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Tierischer UnterrichtSo funktioniert Nachwuchssicherung in der Polizeihundeschule Pretzsch

11. April 2023, 19:00 Uhr

Am Rand des Naturparks Dübener Heide liegt ein ganz besonderer Ort. Seit 1950 werden an der Diensthundführerschule in Pretzsch die Spürhunde für Polizei und Justiz ausgebildet. Jahrzehntelang war das eine Männerdomäne. Doch das ändert sich seit einigen Jahren.

Es ist ein trüber Wintertag an einem Kiessee in der Nähe der Diensthundführerschule Sachsen-Anhalt. Ausbilder Andreas Schmidt trägt eine rote Box zu einem Polizeiboot. Heute sollen Leichenspürhunde trainiert werden und in dem Behälter befindet sich Material, dem ein spezieller Verwesungsgeruch anhaftet. Vor Beginn der Ausbildung fährt Andreas Schmidt auf den See hinaus und versenkt die Box im kalten Wasser.

Das sollten Hunde für den Polizeidienst mitbringenAls Polizeihunde eignen sich am besten Gebrauchshunde, insbesondere Deutsche und Belgische Schäferhunde. Sie sollten vollkommen gesund sein, einen guten Futter- und Spieltrieb und eine hohe Motivierbarkeit mitbringen.

Am Ufer bereiten sich die junge Polizeikommissarin Nele Nickel und ihr Leichenspürhund Dex auf die Übung vor. Mit seiner Nase soll der belgische Schäferhund das Material im Wasser finden. Nele und Dex sind seit drei Jahren ein Team. Im Sommer 2021 hatten beide ihren ersten großen Einsatz nach der Hochwasserkatastrophe im rheinland-pfälzischen Ahrtal. Mit ihren 25 Jahren ist die Polizistin die Jüngste an der Diensthundführerschule. "Das war mein Kindheitswunsch und ich glaube, dass können nicht viele von sich behaupten. Mein Kindheitswunsch ist in Erfüllung gegangen!"

Die Schule für Polizeihunde

Die Diensthundeführerschule Sachsen-Anhalt bildet Spürhunde für sieben Spezialrichtungen aus: neben Leichenspürhunden auch solche für die Suche nach Drogen, Sprengstoff, Brandmitteln, Speicherkarten, Blut und Tatmitteln. Ganz neu ist die Ausbildung sogenannter Kadaverspürhunde für das Landwirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt. Sie werden speziell auf den Geruch verendeter Wildschweine abgerichtet, um die weitere Ausbreitung der afrikanischen Schweinepest zu verhindern.

Ab sofort in der Mediathek und am 11. April im Programm

Seit 1950 gibt es die Diensthundeführerschule und seit zwei Jahren steht eine Frau an der Spitze der traditionsreichen Einrichtung – zum ersten Mal in deren Geschichte. Polizeihauptkommissarin Katja Hillert hat vor zwanzig Jahren im Diensthundwesen der Polizei angefangen. Jahrzehntelang waren fast ausschließlich Männer an der Schule beschäftigt, inzwischen sind gut die Hälfte der Stellen mit Frauen besetzt.

Die Spezialisierung kann man sich nicht aussuchen

Am Kiessee hat das Training für die Leichenspürhunde begonnen. Während der Suche liegen Nele und ihr Spürhund Dex vorn im Polizeiboot, die Köpfe dicht über dem Wasser. Der belgische Schäferhund wurde darauf abgerichtet, eine Leiche anhand geringster Geruchsspuren zu finden. Plötzlich wird er unruhig, wedelt mit dem Schwanz und fängt an, aufgeregt zu bellen. Das ist das Zeichen für die mitsuchenden Polizisten: Dex hat das Präparat gefunden!

So werden die Hunde an die Diensthundführerschule ausgebildet ↓

Eine erste Überprüfung der Vierbeiner erfolgt durch eine Ankaufskommission beim Hundehalter. Hier spielen die grundlegenden Eigenschaften, zum Beispiel Spieltrieb und Motivierbarkeit eine zentrale Rolle. Nach einer Probezeit und der abgeschlossenen Eingewöhnungsphase bei seinem Diensthundeführer oder seiner Diensthundeführerin durchläuft der Hund die Grundausbildung. Hier lernt er unter anderem das Suchen von Fährten und Gehorsam. Außerdem wird er an verschiedene Umweltreize herangeführt, zum Beispiel die Fahrt mit dem Auto oder der Flug mit dem Hubschrauber.

