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Vier solche Doppelstockzüge des Unternehmens Wedler Franz Logistik werden im Kulturhaupstadt-Jahr 2025 den Eisenbahnbetrieb zwischen Chemnitz und Leipzig absichern. Betrieben werden sie wie bisher vom Unternehmen Mitteldeutsche Regiobahn (MRB). Statt einer E-Lok hängt eine Diesellok am Zug, da zwischen Leipzig und Chemnitz kein Oberleitung hängt. (Archivbild) Bildrechte: WFL

Trotz fertiger MontageChemnitz - Leipzig: Keine neuen Akku-Züge zur Kulturhauptstadt

22. April 2024, 16:13 Uhr

Weitere Verspätung bei der Zulassung der neuen Akku-Züge für die Strecke Chemnitz - Leipzig. Die Stimmung zwischen Hersteller Alstom und dem Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS) war am Montag frostig, als die Anmietung von Doppelstockzügen für die Strecke Chemnitz - Leipzig bekanntgegeben werden musste. Eigentlich sollten im Kulturhaupstadtjahr 2025 endlich die neuen Akku-Triebwagen zum Einsatz kommen. Doch das klappt nicht.

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Die dürftig modernisierten Reisezugwagen auf der Strecke Chemnitz - Leipzig aus Beständen der früheren DDR-Reichsbahn polarisieren: Eisenbahnfans können gar nicht genug davon bekommen, ihre Köpfe aus den geöffneten Fenstern zu halten und noch "echte Eisenbahnatmosphäre" im Fahrtwind zu genießen. Viele Reisenden mit eingeschränkter Mobilität, Kinderwagen oder schwerem Gepäck allerdings beklagen die steilen Einstiege, schwergängigen Drehfalttüren und fehlende Klimaanlage der betagten Waggons im Sommer.

Ab Dezember sollte - nach mehrmaligen Verspätungen - mit nagelneuen Akku-Triebwagen eine halbwegs zeitgemäße Eisenbahn auf der noch immer nicht elektrifizierten und weiter eingleisigen Eilzugstrecke Einzug halten und die Gäste im Kulturhauptstadtjahr von Leipzig (und noch weiter her) nach Chemnitz bringen. Nun hat der Fahrzeughersteller Alstom aber die Notbremse gezogen.

Verkehrsverbund kauft elf Akku-Züge

Gemeinsam mit dem verantwortlichen Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS), der insgesamt elf Akku-Züge bestellt hat und kaufen wird, wurde am Montag bekanntgegeben, die "Coradia Continental Bemu" - so deren offizieller Name - stünden zum Fahrplanwechsel im Dezember nicht zur Verfügung. Die Züge seien zwar fertig montiert, aber noch nicht zugelassen.

Diese Akku-Züge sind die Zukunft auf der Strecke Chemnitz - Leipzig. Ihre Batterien auf dem Dach werden an den Endbahnhöfe geladen. Noch sind die neuen Züge aber gar nicht zugelassen. (Archivbild) Bildrechte: IMAGO/Andre März

Reichsbahn-Flair zwischen Chemnitz und Leipzig

Um den Reisenden und Pendlern aber ab dem kommenden Jahr das bisherige Reichsbahn-Flair "langer Halberstädter" Reisezugwagen zu ersparen, mietet Alstom auf eigene Kosten klimatisierte Doppelstock-Waggons für die RE-Linie 6 an. Das private Eisenbahnunternehmen Wedler Franz Logistik soll vier Züge mit jeweils drei Waggons ein ganzes Jahr lang zur Verfügung stellen.

Wedler Franz LogistikWedler Franz Logistik (WFL) ist ein Eisenbahnunternehmen mit Verwaltungssitz in Potsdam, einem Logistikstützpunkt in Wustermark und einem Wartungsstützpunkt in Nossen. Das Unternehmen besitzt eigene Loks und Waggons, darunter auch drei Dampfloks, Reisezugwagen für den ÖPNV und für historische Sonderzüge. Die 2004 gegründete Firma bietet bundesweit Güterverkehr im Auftrag von Industriefirmen und anderen Bahnunternehmen an. Zudem stellt WFL Reisezüge im Ersatzverkehr, wenn - wie auch zwischen Chemnitz und Leipzig - geplante Fahrzeuge nicht zur Verfügung stehen. Historische Eisenbahnfahrzeuge werden samt Personal auch für Filmproduktionen vermietet.

Von der Hessischen Landesbahn werde als Reserve noch ein Dieseltriebwagen angemietet. Zu den Kosten äußerten sich die Beteiligten nicht - auf Nachfrage auch nicht dazu, ob die Mietkosten für die benötigten Dieselloks von Alstom übernommen werden. Diese würden für die Mitteldeutsche Regiobahn (MRB) als Linienbetreiber nicht mehr anfallen, sobald die Akku-Züge verfügbar wären.

