete gibt es zu wenig Deutschkurse. Darauf hat der Koordinator vom Netzwerk "Integration durch Qualifizerung" Sachsen, Tröger, bei MDR AKTUELL hingewiesen. Das Netzwerk versucht, die Jobchancen von Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern.

von Ralf Geißler, MDR AKTUELL

• Viele ukrainische Geflüchtete arbeiten ohne Deutschkenntnisse in Hilfsberufen oder werden noch finanziell unterstützt.
• Für die Integration sind Deutschkenntnisse erforderlich, doch es fehlt an Lehrkräften.
• Das IQ Netzwerk Sachsen hilft neben Sprachkursen auch bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse.

Mitte März zog sie in unser leerstehendes Hinterhaus ein: Lena aus Dnipro, einer Millionenstadt in der Ukraine, deren Namen wir noch nie zuvor gehört hatten. Mit ihren drei Kindern war Lena vor dem Krieg geflohen. Nun freute sie sich über die, von uns Nachbarn notdürftig renovierte, Einraumwohnung. Eine von sechs, die der Eigentümer auf unser Bitten hin zur Verfügung gestellt hatte. Bei ihrer Ankunft sprach Lena nur Ukrainisch, Russisch und ein paar Brocken Englisch.

Lena sagt: "Ich besuche jetzt Integrationskurse und lerne Deutsch. In der Ukraine habe ich als Beamtin gearbeitet. Ich habe noch keinen Job gesucht. Zuerst möchte ich Deutsch lernen und dann in meinem Beruf arbeiten."

Arbeitsagentur Sachsen: "Integration braucht Zeit"

Lena weiß, dass man ohne Deutschkenntnisse nur schwer Arbeit findet. Nach einer Hochrechnung der Arbeitsagentur Sachsen gehen in Mitteldeutschland 12.000 Ukrainer einer Beschäftigung nach. Viele von ihnen lebten allerdings schon vor dem Krieg hier. Neu hinzugekommen sind seit März nur 7.000 Beschäftigte. Denen stehen knapp 69.000 Ukrainer gegenüber, die derzeit finanzielle Unterstützung von den Jobcentern erhalten: Kinder und Erwachsene.

Michaela Ungethüm von der Arbeitsagentur Sachsen sagt, Integration brauche Zeit: "Die ersten sechs Monate nach Ausbruch des Krieges waren auch in unserem operativen Geschäft davon geprägt, dass wir uns darum gekümmert haben, dass Menschen hier ankommen, eine dauerhafte Wohnung finden, die Kinderbetreuung abgesichert ist und das soziale Umfeld so ausgerichtet ist, dass man sich um eine Arbeitsaufnahme kümmern kann."

Geflüchtete, die schon eine Arbeit haben, sind oft als Helfer oder Ungelernte untergekommen. Olena ist mit Mutter und Tochter in Parey an der Elbe gestrandet und arbeitet nun in einem Hotel ohne Deutschkenntnisse. "Es war ziemlich einfach. Wir haben vier Wochen Praktikum gemacht. Und dann waren alle zufrieden, auch der Chef. Und es war wichtig, dass diese Arbeit nah zum Haus ist. Und dann haben wir angefangen mit diesem Job."

IQ Netzwerk Sachsen: Fehlende Lehrkräfte für Sprachkurse

Meist fehlt es an Lehrkräften für Sprachkurse. Bildrechte: picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Olena hatte Glück. Denn eine Azubine im Hotel stammt aus der Ukraine und übersetzt für sie. Eine Notlösung, die womöglich noch Schule machen wird: Vielleicht reicht es ja, wenn bei vier Beschäftigten anfangs nur eine Deutsch kann. Viele Ukrainer wollten die Sprache ja lernen, sagt Kay Tröger, Koordinator im IQ Netzwerk Sachsen. Doch sie könnten nicht.

"Aktuell haben wir ja das Problem, dass wir lange Wartezeiten auf Kursplätze haben. Das liegt nicht daran, dass kein Geld da ist oder kein Träger, der es machen will, sondern es fehlen die Lehrkräfte, die die Kurse durchführen. Speziell wenn wir etwas ländlicher gehen in die Regionen, dann kann es schnell mal vier bis fünf Monate dauern, bis dort ein Kurs zur Verfügung steht."

Anerkennung ausländischer Abschlüsse wichtig

Immerhin, sagt Tröger, passiere eine Sache parallel: die Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Denn wer in der Ukraine Medizin studiert hat, Lehrer war oder Architekt, kann hierzulande nicht einfach neu anfangen. Deutschland muss die Zeugnisse erst anerkennen. Trögers Netzwerk hilft durch die Bürokratie. Und wenn der Krieg irgendwann vorbei ist?

Dann kann es passieren, dass viele Geflüchtete wieder zurückkehren. Meine neue Nachbarin Lena will mit ihrer Familie aber erst einmal bleiben. Gestern hat sie gefragt, wie man in Deutschland einen Lebenslauf schreibt.