Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

Geld für Start-upsSo hilft die EU Start-ups in Sachsen-Anhalt auf die Beine

27. Mai 2024, 08:52 Uhr

In einer Serie vor der Europawahl am 9. Juni geht MDR SACHSEN-ANHALT der Frage nach, wie Menschen hierzulande von der Europäischen Union profitieren. Im fünften Teil geht es um die Wirtschaftsbranche. EU-Fördergeld fließt nicht nur in Großprojekte wie Intel in Magdeburg, sondern auch in Start-ups. Das Magdeburger Unternehmen "3DQR" ist eines davon.

Ein großer Tisch, darauf ein Blatt Papier mit schwarz-weißen Vierecken. Als der QR-Code gescannt wird, baut sich eine Maschine vor den Augen von Daniel Anderson auf – natürlich nur auf dem Tablet in seinen Händen. Mit einem Fingerwisch kann die Maschine in ihre Einzelteile zerlegt werden. Anderson geht leicht in die Knie und schwebt mit dem Tablet um die virtuelle Maschine herum.

Anderson ist der Gründer und Geschäftsführer des Magdeburger Start-ups "3DQR". Mit der Hilfe einer App können sogenannte Augmented-Reality-Welten erschaffen werden. So sollen beispielsweise Unternehmen digitale Inhalte in die reale Welt projizieren, heißt es.

Mit dem Tablet einen QR-Code scannen und dannvirtuelle Objekte in die reale Welt bringen – das macht das Magdeburger Start-Up "3DQR". Bildrechte: MDR/Uwe Riehmann

Ohne Finanzspritze haben es Unternehmensgründer schwer

Seit 2016 gibt es das Start-up jetzt schon – also seit acht Jahren. Damit aus einer Idee ein Unternehmen wurde, nahm Anderson am Anfang viele Fördermittel in Anspruch, erinnert er sich. Einige davon sind Mittel, die aus einem Europäischen Fond kommen. "Das war wichtig, weil ich noch nicht so viele Aufträge am Anfang hatte. Das hat mir den Einstieg ermöglicht. Hätte es die nicht gegeben, wäre das in den ersten Monaten zu Ende gegangen, weil mir das Geld ausgegangen wäre", sagt er MDR SACHSEN-ANHALT.

Das hat mir den Einstieg ermöglicht. Hätte es die nicht gegeben, wäre das in den ersten Monaten zu Ende gegangen, weil mir das Geld ausgegangen wäre.

Daniel Anderson | Gründer und Geschäftsführer "3DQR"

So gebe es Projekte, die ohne Fördermittel nicht möglich wären, sagt Anderson. Um dem entgegenzuwirken und die Wirtschaft Sachsen-Anhalts zu stärken, gibt es sogenannte EFRE-Mittel – die Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. In der Förderperiode 2021 - 2027 stehen dem Bundesland insgesamt rund 1,2 Millionen Euro zur Verfügung. In der Periode 2014 bis 2020 hatte Sachsen-Anhalt rund 1,4 Millionen Euro EFRE-Mittel zur Verfügung, heißt es auf der Webseite der Europäischen Union.

Dieses Geld wird in die verschiedenen Förderprogramme aufgeteilt. Das Ziel ist, kleine und mittlere Unternehmen zu unterstützen, heißt es von Landesministerium für Wirtschaft auf Nachfrage von MDR SACHSEN-ANHALT. Das betreffe beispielsweise Betriebe des Handwerks und Einzelhandels oder des Dienstleistungs-, Beherbergungs- und Gaststättengewerbes und Start-ups. Zu letzteren heißt es vom Ministerium: "Die EU-Mittel verbessern Finanzierungsbedingungen und unterstützen die Unternehmen in kritischen Entwicklungsphasen einschließlich der Wachstums- und Expansionsphase."

Daniel Anderson, Geschäftsführer von "3DQR", könnte ohne Fördermittel manche Projekte gar nicht umsetzen. Bildrechte: MDR/Uwe Riehmann

EU-Förderungen stark nachgefragt

Daniel Anderson hat mehrfach solche Förderprogramme in Anspruch genommen. "Ego-Start" war eines davon in der Gründungsphase, sagt er. Etwas später hat er Unterstützung aus einem Risikokapitalfond in niedriger siebenstelliger Höhe erhalten.

Und die Nachfrage nach Fördermitteln aus der EU ist hoch. Das sagte Susanne-Eva Dörrwand von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Magdeburg MDR SACHSEN-ANHALT. "Wir haben täglich Beratungen zu finanziellen Förderungen – wo kann ich die beantragen, wo trifft das auf mich zu? Man merkt, dass gerade für unsere kleine mittelständische Wirtschaft, die Zuschüsse und zinsbegünstigen Darlehen wichtig sind", sagt die stellvertretende Geschäftsführerin.

