Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Landrat Götz Ulrich ist gleichzeitig Präsident des Landkreistages Sachsen-Anhalt. (Archivbild) Bildrechte: imago images/Steffen Schellhorn

Forderung vom LandkreistagZwei Fliegen mit einer Klappe: Unterkünfte für Flüchtlinge und Katastrophenschutz

08. Februar 2023, 17:34 Uhr

Nachdem mehrere Landkreise vor einer Überlastung bei der Aufnahme von Flüchtlingen gewarnt haben, präsentiert der Präsident des Landkreistages Sachsen-Anhalt nun Lösungsvorschläge. Götz Ulrich schlägt unter anderem vor, dass der Bund einfache Unterkünfte finanziert, die auch für Fälle des Katastrophenschutzes genutzt werden können.

Der Präsident des Landkreistages Sachsen-Anhalt und Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU), hat dringend eine dauerhafte Unterstützung vom Bund beim Thema Flüchtlinge gefordert. Ratschläge von Bundespolitikern zur Frage, wie Landräte und Oberbürgermeister mit der Unterbringung der anschwellenden Anzahl von Geflüchteten umgehen sollten, machten deutlich, "dass die Bundespolitik die Realitäten vor Ort nicht kennt", kritisierte er am Dienstagabend in einer Pressemitteilung. Auch die besondere Situation in den ländlichen Räumen würde laut Götz Ulrich mitunter außer Betracht geraten.

Anlass für die Stellungnahme des Landrates ist der von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigte Flüchtlingsgipfel. Noch im Februar sollen sich Vertreter der Kommunen und die Innenminister aller Bundesländer mit ihr und der Bundesbauministerin treffen.

Extrem angespannte Situation

Götz Ulrich spricht als Präsident des Landkreistages Sachsen-Anhalt für alle Kreise. Er schätzt die Situation bei der Unterbringung von Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen als extrem angespannt ein. "Wenn der Bund uns jetzt erklärt, man könne ja auf Bundesimmobilien zurückgreifen, ist das eine Nebelkerze." Denn in keinem einzigen Landkreis habe der Bund mit seinen Liegenschaften einen Beitrag zur Unterbringung erbracht, nichts angeboten, nichts zur Verfügung gestellt. Die Kreise seien auf sich gestellt und fänden kaum noch geeignete Objekte, "die eine menschenwürdige Unterbringung gewährleisten und zugleich auch eine Grundakzeptanz bei der Bevölkerung finden", so Götz Ulrich.

Was ist der Landkreistag?Der Landkreistag Sachsen-Anhalt ist der Zusammenschluss aller elf Landkreise in Sachsen-Anhalt. Er wurde im Jahr 1990 gegründet. Unter anderem berät er Landesregierung sowie Landtag und kommuniziert die Probleme der Kreise an die Öffentlichkeit.

Idee für Katastrophenschutz

Nach dem Vorschlag von Götz Ulrich soll der Bund dauerhaft Bau und Sanierung einfacher Unterkünfte in Landkreisen und Städten finanzieren, die jederzeit geöffnet und genutzt werden können, auch für Fälle des Katastrophenschutzes. "Der Krieg in Europa zeigt, dass solche Unterkünfte auch ein Beitrag für den Bevölkerungsschutz sein können." Zudem solle der Bund die Kommunen mit Personal unterstützen – in den Ausländerbehörden, Unterkunftsverwaltungen, Sozialämtern und Asylbewerberleistungsbehörden. "Ich fordere daher die Länder und den Bund auf, uns Bedienstete abzuordnen, die in den kommenden Monaten die Landratsämter und Rathäuser unterstützen", so Ulrich in einer Mittelung zum Thema.

Die vollständigen Vorschläge finden Sie hier zum Aufklappen:

Für die langfristige Verbesserung der Lage schlage ich [Götz Ulrich, Anmerk. der Red.] daher vor:

1. Der Bund finanziert dauerhaft bundesweit vollständig die Sanierung und den Bau von einfachen Unterkünften in Landkreisen und Städten, die jederzeit geöffnet und genutzt werden können, außerhalb von Flüchtlingswellen auch für Fälle des Katastrophenschutzes und der Unterbringung von Menschen in Notlagen. Der Krieg in Europa zeigt, dass solche Unterkünfte auch ein Beitrag für den Bevölkerungsschutz sein können. Die Landkreise können selbst am besten beurteilen, wo solche Unterkünfte innerhalb des eigenen Gebietes am ehesten platziert werden können oder welche Altimmobilie sich dafür eignet.

