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Zum Ende des Jahres haben viele Menschen Sorgen und suchen Zuflucht im Gebet. (Symbolbild) Bildrechte: IMAGO / Martin Wagner

Energiekrise, Krieg und InflationSeelsorge in Krisenzeiten: "Die Leute sind angespannter und gereizter"

22. Dezember 2022, 15:56 Uhr

Katholische und evangelische Seelsorger im Süden Sachsen-Anhalts sprechen in ihren Weihnachtspredigten auch über die Krisen. Doch trotz aller Probleme: Eine größere Nachfrage nach Seelsorgegesprächen gibt es nicht. Stattdessen schreiben viele ihre Sorgen auf.

  • Die Sorgen um Geld und Frieden überfordern viele Menschen. Das Resultat: Wut und Unmut.
  • Alles wird teurer. Als Reaktion treten auch gutverdienende Menschen aus der Kirche aus.
  • Die Krisen finden sich auch in den Predigten wieder.

"Wir zählen die Gespräche nicht", sagt der katholischen Pfarrer Jörg Bahrke aus Sangerhausen. Und doch scheint es einen großen Bedarf zu geben. "Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, Leute auch vorm Supermarkt nach ihrem Befinden zu fragen." Derart angepiekst, blubbere es aus manchen geradezu heraus. "Es geht weniger um die Energiekrise an sich, als um die daraus resultierenden Geldsorgen", resümiert Bahrke. "Der Krieg läuft im Bewusstsein der Menschen aber immer mit".

Sein evangelischer Kollege aus Merseburg, Bernhard Halver, kennt den Befund: "Ich nehme in den Gesprächen eine gewisse Unsicherheit wahr: 'Wie wird es weitergehen?' – besonders im Hinblick auf die große Teuerung. Dazu kommt ein großer Unmut".

Christen gereizter als sonst

Diesen Unmut kennt auch Christina Lang, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Naumburg: "Die Leute sind angespannter und gereizter als sonst, das merkt man in den Gesprächen!" Auch im kirchlichen Kontext gebe es Menschen, die nicht bereit seien, sich andere Meinungen anzuhören, auch rechtes Gedankengut trete auf. Überdies gebe es eine Sehnsucht, dass sich Kirche deutlicher zu den Themen der Zeit positioniere, etwa zu Waffenlieferungen in die Ukraine. Die Kontroverse darum nennt auch Bernhard Halver als Thema in den Gesprächen mit Gläubigen.

Austritte als Antwort auf Inflation

Noch eine andere Häufung beobachtet die Theologin Lang, die auch im Radio beim MDR SACHSEN-ANHALT in der Verkündigungsreihe "Angedacht" spricht: "Die Austritte häufen sich. Vielfach handelt es sich um gutverdienende Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die durch die Inflation auch rechnen müssen. Sie kommen noch zum Gottesdienst, sind aber nicht mehr zahlendes Mitglied."

Wie ihre männlichen Kollegen, zählt auch Christina Lang keine Häufung von Gesprächsgesuchen, dafür aber an Gebetsanliegen: "In der Wenzelskirche in Naumburg können Besucher ihre Fürbitten auf kleine Zettelchen schreiben. Früher haben wir drei Zettel pro Woche bekommen, jetzt sind es 30 bis 40." Not lehrt beten.

Auch bei den Gottesdienstbesuchern ist der Trend nach unten festzustellen. Lang schätzt etwa 20 Prozent weniger Gottesdienstbesucher als im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie. Beim Halleschen katholischen Propst Reinhard Hentschel ist die Schätzung noch düsterer: "Es sind bis zu 50 Prozent an Besuchern noch nicht wieder regelmäßig da".

Die Predigt als krisenfreie Zone

Die Krisen des Jahres werden sich vielfach auch in den Predigten an Heiligabend widerspiegeln. "Ein zentrales Thema, auch für die seelsorglichen Gespräche, ist die Furcht", verrät der evangelische Kirchenpräsident Joachim Liebig aus Dessau-Roßlau. "Dem steht die Zusage der Weihnachtsbotschaft, furchtlos sein zu dürfen, gegenüber."

Bernhard Halver erklärt die Stoßrichtung seiner Predigt mit einem polnischen Sprichwort: "Als die Welt verloren, Christus ward geboren." Einen anderen Weg geht Christina Lang in Naumburg. "Die Ängste sollen in Gebeten vorkommen – aber die Predigt wird "krisenfreie Zone". "Die Seele muss von all den Katastrophen auch mal aufatmen können", sagt die Pfarrerin.

Mehr zu Helfern in der Krise

MDR (Marc Weyrich, Mario Köhne, Cynthia Seidel)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 22. Dezember 2022 | 12:00 Uhr

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