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Die Graffitis wurden 1991 mit Schablonen gesprüht, für diese Technik ist später auch der international bekannte Künstler Banksy berühmt geworden. Bildrechte: Kustodie | Kunstsammung Universität Leipzig

Street ArtLeipzig: Ausstellung würdigt pionierhafte Kunstaktion

19. April 2024, 13:38 Uhr

Banksy hat mit seinen Graffiti die Schablonentechnik weltberühmt gemacht. Schon 1991 haben in Leipzig französische, ost- und westdeutsche Künstler bei einer gemeinsamen Kunstaktion diese Technik benutzt. Die Ausstellung "Streetwise" der Leipziger Universität zeigt damals entstandene Werke. Bis zum 20. Juli ist sie im Neuen Augusteum am Augustusplatz zu sehen. Ausgestellt ist unter anderem die "Madonna von Connewitz", die der Franzose Bleck le Rat – inspiriert durch den italienischen Barockkünstler Caravaggio – geschaffen hat.

Grell, bunt, schrill: Graffiti und Street Art gehören mittlerweile zu jeder größeren deutschen Stadt. Kurz nach dem Mauerfall war Leipzig jedoch, wie alle ostdeutschen Städte, graffiti-freie Zone.

Fast skurril erscheint da im Rückblick eine Kunstaktion des Jahres 1991, in der die Uni Leipzig französische und westdeutsche Spraykünstler sowie hiesige Maler und Malerinnen zu einem Workshop in ihren Innenhof lud, per Schablonengraffiti auf mobilen Bildträgern neue Kunst für den Unicampus zu erschaffen. Die Ausstellung "Streetwise" stellt nun die Werke von damals aus.

Die Kunstaktion fand 1991 im Innenhof der Uni Leipzig statt. Hier sind zwei der damals beteiligten Künstler zu sehen. Bildrechte: Kustodie | Kunstsammung Universität Leipzig

Legendärer Graffiti-Workshop in Leipzig

Sogar eine Berühmtheit der internationalen Graffiti-Szene kann der Bildbestand der Uni Leipzig verzeichnen: Bleck le Rat, seines Zeichens Pochoirist aus Paris, Sprayer der sogenannten Pochoir- oder Schablonen-Technik, einer Sonderform des Graffiti. 1991 hatte der Künstler während eines mehrtägigen Graffiti-Happenings in Leipzig nachts die "Madonna von Connewitz" gesprüht. 2012 wurde sie in der Südvorstadt freigelegt – unter darüber geklebten Plakaten – und ist inzwischen dort durch eine Plexiglasscheibe geschützt.

Blek le Rats "Women with Child", auch als "Madonna von Connewitz" bezeichnet. Bildrechte: Kustodie | Kunstsammung Universität Leipzig/Marion Wenzel

Die Uni Leipzig besitzt das Motiv zusätzlich auf einen mobilen Bildträger. Und so hängt die Madonna nun in der neuen Ausstellung mit dem Titel "Streetwise". Christine Hübner, Sammlungskonservatorin der Kustodie, erklärt in der neuen Schau, dass Bleck le Rat die "Madonna von Connewitz" nach dem "Vorbild von Caravaggios 'Madonna dei Pellegrini' gearbeitet hat".

Das Altarbild Madonna di Pelegrini von Michelangelo Merisi da Caravaggio, genannt Caravaggio. Es war die Vorlage für Bleck le Rats Madonna von Connewitz. Bildrechte: IMAGO / Zoonar

Black le Rat nahm im September 1991 mit anderen französischen und westdeutschen Schablonengraffiti-Künstlern an einem Workshop teil, den der damalige Kustos der Uni Leipzig, Rainer Behrends, angeregt hatte. Im Innenhof der damals noch sozialistisch-grauen Universität sprayten die Gäste, gemeinsam mit hiesigen Malern und Malerinnen, was das Zeug hielt.

Leipziger Schule und Graffiti

Gudrun Petersdorf und Akos Novaki waren damals noch unerfahren in der Graffiti-Technik, stellten sich aber der Herausforderung, ihre, an der Leipziger Kunsthochschule erworbenen malerischen Qualitäten in die des Schablonengraffitis zu überführen.

