Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

EnergiekriseFeuerwehren müssten bei Blackout im Brandfall improvisieren

04. November 2022, 18:49 Uhr

Ein Landkreis ohne Strom: Ein Szenario auf das sich spätestens seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine ganz Deutschland vorbereitet. Gas ist knapp, die Stromversorgung könnte ausfallen. Praktisch stellt ein solches Szenario die Landkreise jedoch vor logistische Herausforderungen. Von der Landesregierung fühlen sich einige alleingelassen.

Wenn es brennt, ruft man die Feuerwehr. Was unter normalen Umständen ein einfacher Vorgang ist, kann ohne Strom schnell ausweglos werden. "Wenn das Handynetz zusammenbricht, dann können Hilfesuchende nur noch direkt in der Wache oder der Leitstelle vorbeikommen, um einen Vorfall zu melden," sagt Kai-Uwe Lohse, Chef des Landesfeuerwehrverbandes Sachsen-Anhalt.

Und Lohse sagt auch: "Die Leitstelle funktioniert nur so gut, wie Informationen reinkommen und auch wieder rausgehen. Und wenn diese Informationen nicht kommen, können wir keine Hilfskräfte losschicken."

Im Ernstfall bereitet sich seine Leitstelle im Harz darauf vor, Feuerwehrleute von Standort zu Standort pendeln zu lassen, um Informationen auszutauschen.

WhatsApp-Gruppe als Katastrophenschutz

Landrat Thomas Balcerowski ist im Landkreis verantwortlich für den Katastrophenschutz. In der vergangenen Woche gab es im Landesverwaltungsamt eine Zusammenkunft aller Landräte, um eine Bestandsaufnahme machen.

Der Landrat ist wenig zuversichtlich: "Klar ist, dass wir für den Krisenfall nicht gut aufgestellt sind. Das ist keine Panikmache, das ist eine Bewertung des Ist-Zustands. Wir müssen das nachholen, das in den letzten Jahren versäumt wurde." Die Landräte tauschen sich per WhatsApp darüber aus, welche Geräte wie zum Beispiel Notstromgeneratoren in welchem Landkreis benötigt werden.

Das ist keine Panikmache, das ist eine Bewertung des Ist-Zustands.

Thomas Balcerowski, CDU | Landrat im Harz

"Eine koordinierende Aufgabe des Landes nehme ich derzeit nicht wahr. Eine WhatsApp-Gruppe der Landräte ersetzt momentan die Kommunikation zwischen den Landesbehörden und den Kreisbehörden."

Auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT gibt Balcerowski an, ein Konzept des Landes, wie mit einem Blackout umzugehen ist, ist ihm nicht bekannt.

Innenministerium verschiebt die Verantwortungen

Zum Konzept des Landes für einen Blackout, insbesondere im Bereich Brandschutz, verweist das Innenministerium zwar auf die eigene Verantwortung als Katastrophenschutzbehörde, sieht jedoch die betroffenen Ministerien in der Umsetzungspflicht.

So wäre das Ministerium für Digitalisierung und Infrastruktur für die Telefonnetze verantwortlich, das Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt beispielsweise für die Stromversorgung und das Ministerium für Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft und Forsten für die Kraftstoffversorgung.

Die Sprecher der jeweiligen Häuser weisen dies jedoch zurück. Die Koordinierung der Maßnahmen im Katastrophenfall sei eine klare Aufgabe des Innenministeriums. Zur fachlichen Unterstützung sei man bereit.

Aber beispielsweise die Frage nach der Betriebssicherheit des Digitalfunks könne nur das Innenministerium beantworten. Landrat Thomas Balcerowski kritisiert das: "Derzeit sehe ich keine Koordinierung des Katastrophenschutzes durch das Innenministerium."

Wissenschaftler sehen ebenfalls kein Konzept

Seit 2019 forscht Professor Stefanie Schubert-Polzin in der Hochschule Magdeburg im Bereich Sicherheit und Gefahrenabwehr. Sie ist keine Theoretikerin: Bei der Feuerwehr in Magdeburg konnte sie jahrelang praktische Erfahrungen sammeln.

Sie sagt, gerade für den Funk der Feuerwehr sei die Stromversorgung kritisch: "Es gibt eine Pufferung für zwei Stunden, die dann im Falle eines Stromausfalles beginnt. Danach gäbe es die Möglichkeit für 72 Stunden die Anlage zu versorgen, das setzt aber ein Stromaggregat voraus. Und Kraftstoff zur Versorgung der Notstromanlage."

Der Feuerwehr im Harz jedoch beispielsweise nur eine öffentliche Tankstelle bekannt, die im gesamten Landkreis bei Stromausfall betriebsbereit ist. Landesweit, ergab eine Anfrage der AfD-Fraktion, sind es nur drei Prozent der Tankstellen. Zumal Notstromversorgung nur den sogenannten BOS-Funk berücksichtigt, nicht aber die Netzstation der private Handynetzbetreiber.

Hier sind die Stromnetzbetreiber nach Aussage der Telekommunikationsunternehmen verantwortlich. Lediglich auf freiwilliger Basis müssen diese eine Notstromversorgung bereitstellen. Hier ist Schubert-Polzin das Konzept des Bundes für einen Notfall zu kurz gedacht.

 Feuerwehr hilft sich erstmal selbst

Für Feuerwehrchef Kai-Uwe Lohse heißt es jetzt: Bestandsaufnahme machen. Wie kann seine Feuerwehr im Ernstfall weiterarbeiten? "Unsere Monitore bleiben nicht aus, aber wir sehen darauf nicht mehr die Informationen, auf die wir zuvor zurückgreifen können. Im Ernstfall dauert alles länger." Alle Fahrzeuge sind über Funk verbunden. Standortdaten werden übermittelt und auch, ob beispielsweise ein Krankenwagen frei ist.

Lohse sagt, im Landkreis werde nun eigenes Richtfunknetz und Satellitentelefonie für den Notfall aufgebaut. Jedoch nicht in der gleichen Qualität wie das bestehende System. "Kurz vor Weihnachten hätte ich trotzdem einen Wunsch: Aussagen zur Sicherheit der Kraftstoffversorgung und zur Ausfallsicherheit der Funknetze." Sein Leitspruch bis dahin: "Bist du Gottes Sohn, hilf dir selbst."

Mehr zum Thema Feuerwehr

MDR (Lars Frohmüller, Julia Heundorf)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 04. November 2022 | 12:00 Uhr

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen