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Bildrechte: Franz-Stefan Gady

InterviewKollaps der ukrainischen Streitkräfte schnell möglich

26. Februar 2022, 12:37 Uhr

Ein Kollaps der ukrainischen Streitkräfte könne relativ schnell passieren, sagt der Experte für moderne Kriegsführung Franz-Stefan Gady vom britischen Thinktank International Institute for Strategic Studies in London. Putins Ziel sei wahrscheinlich die Entmachtung der aktuellen Regierung von Präsident Selenskyj in Kiew. Eine Gefahr für NATO-Staaten sieht er akut nicht.

von Osteuroparedaktion

Frage: Was bezweckt Putin mit seinem Krieg in der Ukraine?

Gady: Ich glaube nicht, dass er darauf abzielt, die gesamte Ukraine zu besetzen. Ich glaube, es gibt zwei Optionen: auf der einen Seite einen Regimewechsel, eine prorussische Regierung, die in Kiew installiert werden soll, auf der anderen Seite kann ich mir auch vorstellen, dass dieser Konflikt vielleicht in wenigen Tagen vorbei ist. Sollte zum Beispiel die ukrainische Führung einwilligen, dass sie eine immer währende Neutralität deklariert oder eben auch eine Garantie abgibt, nicht der Nato beizutreten und auch keine Nato-Systeme im Land stationieren zu lassen. Das würde ich aber davon abhängig machen, inwiefern die russische Führung bereit ist, einen politischen Kompromiss zu schließen. Und das wiederum wird wahrscheinlich hauptsächlich davon abhängen, wie schwer es die russischen Truppen haben werden, in den nächsten Tagen die ukrainischen Streitkräfte niederzuringen.

Frage: Wie geht es weiter? Drohen Angriffe auf NATO-Staaten?

Gady: Ich glaube nicht, dass die russischen Streitkräfte nach diesem Feldzug die Kapazitäten haben werden, gleich wieder ein anderes Land anzugreifen. Ich glaube, es wird einige Monate, vielleicht sogar Jahre dauern, um die Ressourcen wieder aufzufrischen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Putin wirklich einen Zweifrontenkrieg wagen würde. Das heißt also, wenn es noch Widerstand in der Ukraine gibt, dann gleichzeitig noch ein anderes westliches Land oder ein Mitgliedsland der Nato zu bedrohen. Die russischen Streitkräfte können keinen Zweifrontenkrieg führen. (...) Möglich könnten natürlich gezielte Angriffe auf ukrainische Staatsbürger in europäischen Ländern oder auch in den Vereinigten Staaten sein, die in irgendeiner Weise den Widerstand in der Ukraine unterstützen.

Frage: Was ist die Lehre aus diesem russischen Angriff?

Gady: Die große Lektion dieses Konflikts für die Zukunft der Kriegsführung in Europa ist, dass konventionelle Fähigkeiten, das heißt Kampfflugzeuge, Panzer und so weiter nicht obsolet sind. Natürlich brauchen wir Fähigkeiten wie Cyber-Kapazitäten und so weiter auch für die moderne Kriegsführung. Aber die sind den konventionellen Fähigkeiten in solch einem Konflikt unterzuordnen und dienen nur zur Unterstützung. (...) Ich halte es für verkürzt, zu denken, dass die Zukunft von Kriegen hauptsächliche hybride Kriegsführung sein wird.

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Dieses Thema im Programm:MDR Fernsehen | 25. Februar 2022 | 19:30 Uhr