Verein feiert Festakt in Magdeburg100 Jahre Kampf für Demokratie: Wieso das "Reichsbanner" den Namen nicht ändern will
In Magdeburg hat das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. Die Mitglieder kämpfen für Demokratie und gegen Extremismus – einst in der Weimarer Republik, aber auch noch in der heutigen Gesellschaft. Den für viele etwas irritierenden Namen will der Verein beibehalten. Zur Feierstunde im Landtag kamen prominente Bundespolitiker.
- Das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" hat in Magdeburg sein 100-jähriges Bestehen gefeiert.
- Im Landtag fand ein Festakt statt, auf dem Domplatz wurde eine Gedenk-Stele eingeweiht.
- Der Bundesvorsitzende mahnt, sich auch heute aktiv für die Demokratie zu engagieren – bei Vergleichen zur Weimarer Zeit sei allerdings Vorsicht geboten.
Die Frage nach dem Vereinsnamen ist Fritz Felgentreu natürlich nicht neu. Der löst "gerne auch mal Irritationen" aus, räumt der Bundesvorsitzende des "Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold" zum 100-jährigen Bestehen in Magdeburg ein. Kein Wunder, weckt er bei vielen wohl zunächst Assoziationen zum Deutschen Reich, zu Nationalismus, Militarismus oder zu "Reichsbürgern". Doch Felgentreu wehrt sich: "Das Reichsbanner hat immer auf der richtigen Seite gestanden!"
Wir haben keinen Grund, diesen Namen aufzugeben.
Fritz Felgentreu | Bundesvorsitzender
Auf der richtigen Seite – damit meint Felgentreu den Kampf gegen Extremismus und für Demokratie und Rechtsstaat. Damals in der Weimarer Republik, als das "Reichsbanner" eine Massenorganisation mit mindestens 1,5 Millionen Mitgliedern war, um sich aufstrebenden Extremisten entgegenzustellen, und auch heute noch als ehrenamtlicher Verein mit rund 800 Mitgliedern. "Wir haben keinen Grund, diesen Namen aufzugeben", sagt Felgentreu, der wie viele Mitstreiter Sozialdemokrat ist.
Schwarz-Rot-Gold als "Farben der wehrhaften Demokratie"
Man habe seit der Gründung einen "hohen Blutzoll" gezahlt, betont Felgentreu. In der Weimarer Zeit seien bis zum Verbot durch die Nazis 1933 allein 64 "Reichsbanner"-Leute ermordet worden – weil sie sich für Demokratie und Rechtsstaat eingesetzt hätten.
Festakt und militärische EhrenGegründet wurde das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" am 22. Februar 1924 als überparteiliches Bündnis, und zwar in Magdeburg. 100 Jahre später wurde deshalb am Donnerstag groß Jubiläum gefeiert – mit einer Feierstunde im Magdeburger Landtag und Gästen aus der Bundespolitik, mit einer neuen Gedenkstele auf dem Domplatz und mit militärischen Ehren der Bundeswehr. Neben Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) waren unter anderem die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) in Magdeburg vor Ort. Im Landtagsgebäude wurde am Donnerstag zudem eine Ausstellung mit dem Titel "Für Freiheit und Republik!" eingeweiht. Bereits am Morgen hatte eine Andacht im Magdeburger Dom stattgefunden.
Heute leistet der Verein vor allem Bildungsarbeit. Es geht dem "Reichsbanner" dabei auch um die Farben, die die Flagge der Bundesrepublik zieren. "Schwarz-Rot-Gold sind die Farben der wehrhaften Demokratie", sagt Felgentreu. Sie stünden für den Rechtsstaat und die freie Republik. Dass heute Parteien wie die AfD versuchten, sich dieser Farben zu bemächtigen, sei Etikettenschwindel.
Vorsitzender begrüßt Proteste gegen Rechtsextremismus
Demokratie gegen ihre Feinde zu verteidigen, das hatte sich das "Reichsbanner" schon in der Weimarer Republik zur Aufgabe gemacht. 100 Jahre später scheint genau das wieder brandaktuell. Felgentreu sagt, man wende sich heute gegen AfD, Pegida und Reichsbürger. Sie seien eigentlich die "geistigen Erben" von deutschnationalen und Nazis. "Wir erkennen, dass in den letzten Jahren die Narrative dieser Feinde der Demokratie an Zugkraft gewonnen haben."
Umso wichtiger sei es auch heute für Freiheit und Demokratie einzustehen – etwa durch die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in den vergangenen Wochen. Felgentreu begrüßt sie ausdrücklich. "Diese Botschaft ist angekommen", sagt der "Reichsbanner"-Vorsitzende. Die Proteste zeigten, dass es heute einen "starken demokratischen Grundkonsens" in der Gesellschaft gibt.
Mit Vergleichen "ganz, ganz vorsichtig sein"
Vor 100 Jahren sei das nicht so gewesen – deshalb könne man die heutigen Verhältnisse auch nicht mit den damaligen vergleichen. Das bestätigt auch Johannes Tuchel, Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Die Ausgangslage damals in Magdeburg sei "eine ganz andere gewesen", eine Reaktion auf historische Ereignisse wie den Hitlerputsch 1923. "Sie hatten in Deutschland eine bürgerkriegsähnliche Situation", sagt Tuchel am Donnerstag. Daher müsse man "mit allen Vergleichen ganz, ganz vorsichtig sein".
Nichtsdestotrotz: Vom "Reichsbanner" könne man lernen, dass das Engagement für Demokratie nötig ist. Heute sei das schließlich deutlich einfacher als noch vor 100 Jahren. Tuchel mahnt: "Demokratie sind nicht die anderen, Demokratie sind immer wir selbst."
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MDR (Felix Fahnert)
Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 22. Februar 2024 | 19:00 Uhr
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