Aufbau der Ausstellung 2024. Bildrechte: Kustodie | Kunstsammung Universität Leipzig/Marion Wenzel

Rudolf Hiller von Gaertringen, Kustos der Universität Leipzig, erklärt vor der Graffiti-Kunst Akos Novakys: "Er hat hier so abstrakte Formen gemacht: ein Kreis als Schablone und Querbalken – dann hat er das zum Teil abgedeckt und mit Sprühdosen frei gearbeitet. Dann kommen da so wolkige Sache raus." Das sein in diesem Kontext ungewöhnlich, so Hiller. Novakys habe eine künstlerische Haltung, die sich dann auch in einem, ihm fremden, Medium auswirke.

Das zeigt sich auch in der "Oasenlandschaft mit Kamelen", einem Schablonengraffiti der Leipziger Malerin Gudrun Petersdorff, wie Elisabeth Niehoff, Studentin der Kunstgeschichte, erklärt: "Die Kamele und die Palmen, die findet man auch in manchen ihrer gemalten Werke wieder. Und auch die Farbgebung in rot, grün, blau – Petersdorffs Bilder sind ja auch sonst immer sehr farbintensiv – das hat sie hier natürlich beibehalten."

Pochoir-Künstler bei der Arbeit 1991. Bildrechte: Kustodie | Kunstsammung Universität Leipzig

Übrigens ist von den damals teilnehmenden Leipziger Malerinnen und Malern – auch Jens Balmer, Jens Pfuhler und Ingo Regel gehörten dazu – niemand bekannt, der nach dem Workshop ins Fach der Graffiti-Kunst wechselte.

Klangvolle Namen der Szene

Etwa 20 Künstler und Künstlerinnen sprayten einst im Uni-Innenhof, darunter Pochoiristen mit klangvollen Namen in der damals französische dominierten Szene wie El Assiston oder Docteur Table, der mehrfarbig agierte, Nashörner oder Taucher popkulturell inszenierte; wie Epsylon Point, der die Panzer auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking mit der Schablone kommentierte und colorierte – asiatisch inspiriert in gelb-rosa.

Die 2022 verstorbene Streetart-Künstlerin Miss. Tic. bei der stilprägenden Arbeit mit einer Schablone (frz. Pochoir). Bildrechte: IMAGO / ABACAPRESS

Von Miss. Tic, der bereits verstorbenen "Pariser Prinzessin des Graffiti", zeigt die Schau zwei ihrer bekannten Schablonenmotive mit verführerischen und geheimnisvollen Frauenfiguren, die Miss. Tic durch gesellschaftskritische und provozierende Wortspiele verfremdete. Bis 2006, dem Jahr der Hörsaalsanierung, hing auch Miss. Tics Werk mit dem Namen "Et l' amour - mon amour" in der Leipziger Uni, auf Fluren oder im Hörsaal. Der genaue Ort ist leider nicht dokumentiert.

Erstmals seit 2006 wieder öffentlich zu sehen

In der Sonderschau findet die Schablonenkunst erstmals nach ihrer Einlagerung wieder den Weg in die Öffentlichkeit, mehr als 30 Jahre nach ihrer Entstehung. Die Aufregung um die Street Art hat sich inzwischen gelegt und so ist der Blick klarer für ihre künstlerischen Qualitäten – an denen man sich in der Ausstellung erfreuen kann.

Die Ausstellung

Streetwise – Frühe Schablonengraffiti an der Universität Leipzig
Ausstellung der Kustodie

19. April bis 20. Juli 2024

Galerie im Neuen Augusteum
Augustusplatz 10, 04109 Leipzig

Es gibt ein Rahmenprogramm u.a. mit Stadtrundgängen und kunstpädagogischen Workshops.

Für Studierende ist der Eintritt frei.

Quelle: MDR KULTUR (Ulrike Thielmann), Imago
Redaktionelle Bearbeitung: op

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 19. April 2024 | 06:15 Uhr