Susanne-Eva Dörrwand, stellvertretende Geschäftsführerin der IHK Magdeburg, erklärt, dass EU-Förderungen aktuell stark nachgefragt sind. Bildrechte: MDR/Uwe Riehmann

Wie viele Start-ups durch Fördergelder genau profitieren, lässt sich schwer in Zahlen wiedergeben. Aber: Bis Dezember 2022 wurden in der Strukturfondsperiode 2014 bis 2020 insgesamt 4.672 Existenzgründer durch die sogenannten "Ego"-Programme gefördert, so ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums. "Die Förderung von Maßnahmen zur Unterstützung von Gründungen und Unternehmertum ist ein Schwerpunkt in der Strukturfondsperiode 2021-2027. Genutzt werden sowohl EFRE-Mittel als auch Mittel aus dem ESF+. Insgesamt stehen rund 70,7 Mio. Euro zur Verfügung, davon 50,0 Mio. Euro EU-Mittel", heißt es.

Für Anderson sind solche finanziellen Mittel Gold wert. Nach seiner Erfahrung gibt es Regionen in Deutschland, in denen die Wirtschaftskraft nicht stark genug ist, um beispielsweise Hightech-Projekte zu finanzieren. "Das ist definitiv hier in Sachsen-Anhalt so", sagt der Geschäftsführer. "Da gibt es einige Projekte, die wir mit Fördermitteln realisiert haben, die sonst nicht zustande gekommen wären."

Start-up-Gründer: EU-Fördermittel zieht zu viel Bürokratie mit sich

Doch das Geld für eine EU-Förderung ist an einige Bedingungen geknüpft – und die ziehen meterhohe Stapel Papier mit sich, erinnert sich der Gründer. "Wenn man ein Projekt mit Förderung angeht, dann muss man mindestens ein Jahr Vorlauf einplanen, bevor man startet. Es ist ein signifikanter Aufwand, die Förderung zu beantragen, die Bearbeitungszeit abzuwarten und eventuell nochmal zu korrigieren", so Anderson.

Leider, muss ich sagen, kann man keine schnellen Innovativ-Projekte machen. Das müssen immer Projekte sein, die längerfristig angelegt sind und wo man die Zeit hat, das zu machen.

Daniel Anderson | Gründer und Geschäftsführer "3DQR"

Was ihn dabei am meisten ärgert, ist, dass der bürokratische Aufwand oft gar nicht das eigentliche Projekt betreffe. Das seien dann irgendwelche Formalien. "Leider, muss ich sagen, man kann keine schnellen Innovativ-Projekte machen. Das müssen immer Projekte sein, die längerfristig angelegt sind und wo man die Zeit hat, das zu machen", sagt Anderson.

Dass die bürokratischen Hürden hoch sind, weiß auch die Industrie- und Handelskammer. "Insgesamt haben wir die Rückmeldung der Unternehmen, dass es nach wie vor sehr kompliziert ist, wenig digitalisiert ist und dass man extra Personal freistellen muss, um die Anträge zu stellen", sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Dörrwand. Gerade Letzteres spiele einem jungen Unternehmen nicht in die Karten. "Wenn ich sowieso schon knapp mit Personal bin, dann fehlt natürlich jeder. So empfinden die Unternehmen in der Regel alles auch eher bürokratisch", so Dörrwand weiter.

Junge Unternehmen sind durch Intels schnelle Förderung frustriert

Aktuell scheint der Frust, der durch die Bürokratie sowieso schon vorhanden ist, noch größer. Der Grund: Intels Ansiedlung in Magdeburg. 9,9 Milliarden Bundes-Fördermittel sind in das Projekt geflossen – und das, gefühlt, sehr schnell. Das kommt nicht nur bei "3DQRs" Geschäfstführer Anderson nicht gut an.

"Wir nehmen, nicht nur bei uns, sondern auch bei vielen Unternehmen in der Region, schon einen gewissen Frust war, dass Intel sehr, sehr schnell, sehr, sehr viel Förderung bekommen hat. Es dauert zumindest gefühlt bei kleinen Unternehmen viel länger und die Beantragung ist mit viel mehr Hürden verbunden." Dass die Ansiedlung Intels Unternehmen in der Region viele Vorteile bietet, ist Anderson bewusst. Dennoch finde er, dass es eine gewisse Intransparenz gebe: "Wieso geht bei Intel alles so schnell und wieso sind bei anderen Unternehmen die bürokratischen Hürden schwer nachvollziehbar?", fragt er sich. Die Gelder für Intel sind aus Bundesmitteln, die Förderung muss aber durch die EU genehmigt werden.

Wir nehmen, nicht nur bei uns, sondern auch bei vielen Unternehmen in der Region, schon einen gewissen Frust war, dass Intel sehr sehr schnell, sehr sehr viel Förderung bekommen hat.

