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"Vier Frauen. Vier Lebensläufe"Ausstellung: DDR-Fotografinnen in Chemnitz neu zu entdecken

10. Februar 2024, 13:54 Uhr

Die Kunstsammlungen Chemnitz widmen sich jetzt einem vernachlässigten Kapitel, die neue Ausstellung rückt die weibliche Seite der DDR-Fotokunst in den Blick. Rund 80 Werke von May Voigt, Evelyn Krull, Gerdi Sippel und Christine Stephan-Brosch sind unter dem Titel "Vier Frauen. Vier Lebensläufe" bis 9. Juni 2024 neu zu entdecken. Unser Kritiker erlebte in Chemnitz auch eine eindrucksvolle Zeitreise zurück in ein Land, das es nicht mehr gibt.

  • In Chemnitz ist am Samstagabend die Ausstellung "Vier Frauen. Vier Lebensläufe" eröffnet worden, die das Schaffen von vier DDR-Fotografinnen zeigt.
  • Zu sehen sind bis 9. Juni 80 Werke, die die weibliche Seite der DDR-Fotografie in den Fokus rücken.
  • Die Schwarz-Weiß-Fotografien von May Voigt, Evelyn Krull, Gerdi Sippel und Christine Stephan-Brosch sind wie eine Zeitreise, sie erzählen nuancenreich vom Leben in einem verschwundenen Land.

Ältere aus Chemnitz, respektive Karl-Marx-Stadt, könnten sich vielleicht noch erinnern. An diesen Auftritt des Jazz-Posaunisten Conny Bauer. 1982 war das, in der Galerie Oben. Die damals 22-jährige Autodidaktin May Voigt hat ihn fotografiert. Wie auch die Schauspielerin Cornelia Schmaus oder den Grafiker und Philosophen Carlfriedrich Claus und seinen Kollegen Gerhard Altenbourg in der legendären Galerie der Künstlergruppe Clara Mosch. Die Fotografin dieser Bilder lebt leider nicht mehr.

May Voigt porträtierte prominente Künstler wie Schlagzeuger Conny Bauer oder Carlfriedrich Claus, 1989 setzte sie eine "Angstnacht" in Szene. Bildrechte: Jochen Voigt / Foto: Frank Krüger

"Vier Frauen": Fotografieren in der DDR

Aber mit den drei anderen, deren Werke in der Schau "Vier Frauen. Vier Lebensläufe – Fotografieren in der DDR" zu sehen sind, konnte die Kuratorin der Schau, Johanna Gerling, die selbst gerade mal 28 ist und keine eigenen Erinnerungen an dieses Land haben kann, ausführlich sprechen. So konnte sie nicht nur in die schwarz-weißen Bilderwelten eintauchen, sondern auch vieles über die Zeit und Umstände ihres Entstehens erfahren. Aus erster Hand, was viel zum Gelingen der Ausstellung beitrug.

Besondere Aktfotografien von Evelyn Krull

Der erste Blick gehört der 1942 in Breslau geborenen und in Dresden aufgewachsenen Evelyn Krull und ihren frühen Aktfotografien aus den 70er-Jahren. Scheinen die zunächst noch von der besonders in der Zeitschrift "Das Magazin" gepflegten Ästhetik geprägt, verändern sie sich später deutlich. Die Erotik verliert ihre Vordergründigkeit.

Evelyn Krulls Fotografie aus dem Luvosprojekt wirkt archaisch und ist neben anderen Akten in der Ausstellung in den Kunstsammlungen Chemnitz bis 9. Juni zu sehen. Bildrechte: Evelyn Krull / Foto: Frank Krüger

Die Fotografin zeigt in ihrer Luvos-Heilerde-Serie menschliche Nacktheit in nahezu archaischen Momenten, später baut sie fast konstruktivistische Arrangements aus Körpern und Materialien.

Gerdi Sippel: Alltagsmoment und Ewigkeit

Im nächsten Raum empfangen uns die Kohlenträger von der Henrietten-Straße. Äußerlich wilde Kerle sind das, die mit müden Blicken in die Kamera von Gerdi Sippel schauen. Die 1951 in Chemnitz geborene ehemalige Tänzerin, die an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig ein Fernstudium für Fotografie absolvierte, fand viele ihrer Motive in der Arbeitswelt. Sei es die von Künstlern oder Kohleträgern.

Fotografin Gerdi Sippel macht aus Alltagsmomenten besondere Stillleben. Bildrechte: Gerdi Sippel / Foto: Frank Krüger

In einer fast schon ikonischen Aufnahme aus der Vogelperspektive ihres Ateliers hat sie 1983 einen einsamen Straßenbauarbeiter beim Verteilen von Rollsplitt zu einem ganz großen, wie choreografiert scheinenden Auftritt für die Ewigkeit verholfen. Hier wird ein Alltagsmoment zur großen Kunst.

Christine Stephan-Brosch: Menschen und Bäume im Porträt

Bleibt als vierte Position das Werk von Christine Stephan-Brosch. Die 1939 im sächsischen Ebersbach geborene Fotografin beeindruckt mit ihren Porträts. Bilder von Menschen und Bäumen, die in ihrer Unmittelbarkeit und Lebensnähe ihresgleichen suchen.

Zu sehen ist in der Chemnitzer Aussstellung "Vier Frauen. Vier Lebensläufe" auch die Porträtkunst von Christine Stephan-Brosch. Bildrechte: Christine Stephan-Brosch / Foto: Frank Krüger

Wir schauen fremden Menschen oder bekannten Künstlern in die Augen, oder besser noch, werden von diesen in den Blick genommen. Man könnte meinen, dass hier so etwas wie der berühmte Funke überspringt.

Lohnende Zeitreise in ein verschwundenes Land

Bleibt festzuhalten: Vier Frauen, vier Lebensläufe und viele Fotos aus einem Land, das die einen noch kennen mögen und die anderen dank dieser Ausstellung aus einem besonderen Blickwinkel kennenlernen können.

Quelle: MDR KULTUR, Redaktionelle Bearbeitung: ks

Angaben zur AusstellungKunstsammlungen Chemnitz
Theaterplatz 1
09111 Chemnitz

"Vier Frauen. Vier Lebensläufe –
Fotografieren in der DDR"

10. Februar bis 9. Juni 2024

Öffnungszeiten:
Dienstag, Donnerstag bis Sonntag und an Feiertagen, 11 bis 18 Uhr, mittwochs 14 bis 21 Uhr

Eintritt:
Erwachsene 8 Euro, ermäßigt 5 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre frei

Katalog: "Vier Frauen. Vier Lebensläufe –
Fotografieren in der DDR"
Sandstein Verlag
128 Seiten, 97 monochrome Farbabbildungen
ISBN 978-3-95498-792-4

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 10. Februar 2024 | 12:15 Uhr