Der tierärztliche Gesundheitscheck ist im Alter von einem Jahr. Dann sind die Hunde ausgewachsen und eine Beurteilung ist möglich. Nach bestandener Überprüfung wird der Hund in den Polizeidienst und die Ausbildung übernommen.

Nach der Grundausbildung und bei entsprechender Eignung beginnt die Spürhundausbildung. Innerhalb von 12 Wochen erfolgt die Konditionierung auf bestimmte Gerüche, zum Beispiel Rauschgift, Sprengstoff oder Datenträger. Die Hunde lernen, Räume, Fahrzeuge und Flächen systematisch abzusuchen und den Fund anzuzeigen. Im Anschluss kann das Spürhundteam in den Einsatz gehen.

Nele Nickel war vor drei Jahren von der Bereitschaftspolizei Halle an die Diensthundführerschule gekommen und Dex wurde ihr erster Diensthund. Die Spezialisierungsrichtung konnte sie sich nicht aussuchen, denn ausgebildet werden die Teams nach dem Bedarf der Landespolizei. "Also für mich ist es nicht einfach, einen Leichenspürhund zu führen. Man muss tatsächlich sagen, das ist die traurigste Spezialrichtung, die wir haben. Man freut sich nie. Man weiß immer, es geht um leblose Menschen oder auch um schwere Körperverletzungen. Und das lässt einen natürlich auch im Kopf nicht kalt."

Seiteneinsteiger bringen frischen Wind

Dass Nele zur Diensthundführerschule wechseln konnte, hat sie einem Pilotprojekt zu verdanken, dass Schulleiterin Katja Hillert angeschoben hat. Insgesamt vier Ausbilder werden in den kommenden Monaten in den Ruhestand gehen, das ist ein Drittel des Trainer-Teams an der Schule. "Natürlich ist Druck da, weiter Personal zu gewinnen und zu entwickeln. Wir sehen, dass wir tatsächlich neue Wege beschreiten müssen, indem wir das Wagnis eingehen, junge Kolleginnen und Kollegen zu übernehmen, die noch keine Vorerfahrung haben."

Die Zentrale Schule für Diensthundwesen in der DDR in Pretzsch. Auf 60 Hektar war Platz für die Ausbildung von bis zu 200 Hunden. (Archivbild) Bildrechte: MDR/Diensthundführerschule Sachsen-Anhalt

Jahrzehntelang kam der Nachwuchs für die Schule aus den Reihen der Diensthundführereinheiten des Landes Sachsen-Anhalt. Jetzt sollen auch junge Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger eine Chance bekommen, so wie Nele Nickel. "Wir hatten nie einen Hund in der Familie. Und da war es natürlich neu, dass erste Mal einen eigenen großen Hund an der Leine und noch dazu mit so einem Kampfgewicht! Das war eine ganz schöne Herausforderung."

Paten begleiten den Generationswechsel

Nach drei Jahren Ausbildung – unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Zeit – hat Nele im März 2023 ihre Leistungsrichterprüfung erfolgreich bestanden. Damit kann sie nicht nur Lehrgänge führen, sondern auch Hunde prüfen. Während der ganzen Zeit standen ihr und den anderen jungen Diensthundführern ältere Kollegen als Paten zur Seite, um den Generationswechsel an der Schule zu begleiten.

Mit Nele haben inzwischen noch zwei weitere junge Seiteneinsteigerinnen mit der Arbeit an der Diensthundführerschule begonnen. Sie werden in Zukunft die Landespolizei mit ihren Spürhunden bei der Suche nach Speicherkarten unterstützen und dabei helfen, dass Delikte in den Bereichen Cyberkriminalität, sexualisierter Gewalt gegen Kinder oder Wirtschaft aufgeklärt werden.

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MDR (Tom Kühne, Hannes Leonard)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Der Osten – Entdecke wo du lebst | 11. April 2023 | 21:00 Uhr

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