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Polnische Corona-Leugner vom "Unabhängigen Fernsehen" Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

PolenCorona-Leugner in Polen machen mit eigenem TV-Sender mobil

23. November 2020, 14:04 Uhr

Mit der zweiten Corona-Welle kehren auch die Skeptiker und Leugner zurück. In ihrem "Unabhängigen Fernsehen" erklären polnische Corona-Skeptiker die Pandemie als eine Erfindung von Milliardären, die die Menschheit unter Kontrolle bringen möchten. Die deutschen "Querdenker" sind ein Vorbild für sie.

von Monika Sieradzka, Warschau

Der Politologe Janusz Zagórski will "Lügen um COVID-19" enthüllen. Dazu nutzt er seinen 2004 gestarteten Sender "Unabhängiges Fernsehen" (polnische Kurzform NTV). Früher ein Sprachrohr der polnischen Anti-Impf-Bewegung, ist der Sender zum Forum von Corona-Skeptikern geworden.

Gegen den Mainstream

Wissenschaftler, Ärzte und Journalisten, die sich hier meistens als Freiwillige engagieren, wollen durch ihre Sendungen, die in einem kleinen Fernsehstudio in Breslau produziert werden, gegen den "Mainstream" arbeiten. In ihren Talk-Shows dreht sich alles um Schwarze Löcher im All, alternative Heilmethoden der sibirischen Schamanen oder geheimnisvollen Lobbys, die die Welt regieren würden. "Seit dem Frühjahr haben die wahren Kulissen der Pandemie den absoluten Vorrang“, sagt TV-Gründer Janusz Zagórski.

TV-Gründer Janusz Zagórski Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die erfundene Pandemie

Wie die meisten Verschwörungstheoretiker, hält er die Pandemie für ein Instrument, mit dem die Mächtigen dieser Welt eine völlige Kontrolle über unsere Gehirne anstreben. Die ersehnten Impfstoffe könnten nicht nur die genetischen Codes der Menschen verändern. Bei der Impfung würden gleich Mikrochips unter die Haut implantiert, die alle Informationen über den Gesundheitszustand und über alle Aktivitäten des Menschen vermitteln könnten. "Man wird einen Menschen scannen können, wie heute eine Ware im Supermarkt", warnt Zagórski.

Der 62-jährige Politologe ist in Polen vor allem als UFO-Experte bekannt. Seinen großen Durchbruch hatte er 2004 mit Live-Schalten aus Kornfeldern in Westpolen, wo die UFO angeblich geheimnisvolle Kreise hinterlassen hätten. Inzwischen produziert sein Sender NTV jeden Tag mehrere Sendungen, die man auf der Webseite und über Youtube empfangen kann.

Der ewige Kampf zwischen Gut und Böse

Der Schwerpunkt liegt auf Zukunftsvisionen, denn "was heute in unseren Gedanken entsteht, wird morgen Realität", behauptet der NTV-Gründer. In einer seiner letzten Talk-Shows spricht er von einem fiktiven "Tribunal der Völker", das die heutigen Entscheidungsträger anprangert, weil sie "unsere Gehirne unter Kontrolle gesetzt" hätten. Mit solchen Visionen will er seinen Fans und allen, die sich heute als "unterdrückt" fühlen, Hoffnung geben. "Es ist das Jahr 2023. In den einzelnen Ländern entstehen Gruppen freier Bürger. Wir machen jetzt ein Tribunal wie einst in Nürnberg. Jedes Volk stellt seine Unterdrücker vor. Ihr Bösewichter habt uns jahrelang terrorisiert. Wir verurteilen Euch moralisch, doch Ihr dürft noch bereuen, Ihr habt noch eine Chance", sagt Zagorski mit einer sanften, ruhigen Stimme. Im Hintergrund läuft Meditationsmusik.

Zagórski sieht sich mit seinen Mitarbeitern als eine kleine Gruppe von Weltrettern. Man brauche sich nur die berühmten Fantasy-Serien wie "Der Herr der Ringe" oder "Star Wars" anzuschauen. "Dort stellt sich immer eine kleine Gruppe mit guten Intentionen dem allgegenwärtigen Bösen entgegen. Und dann gewinnen sie. Der Erfolg dieser Filme besteht darin, dass sie auf unserer eingeborenen Sehnsucht nach Wahrheit und Freiheit beruhen. Das Attentat auf die menschliche Freiheit muss in einem Fiasko enden", sagt er.

Schnittplatz beim "Unabhängigen Fernsehen" Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Die "eingeborene Sehnsucht nach Wahrheit" sei auch der Grund, warum die Zahl der festen Abonnenten von NTV während der Pandemie um ein Drittel gewachsen ist. Jetzt sind es 316.000. Manche der Sendungen haben aber vielmehr Klicks im Netz. 

Corona-Skepsis grenzenlos

Für ihre Aktionen müssen die NTV-Mitarbeiter auch Konsequenzen tragen. Google hätte schon kritische Artikel über Corona-Tests blockiert, erklärt Zagórski. Die britischen Geheimdienste hätten den Londoner Korrespondenten des Senders, der sich besonders intensiv mit "mind control" beschäftigt, unter die Lupe genommen und sogar seine Söhne verhört. Dabei legt der Sender großen Wert darauf, über Gleichgesinnte im Ausland zu informieren.

Im September berichtete der Deutschlandkorrespondent enthusiastisch über die Pläne des deutschen Rechtsanwalts Reiner Fuellmilch, gegen den Virologen Christian Drosten und den RKI-Chef Wiehler eine Schadenersatzklage für ihre "falschen Tatsachenbehauptungen" zu den PCR-Tests einzureichen. Beim polnischen NTV ist auch der Sinsheimer "Querdenker"-Arzt Bodo Schiffmann zur Ikone geworden. Wie überall, auch in Deutschland seien Corona-Skeptiker verpönt. "Die deutsche Widerstandsbewegung wächst, doch die Zensur im Netz gegen die Andersdenken wird auch immer stärker“, sagte der Deutschlandkorrespondent Pawel Kucharski.

In Polen hat es bisher 20 verschiedene Proteste der Gegner der Anti-Corona-Maßnahmen gegeben. Die Stars des polnischen NTV waren dabei. Derzeit werden neue Proteste geplant: in Warschau, Stettin und in Slubice an der deutsch-polnischen Grenze.

Auch wenn sie über einen eigenen Sender verfügen, haben die polnischen Corona-Leugner keine Partei oder Organisation, wie etwa in Deutschland. Auf die besser organisierten Kollegen im Nachbarland schaut man mit Bewunderung.

Mehr Zusammmenarbeit mit deutschen "Querdenkern"

Zagórski bewundert deutsche Ärzte, die sich offene Kritik gegen Anti-Corona-Maßnahmen erlauben. "Bei uns werden kritische Ärzte eingeschüchtert", sagt er. Er hofft, dass die Proteste deutscher Ärzte den polnischen Kollegen den Mut geben. Und besonders in den Grenzregionen würde er sich eine enge Zusammenarbeit mit den deutschen "Querdenkern" wünschen.

Das "Unabhängige Fernsehen" finanziert sich übrigens überwiegend durch Spenden. Auch die Werbung auf Youtube brachte bislang ein paar Einnahmen. Doch seit letzter Woche ist Zagórskis Sender wegen der Corona-Leugnung dort gesperrt.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | MDR AKTUELL Das Nachrichtenradio | 14. November 2020 | 23:15 Uhr

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