Bahnfans aus ganz Deutschland pilgern nach Sachsen, um historische Eilzüge zum regulären Preis zwischen Chemnitz und Leipzig zu erleben. Anderswo gibt es solche betagten Waggons mit Fenstern zum Öffnen nur noch bei Ersatzverkehr oder in Sonderzügen. (Archivbild) Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Frostige Atmosphäre zwischen VMS und Alstom

Die Atmosphäre zwischen VMS und Alstom ist spürbar frostig. So konnte sich VMS-Chef Mathias Korda den Hinweis nicht verkneifen, man habe sich die Verträge für die Anmietung der Doppelstockwaggons vor Bekanntgabe zur Sicherheit zeigen lassen und gehe deshalb davon aus, dass der Betrieb reibungslos laufen wird. Alstom-Vertriebsleiter Jochen Slabon räumte zerknirscht ein, man übernehme als Hersteller die alleinige Verantwortung für die Verspätung bei der Zulassung der neuen Akku-Züge.

Die Doppelstockwaggons sind modernisiert, im Untergeschoss barrierefrei und mit Klimaanlagen ausgestattet. (Symbolbild) Bildrechte: WFL

Der Firmenchef nennt unter anderem die Corona-Pandemie und den Krieg Russlands gegen die Ukraine als Gründe für Personalprobleme und Lieferengpässe - obwohl im Spätsommer 2023 noch von einem viel früheren Start der Züge die Rede war. Nun spricht Alstom von einer "Feinjustierung des Batteriesystems für einen uneingeschränkt zuverlässigen Fahrgastbetrieb", was länger dauere.

Dabei gehe es darum, das Zusammenspiel von Software und Hardware des neuen Antriebssystems zu optimieren. Bei Testfahrten seien Erfahrungen gesammelt worden - nun wolle man die Zulassung des neuen Fahrzeugtyps beim Eisenbahn-Bundesamt in Angriff nehmen, was mindestens fünf Monate dauere.

Akku-Züge im Lauf des Jahres 2025 einsatzbereit?

Die Alstom-Vertreter zeigten sich überzeugt davon, dass die neuen Batteriezüge im ersten Halbjahr 2025 einsatzbereit seien. Der VMS wollte nicht eindeutig bestätigen, ob die Züge dann auch - möglicherweise mit noch zu behebenden Problemen - schon sukzessive im Fahrgastbetrieb eingesetzt werden.

Davon rät der Fahrgastverband Pro Bahn ab. Es sei sinnvoller, im gesamten Fahrplan- und Kulturhauptstadtjahr 2025 mit den Doppelstockwaggons einen stabilen Zugverkehr zu fahren. Als Vertreter der Reisenden könne man mit der angekündigten Zwischenlösung leben, zumal damit mehr Sitzplätze zur Verfügung stünden als in den neuen Akku-Triebwagen, sagte der Sprecher des Verbandes für Südwestsachsen, Markus Haubold. Für Pro Bahn war "absehbar", dass sich der Start der neuen Triebwagen abermals verschieben werde. Haubold fordert insbesondere vom Bund und der Deutschen Bahn weitere Fernverkehrszüge im Kulturhauptstadtjahr nach Chemnitz.

Zusatzzüge zu Großereignissen über Riesa geplant

VMS-Chef Mathias Korda hat zumindest für Großereignisse im Festjahr angekündigt, die MRB mit Zusatzzügen im Regionalverkehr zu beauftragen, die von Leipzig über Riesa nach Chemnitz fahren sollen. Man prüfe bereits mögliche Termine und die Trassenverfügbarkeit beim Infrastrukturbetreiber Deutsche Bahn.

Auf direktem Weg über Geithain sei die eingleisige Strecke mit den stündlichen Regionalexpress-Zügen und ihren wenigen Ausweichstellen schon jetzt komplett ausgelastet. Leipzig gilt wegen seiner guten Fernbahnanbindung als wichtigster Umsteigebahnhof für Gäste, die die Kulturhauptstadt 2025 besuchen wollen.

Übrigens sollen auch die Doppelstockzüge mit Personal der MRB besetzt sein, hieß es. Bei einem Ersatzzug im ersten Quartal dieses Jahres war das anders.

Korda appellierte an die Landes- und Bundespolitik, Streckenausbau und Elektrifizierung ernsthaft voranzutreiben. Einen seriösen Termin für die Modernisierung der kompletten rund 80 Gleiskilometer zwischen Chemnitz und Leipzig gibt es noch immer nicht.

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MDR (lam)/dpa

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Chemnitz | 22. April 2024 | 14:30 Uhr