2. Der Bund unterstützt die kommunale Ebene dabei, die erforderlichen Fachkräfte in den Ausländerbehörden, Unterkunftsverwaltungen und Sozialverwaltungen einzustellen und stellt hierfür gesonderte Mittel zur Verfügung.

3. Der Bund engagiert sich innerhalb der EU für eine gerechte Verteilung der Geflüchteten unter den Mitgliedsstaaten nach einem ähnlichen Modell wie der Königsteiner Schlüssel, der die Verteilung innerhalb Deutschlands regelt.

Zusätzlich brauchen die Landkreise aber kurzfristige Lösungen:

1. Die laufenden Kosten der Unterkünfte selbst finanziert das Land Sachsen-Anhalt bisher vorbildlich. Wir gehen davon aus, dass auch künftig die Unterbringungskosten den Landkreisen in Sachsen-Anhalt vollständig erstattet werden.

2. Wir brauchen aber zudem dringend Personal in den Ausländerbehörden, Unterkunfts-Verwaltungen, Sozialämtern und Asylbewerberleistungsbehörden. Hierfür fehlen vor Ort Geld und Bewerber. Ich fordere daher die Länder und den Bund auf, uns Bedienstete abzuordnen, die in den kommenden Monaten die Landratsämter und Rathäuser unterstützen. Dabei darf die Abordnung nicht erneut an den ländlichen Regionen vorbei gehen. Zudem müssen außerhalb des Finanzausgleichsgesetzes den Landkreisen und kreisfreien Städten finanzielle Mittel für die Aufstockung der Ausländerbehörden, Unterkunftsverwaltungen und Sozialverwaltungen zur Verfügung gestellt werden.

3. Gemeinden, in denen Asylsuchende untergebracht werden, erhalten für die besonderen Integrationsleistungen, die sie erbringen, eine finanzielle Unterstützung, die sich im Gemeindehaushalt bemerkbar niederschlägt. Dieses Budget muss auch bei finanzschwachen Gemeinden für freiwillige Aufgaben eingesetzt werden dürfen, insbesondere für Kultur- und Sportförderung, Vereinsunterstützung und die Verbesserung des Zusammenlebens der gesamten örtlichen Gemeinschaft.

Innenministerin scheitert mit Bundesratsinitiative

Am Dienstag hatte zudem die Landesregierung über einen Vorschlag von Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) beraten. Zieschang wollte mit ihrem Antrag für eine Bundesratsinitiative erreichen, dass Länder und Kommunen künftig mehr Mitspracherecht bei zusätzlichen Bundes-Aufnahmeprogrammen für Flüchtlinge erhalten. Die Ressortchefs der SPD hatten dem Vorschlag jedoch eine Absage erteilt und beantragten eine Vertagung auf unbestimmte Zeit.

Rüdiger Erben, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag, begründete diesen Schritt bei MDR SACHSEN-ANHALT so: "Unsere Probleme liegen nicht in den Aufnahmeprogrammen, sondern in dem aktuellen Flüchtlingsstrom und den Unterbringungsmöglichkeiten."

Der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes Sachsen-Anhalt Bernward Küper (CDU) findet es dagegen nicht hilfreich, dass die Bundesratsinitiative ausgebremst wurde. "Man hätte jetzt tatsächlich die Initiative, ich denke schon am Freitag, in den Bundesrat einbringen können. Und die Zeit drängt. Wir brauchen Mitspracherechte", sagte Küper dem MDR.

Auch der Landkreistag Sachsen-Anhalt hatte Ende letzten Jahres die vom Innenministerium angestrebte Bundesratsinitiative begrüßt. Präsident Götz Ulrich sagte dem MDR am Dienstag, er hoffe sehr, dass das letzte Wort in dieser Sache noch nicht gesprochen sei und die SPD gesprächsbereit bleibe, um die Bundesratsinitiative doch noch auf den Weg zu bringen.                              

Mehr zum Thema Flüchtlingsaufnahme

dpa, MDR (Ronald Neuschulz, Luise Kotulla)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 08. Februar 2023 | 19:00 Uhr

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen