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Vom "Leuchtturm" zum TeelichtWie das Innenministerium Sachsen-Anhalts Feuerwehr-Institut retten will

25. Januar 2023, 20:05 Uhr

Die Zukunft der Feuerwehr-Ausbildung in Heyrothsberge soll besser werden. Vertreter von Politik und Feuerwehren haben dazu ein Konzept erarbeitet. Jahrelang wurde gespart und Stellen abgebaut, mit fatalen Folgen. Jetzt sollen etwa 30 Millionen Euro investiert und mindestens 25 Stellen besetzt werden. Bei den geplanten besseren Arbeits-Konditionen sind andere Länder und Bereiche schon weiter.

Im Land fehlen Lehrer und zwar nicht nur an den klassischen Schulen. Auch am Institut für Brand- und Katastrophenschutz (IBK), Sachsen-Anhalts "Feuerwehrschule" in Heyrothsberge, wird das Personal auf Verschleiß gefahren. Mehrere Arbeitsgruppen kamen in den letzten Monaten unter Federführung des Innenministeriums zu dem Ergebnis, dass diese Situation an der wichtigsten Einrichtung zur Qualifikation von Freiwilligen und Berufsfeuerwehren nicht hinnehmbar ist.

Weniger als die Hälfte des Bedarfs an Ausbildungen konnten die Lehrkräfte demnach aufgrund von Personalmangel und Krankheit zuletzt noch abdecken. Besonders schlecht ist die Quote bei Führungs-Lehrgängen für Feuerwehren sowie Kursen für Jugendfeuerwehren. Bei letzteren konnte zum Teil nur ein Zehntel des Bedarfs gedeckt werden. Für 2023 kündigt sich durch einen coronabedingten Ausbildungs-Stau eine noch schlechtere Quote an.

Stichwort: Institut für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge

Das Institut für Brand- und Katastrophenschutz Heyrothsberge (IBK) wurde 1938 als "Feuerwehrschule der Provinz Sachsen" gegründet. Seit 2014 trägt das IBK seinen heutigen Titel. Es untersteht dem Innenministerium und leitet die praktische und theoretische Ausbildung für Freiwillige Feuerwehren und Berufsfeuerwehren aus Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländern. Vor allem nach der Wende war die Expertise des IBK gefragt. So war das Institut unter anderem an der Aufarbeitung des Anschlags auf das World Trade Center in New York beteiligt. Auf dem Gelände können zahlreiche Gefahrenlagen wie Brände, Unfälle und Gefahrstoff-Austritte simuliert werden.

Landrat: Nur ein Viertel der angefragten Kursteilnehmer kann unterrichtet werden

Silvio Suchy, Kreisbrandmeister im Burgenlandkreis, sagte MDR SACHSEN-ANHALT: "Was einst ein Leuchtturm für die Ausbildung der Feuerwehren war, ist heute eher ein Teelicht." Genau wie seine Kollegen stellt er die Qualität der Ausbildung in Heyrothsberge nicht in Frage. Es seien schlicht zu wenige Lehrer vor Ort. Freie Plätze für Lehrgänge seien rar und begehrt. Und das sprichwörtliche "Tischtuch" sei nicht groß genug für alle.

Was einst ein Leuchtturm für die Ausbildung der Feuerwehren war, ist heute eher ein Teelicht.

Silvio Suchy, Kreisbrandmeister im Burgenlandkreis

Auch Steffen Burchardt, Landrat im Jerichower Land sagte MDR SACHSEN-ANHALT, von seinen Mitarbeitern könnte aktuell nur ein Viertel der angefragten Kursteilnehmer am IBK tatsächlich unterrichtet werden. Aufrufe zum Handeln in Richtung des zuständigen Innenministeriums sind alles andere als neu.

Kai-Uwe Lohse, Chef des Landesfeuerwehrverbands, spricht von einem jahrelangen Prozess, in dem kontinuierlich versäumt wurde, Ideen und Lösungen zu finden. Zuständig dafür ist das Innenministerium. Ministerin Tamara Zieschang (CDU) sowie ihr zuständiger Referatsleiter Lutz-Georg Berkling gestanden bereits mehrfach ein, dass die Probleme schon länger bekannt sind.

Jahrelanger Stellenabbau und unattraktive Konditionen

Zwei große Faktoren haben die missliche Situation an der wichtigsten Feuerwehr-Einrichtung des Landes verschärft: der jahrelange Stellenabbau und die unattraktiven Konditionen. Im Personal-Entwicklungs-Konzept des Finanzministeriums sollten Landes-Einrichtungen einer Schlankheitskur unterzogen werden. In der Summe wurden am IBK seit dem Jahr 2000 knapp 60 Stellen gestrichen oder privatisiert. Von den knapp 70 verbliebenen geht etwa ein Drittel in den kommenden zehn Jahren in Rente.

Bei den Ausbildern kommt erschwerend hinzu, dass für sie – vor allem mit zunehmendem Alter – zum Beispiel eine Anstellung bei einer Berufsfeuerwehr deutlich attraktiver wird. Für die Ausbilder am IBK wird im Gegensatz zu den Kameraden im Einsatzdienst nicht die komplette Krankenversicherung bezahlt. Die Rente ist erst mit 67 möglich, bei der Berufsfeuerwehr schon mit 60. Darüber hinaus ist die Vergütung in der Regel um einen erheblichen dreistelligen Betrag geringer.

