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Klimaresilienz in MagdeburgInterview: "Klimawandel muss einfach überall mitgedacht werden"

19. Dezember 2022, 11:12 Uhr

Tobias Hartmann arbeitet im Stadtplanungsamt in Magdeburg und hat dort eine Aufgabe, für die es in vielen Städten und Kommunen noch keine konkreten Ansprechpartner oder Ansprechpartnerinnen gibt. Seit April 2022 kümmert er sich um die Anpassung der Stadt an den Klimawandel. Im Interview mit MDR AKTUELL sagt Hartmann, Klimawandel müsse überall mitgedacht werden. Und es fehle teils an gesetzlichen Grundlagen.

MDR AKTUELL: Sie sind also ein "Klimaanpassungsmanager"?

Tobias Hartmann: Das ist tatsächlich nicht so ganz meine Berufsbezeichnung. Ich bin Sachbearbeiter für Klimawandelanpassung. Aber letztlich mach ich auch nichts anderes als ein Klimaanpassungsmanager. Ich bin aber auch nicht vom Bund gefördert, meine Stelle wird von der Stadt Magdeburg getragen. Darüber bin ich auch ganz froh, die Fördermittel vom Bund sind nämlich auf zwei Jahre begrenzt. Meine Stelle ist dagegen länger angelegt, auf vier Jahre. Das gibt mir mehr Zeit Projekte durchzusetzen. Und das ist wirklich wichtig. Von der Projekt-Planung bis zur Ausführung vergehen nämlich im Schnitt sieben Jahre.

Und was sind in diesen vier Jahren ihre Aufgaben?

Ganz verschiedene Sachen. Also ich war schon an einigen Projekten beteiligt, bei denen es darum ging, unsere Stadt besser gegen den Klimawandel zu rüsten. Zuletzt ging es um ein Konzept für Fassadenbegrünung. Letztlich bin ich vor allem ein zentraler Anlaufpunkt bei solchen Vorhaben und kümmere mich um die Absprachen zwischen allen Beteiligten. Gleichzeitig geht es auch viel um rechtliche Fragen.

Alle Maßnahmen für die Anpassung an den Klimawandel brauchen eine rechtliche Grundlage und da gibt es noch Handlungsbedarf.

Tobias Hartmann | Stadtplanungsamt Magdeburg

Zum Beispiel bei der Fassadenbegrünung: Wenn man das mit Kletterpflanzen machen will, bei Gebäuden, die am Gehweg stehen, muss man Steine aus dem Gehweg nehmen, um die Pflanzen dort einpflanzen zu können. Und das geht nicht so einfach: Man braucht eine Erlaubnis von der Stadt, man muss mit den Trägern von Strom- und Telefonleitungen reden, weil die Wurzeln der Pflanzen etwaige Leitungen beschädigen könnten, und so weiter, ein ziemlicher Verwaltungsaufwand.

Fassadenbegrünung – macht das eine Stadt klimaresilient?

Ja, an Hauswänden auf der Südseite zum Beispiel. Pflanzen an den Hauswänden können dabei helfen, die Innenräume hinter diesen südlichen Hauswänden kühl zu halten. Wir reden da von Unterschieden von bis zu zehn Grad.

Klimaresilienz"Klimaresilienz hat eine doppelte Bedeutung: Städte und Regionen sind robust gegenüber Klimafolgen, wie ⁠Starkregen⁠ und Hitzeperioden und sie sind lernfähig, um sich an ändernde Bedingungen anzupassen."Umweltbundesamt

Aber für eine klimaresiliente Stadt müssen wir auch lernen, mit unserem Regenwasser besser umzugehen. Das landet noch viel zu oft einfach in der Kanalisation. Dabei könnten wir das grad im Sommer eigentlich brauchen, um unsere Grünflächen zu bewässern.

Und man muss die Bürgerinnen und Bürger mitnehmen. Die Mitarbeitenden in den Kommunen können nicht jeden trockenen Baum wässern, das ist personell nicht zu schaffen. Da gab es aber auch schon tolle Initiativen, zum Beispiel die Baumfeuerwehr von der Bürgerinitiative "Otto pflanzt!".

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Baumfeuerwehr, das klingt schon mal gut. Welche Projekte zur Klimawandelanpassung wurden denn in Magdeburg sonst noch umgesetzt?

Also in den letzten Jahren wurde vor allem sehr viel konzeptionell gearbeitet. Aber es gab auch ein paar konkrete Maßnahmen. Zum Beispiel wurde schon 2014 mittels einer Klimaanalyse ein Karte erstellt, die Überhitzungsbereiche in Magdeburg kennzeichnet. Und auf Basis dessen wurden Baubeschränkungsbereiche beschlossen, wo nicht oder nur sehr niedrig gebaut werden darf. So kann kühle Luft besser in die Stadt strömen und diese abkühlen. Jetzt wäre es wahrscheinlich mal an der Zeit, die Karte zu aktualisieren.

Dann hatten wir noch ein Projekt, bei dem die Fassade eines Mehrfamilienhauses begrünt und mit einem technisch einigermaßen aufwendigen Bewässungssystem ausgestattet wurde. Das Hundertwasserhaus ist auch ein gutes Beispiel für großflächige Begrünung. Das gibt's aber natürlich schon eine Weile.

Und in unseren Bebauungsplänen ist festgelegt, dass Flachdächer begrünt werden müssen. So eine Begrünung macht übrigens auch Solaranlagen auf den Dächern wirtschaftlicher, weil sie dabei hilft, die Panelen kühl zu halten. Und wenn die nicht überhitzen, funktionieren sie effektiver.

Was sind die größten Herausforderungen bei Ihrer Arbeit?

Alle Maßnahmen der Klimawandelanpassung benötigen eine rechtliche Grundlage. Insbesondere die Möglichkeiten für Gestaltungssatzungen sind in Sachsen-Anhalt sehr begrenzt. Wir würden zum Beispiel gern eine Begrünungssatzung für Magdeburg erstellen, in anderen Kommunen gibt es entsprechende Satzungen bereits. In Sachsen-Anhalt können solche Satzungen aber nur aufgestellt werden, wenn sie der Weiterentwicklung eines bestehenden Ortsbildes dienen. Wir dürfen also keine Gestaltungssatzung für Begrünungsmaßnahmen erlassen, wenn die Umgebung nicht durch Gebäudebegrünung geprägt ist. Hier gibt es Handlungsbedarf hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen.

Wozu braucht es Leute wie Sie in den Städten und Kommunen?

Anpassung an den Klimawandel - das ist ein Thema, das ganzheitlich angegangen werden muss. Das muss einfach überall mitgedacht werden. Die Klimawandelanpassung ist eine Querschnittsaufgabe, so dass die Verantwortung auf viele Ämter und Stellen verteilt ist. Das kann dann zu Kompetenzgerangel führen. Da braucht es einfach jemanden, der die Verantwortung in die Hand nimmt.

Außerdem haben die Mitarbeiter*innen in der kommunalen Verwaltung alle gut zu tun, da fallen solche "Extra-Aufgaben" wie Klimawandelanpassung schnell mal hinten runter.

Herr Hartmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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