Daniel Anderson | Geschäftsführer "3DQR"

Erhält Intel gerade sehr viele Fördermittel und andere Unternehmen weniger als sonst? Laut Wirtschaftsministerium müssen sich Start-ups und andere mittelständische Unternehmen keine Sorgen machen. So heißt es: "Sachsen-Anhalt fördert nicht die Unternehmensinvestitionen von Intel. Die Fördermittel werden vielmehr für die Erschließung des HighTechParks (HTP) insgesamt eingesetzt." Besondere Förderprogramme für die Umfeldansiedlung von Zulieferern seien weder aus Landes- noch aus EU-Mitteln vorgesehen. Den Angaben zufolge gibt es keine Verschiebung von Fördermitteln zugunsten der Ansiedlung von Zulieferern im HTP.

Wunsch nach persönlichem Kontakt und mehr Interesse am Projekt

Zurück bei Anderson im Büro. Aus der Maschine auf dem Tablet ist mittlerweile ein Haus geworden, bei dem Fenster und Wände mit einem Klick unsichtbar gemacht werden können. Für den Geschäftsführer müsse es bei den Förderanträgen viel mehr um die eigentlichen Inhalte gehen. "Man hat alle Formulare richtig ausgefüllt, was am Ende des Projektes gar nicht mehr so wichtig ist", sagt er. Er wünsche sich einen persönlicheren Kontakt zum Fördermittelgeber, dem man dann klarstellen könne, dass das Projekt sich lohnt.

Doch ganz ohne die EU-Mittel wäre er vermutlich nicht da – oder zumindest nicht so schnell – wo er jetzt mit seinem Unternehmen steht. Das ist dem Gründer bewusst.

EU-Check: Wirtschaft

Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg, pixabay

  • Das überweist die EU nach Sachsen-Anhalt: Sachsen-Anhalt INVESTIERT (Investitionsförderprogramm für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)): Min diesem Programm werden Investitionen ab einem Volumen von 20.000 Euro gefördert, die die Innovationskraft, die Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit sowie die Resilienz bestehender KMU im Land Sachsen-Anhalt verbessern und Dauerarbeitsplätze sichern oder schaffen. Das Programm wird mit 50 Millionen Euro vollständig aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) 2021-2027 finanziert.


Richtlinien "Forschung und Entwicklung (FuE)": Gefördert werden Einzelprojekte, Verbundvorhaben und Gemeinschaftsprojekte, wobei Großunternehmen ausschließlich im Rahmen von Verbundprojekten mit mindestens einem KMU förderwürdig sind. Die Maßnahmen haben zum Ziel, die Innovations- und FuE-Aktivitäten in den Unternehmen auszuweiten und den Wissens- und Technologietransfer von den öffentlichen FuE-Akteuren in die Unternehmen zu stärken. Für das Programm stehen 120 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) zur Verfügung.

Richtlinien "Forschungsinfrastruktur": Aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) stehen dafür insgesamt 30 Millionen Euro zur Verfügung. Mit dem Förderangebot soll zugleich eine Verstetigung von Forschungskooperationen zwischen wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen und KMU durch die Möglichkeit einer finanziellen Beteiligung an den Investitionsprojekten angeregt werden.

Richtlinien "Digital And Creative Economy": Unter dem Dach des Programms "Digital and Creative Economy" werden kleine und mittlere Unternahmen bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben unterstützt. Hierfür stehen aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) insgesamt 113 Millionen Euro zur Verfügung.

Darlehensprogramme und Beteiligungen: Das Land Sachsen-Anhalt hat in der EU-Förderperiode 2014-2020 (2023) mit EU-Mitteln verschiedene Finanzierungsinstrumente zur Unterstützung der regionalen Wirtschaft eingerichtet. Der Mittelstands- und Gründerdarlehensfonds in der Investitionsbank Sachsen-Anhalt bietet zahlreiche Darlehensprogramme mit unterschiedlicher Zielstellung zur Unterstützung von Unternehmen an.
(Quelle: Ministerium für Wirtschaft Sachsen-Anhalt)

  • Wer profitiert davon: Über die EFRE-Mittel unterstützt die EU die wirtschaftliche Entwicklung. Dazu zählen beispielsweise die "Schaffung von Arbeitsplätzen, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftswachstum, Verbesserung der Lebensqualität und nachhaltige Entwicklung", heißt es auf der Webseite der Europäische Union. Finanziert werden neben Start-ups und mittelständischen Unternehmen auch Projekte zur Stadtentwicklung.

Mehr zum Thema EU und Europawahl:

MDR (Maximilian Fürstenberg)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 26. Mai 2024 | 19:00 Uhr

Kommentare

Laden ...
Alles anzeigen
Alles anzeigen