Diesen Nachteil hat das IBK nicht nur in den eigenen Landesgrenzen, sondern auch gegenüber anderen Bundesländern. Zwischen 2018 und 2022 haben 21 Bedienstete die Feuerwehrschule außerplanmäßig verlassen. Zwischen 2012 und Anfang 2022 blieben nur zehn der 26 gelernten Ausbilder in Heyrothsberge. Regelmäßig wechseln zudem Ausbilder in den Einsatzdienst. Seit zwei Jahren ist deshalb unter anderem der Direktorenposten nur kommissarisch von einem der Ausbilder besetzt.

Ausstattung der Einrichtung nicht mehr zeitgemäß

Während der Personalmangel das eklatanteste Problem darstellt, ist auch der Zustand weiter Teile der Ausbildungs-Einrichtung nicht mehr zeitgemäß. Allein der ursprüngliche Kultursaal soll für Abriss und Neubau mit sechs Millionen Euro zu Buche schlagen. Der Kreisbrandmeister des Saalekreises, Michael Jahn, der einst selbst in Heyrothsberge ausgebildet wurde, spricht von einem "wahnsinnigen Investitionsstau".

Nur so gut wie unsere Kameradinnen und Kameraden ausgebildet werden, können sie am Ende auch Arbeit leisten.

Kai-Uwe Lohse, Chef des Landesfeuerwehrverbands

Außerdem fehlen am IBK Ausbildungslehrgänge zu neueren Anforderungen an die Feuerwehren. Darunter fallen etwa Einsätze mit gewissen Gefahrstoffen sowie der Einsatz von Drohnen-Technik. Kai-Uwe Lohse sagt: "Nur so gut wie unsere Kameradinnen und Kameraden ausgebildet werden, können sie am Ende auch Arbeit leisten."

Ministerium hat Zukunftskonzept entwickelt

Das Innenministerium hat gemeinsam mit Vertretern der Feuerwehren sowie kommunalen Spitzenverbänden ein Zukunftskonzept für das IBK entwickelt, das an wichtigen Stellschrauben drehen soll. Die darin verfassten Punkte müssen zu großen Teilen noch politische Mehrheiten im Landtag finden. Allein bei den Ausbildern ist geplant, zeitnah elf Vollzeitstellen auszufüllen, um 75 Prozent des Ausbildungs-Bedarfs, inklusive neuer Kursangebote abzudecken.

Insgesamt sollen mindestens 25 Stellen in Heyrothsberge neu besetzt werden, denn das IBK soll trotz der aktuellen Herausforderungen noch weitere Aufgaben übernehmen, etwa die zentrale Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen, Ausbildungen im psychosozialen Notdienst oder auch ein rund um die Uhr abrufbares Labor bei Unfällen mit Gefahrstoffen. Hohe Ziele – kam doch in den Arbeitsgruppen zur Sprache, dass zuletzt auf Ausschreibungen deutlich weniger Bewerbungen kommen.

Bessere Arbeitsbedingungen geplant

Eine Stellschraube sind bessere Arbeits-Konditionen. Geplant ist, das Renteneintrittsalter für Ausbilder auf 62 zu senken, sofern sie 25 Jahre Dienst geleistet haben. Innenministerin Zieschang zeigte sich jedoch skeptisch, ob das dafür nötige Gesetz tatsächlich im Landtag eine Mehrheit finden würde. Außerdem soll eine Zulage für die Ausbilder in Höhe von 140 Euro monatlich eingeführt werden.

Aussagen zur Übernahme von Krankenkassenbeiträgen bzw. zur besseren Bezahlung findet man in dem Konzept und auch auf Nachfrage nicht. In diesen Fragen sind andere Bundesländer, etwa Niedersachsen, Sachsen oder Berlin, deutlich weiter. Auch liegt das Angebot deutlich unter den Konditionen in der Berufsfeuerwehr.

Dabei steht im Koalitionsvertrag auf Seite 106: "Zur Steigerung der Attraktivität und Vereinfachung von Personalwechsel zwischen Behörden ist perspektivisch die Unterscheidung zwischen Beamtinnen und Beamten des Einsatzdienstes und sonstigen Beamtinnen und Beamten für den feuerwehr-technischen Dienst aufzuheben."

Auf Nachfrage heißt es, das bedeute nicht, dass man die Konditionen genau angleichen würde. Referatsleiter Berkling sagte: "Man könne nicht Ungleiches mit Ungleichem vergleichen." Ministerin Zieschang will mit anderen Mitteln für das IBK werben, neuartiger Betriebs-Sport oder Praktika im Einsatzdienst etwa. Tamara Zieschang dazu: "Das Institut war lange Jahre das Flaggschiff unter den deutschen Feuerwehrschulen. Andere Länder haben da aufgeholt, und das ein oder andere ist vielleicht am IBK liegen geblieben. Unser klares Ziel ist es, dass IBK wieder zum Flaggschiff zu machen."

Investion von 30 Millionen Euro geplant

Deshalb soll kräftig investiert werden. Um die 30 Millionen sind in dem Konzept veranschlagt. Es geht um einen neuen Haupt-Saal, einen neuen Brand-Simulator, neue Wohn-Trakte für die Auszubildenden. Da aktuell ohnehin die Haushalts-Verhandlungen laufen, ist es allerdings fraglich, wie zeitnah die Ziele umsetzbar sind.

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MDR (Max Hensch, Annekathrin Queck)

Dieses Thema im Programm:SACHSEN-ANHALT HEUTE | 25. Januar 2023 | 19:00 Uhr

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