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Auf dem russischen Weihnachtsmarkt im Zentrum Belgrads werden hübsche Souveniers verkauft, als gäbe es keinen Krieg gegen die Ukraine. Bildrechte: Andrej Ivanji

SerbienGeschenk aus Moskau: Russischer Weihnachtsmarkt in Belgrad

07. Januar 2023, 09:57 Uhr

Am 6. und 7. Januar feiern die meisten orthodoxen Christen Weihnachten. Während Russland die Ukraine mit Raketen beschießt, stimmt man sich im Zentrum von Belgrad mit einem russischen Weihnachtsmarkt auf die Feiertage ein. Die geschmückte Tanne ist ein Geschenk Moskaus.

von Andrej Ivanji, Belgrad

Man nennt ihn den "russischen" Tannenbaum. Besonders groß ist er nicht, aber die Aufmerksamkeit, die er geweckt hat, übersteigt seine Dimension um ein Vielfaches. Und er befindet sich sehr prominent in der Belgrader Fußgängerzone Knez Mihailova.

Der, wie es sich zu Silvester und Weihnachten gehört, festlich geschmückte Tannenbaum ist ein Geschenk der Stadt Moskau. Orthodoxe Weihnachten werden sowohl in Serbien als auch in Russland am 7. Januar, orthodoxes Neujahr am 13. Januar gefeiert. Um den Baum in der Belgrader Fußgängerzone herum stehen Weihnachtsstände mit russischen Spezialitäten - von Borschtsch bis zu Süßigkeiten Made in Russia, deren Verpackung einen Hauch von sozialistischem Realismus ausstrahlt. Eröffnet wurde der russische Weihnachtsmarkt am 23. Dezember und soll die Serben bis zum 15. Januar erfreuen, verkündete die russische Botschaft in Belgrad.

Matroschkas und Pelzmützen

Selbstverständlich kann man auf dem russischen Weihnachtsmarkt bunte Matroschkas kaufen, auch traditionelle russische Pelzmützen mit Hammer und Sichel auf rotem Stern in Schwarz, Weiß oder Knallrot werden angeboten. An einem weiteren Stand gibt es Informationen über Moskau - touristische, nicht politische.

Die meisten Serben sind entzückt über diese Geste der russisch-serbischen Verbundenheit. Andere wiederum sind entgeistert, dass die serbischen Behörden so etwas mitten im Ukraine-Krieg zugelassen haben. Was Russland angeht, ist die serbische Gesellschaft seit dem Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 unversöhnbar gespalten. Dabei sind die russlandliebenden "Putinversteher" entschieden in der Mehrheit, wie Meinungsumfragen seit Kriegsbeginn immer wieder zeigen.

Pelzmützen mit Sowjetstern auf dem "russischen Weihnachtsmarkt" in Belgrad. Bildrechte: Andrej Ivanji

Der im Grunde ziemlich bescheidene russische Weihnachtsmarkt in der serbischen Hauptstadt ist für die nach Serbien geflüchteten Ukrainer nicht mehr und nicht weniger als eine Provokation der Russen. Ebenso die russische Aneignung des Borschtsch. Auf einen Dringlichkeitsantrag der Ukraine hatte nämlich die Unesco im Sommer 2022 den Rote-Beete-Eintopf zum immateriellen Kulturerbe der Ukraine erklärt. Damit ist Borschtsch aus Sicht der Ukrainer genauso wenig russisch wie die Krim oder der Donbass.

"Zynisches russisches Propagandamittel"

Der Verein "Russen, Ukrainer, Belarussen und Serben gemeinsam gegen den Krieg" sieht in dem russischen Tannenbaum keinen "Ausdruck der Liebe", sondern schlichtweg ein "zynisches Propagandamittel Russlands".

Aus Pietät gegenüber den Opfern der russischen Aggression forderte der Verein, den Tannenbaum samt Ständen zu entsorgen. Gleichzeitig erinnerte der Verein an die ukrainischen Kinder, die russischen Truppen zum Opfer fallen, an die Millionen Ukrainer, die Weihnachten im Dunkeln und in Kälte verbracht haben und verbringen werden, während in Belgrad der russische Tannenbaum erstrahlt und den Serben heißer Borschtsch als russisches Nationalgericht verkauft wird.

Prominent platziert im Zentrum von Belgrad: die von der Stadt Moskau gestiftete Weihnachtstanne. Bildrechte: Andrej Ivanji

Serbien zwischen den Welten

Die meisten Serben werden sich wohl nichts dabei denken, wenn sie am russischen Markt vorbeigehen. Nicht weit entfernt steht das bekannte Hotel Moskau, in der Kralja-Milana-Straße das 2014 errichtete Denkmal für den russischen Zaren Nikolaus II., ein Geschenk der russischen militärhistorischen Gesellschaft und in der Fußgängerzone werden T-Shirts mit dem Antlitz Wladimir Putins verkauft. Alles in allem ist Russland im Zentrum Belgrads sehr präsent.

Ohnehin hört man seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine überall Russisch, denn Tausende Russen sind wegen des Kriegs nach Serbien geflüchtet. Rund 1.000 russische Firmen wurden seit Kriegsbeginn im Land registriert, was die Immobilienpreise in Belgrad in schwindelerregende Höhen getrieben hat.

Frei verkäuflich in der Belgrader Fußgängerzone: T-Shirts mit dem "Z", das für die Unterstützung des russischen Kriegs gegen die Ukraine steht. Bildrechte: Andrej Ivanji

Obwohl EU-Beitrittskandidat, hat Serbien gegen Russland keine Sanktionen verhängt und weigert sich trotz des Drucks aus Brüssel, seine Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union anzupassen. Stattdessen pocht Serbien auf seine freundschaftlichen Beziehungen zu Moskau. So dürften mitten im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine auch der russische Weihnachtsmarkt mitten in Belgrad rings um einen von Moskau gestifteten Tannenbaum niemanden verwundern.

MDR (usc)

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | 27. Dezember 2022 | 19:30 Uhr