Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben
Wird "Wagner"-Chef Jewgeni Prigoschin (rechts) dem Kreml zu mächtig? Bildrechte: IMAGO / ITAR-TASS

HintergrundSöldner: Im Ukraine-Krieg ein wieder wachsendes Problem

13. März 2023, 14:15 Uhr

Im Ukraine-Krieg konkurrieren nun anscheinend Söldner-Truppen auch von Gazprom und die sogenannte "Wagner"-Gruppe um die Gunst des Herrschers im Kreml. Neu ist das Problem nicht. Es scheint im Ukraine-Krieg nur wieder einmal größer zu werden.

Der staatliche russische Energie-Konzern Gazprom soll ein eigenes Militärunternehmen gegründet haben. Die Truppe soll der russischen Regierung unterstehen und bereits in der Ost-Ukraine kämpfen. Neben anderen Medien berichtete das jetzt der Berliner "Tagesspiegel" unter Berufung auf das US-Institute for the Study of War (ISW).

Demnach rekrutiert Gazprom dafür Freiwillige, die angeblich doppelt so gut bezahlt werden wie Söldner der "Wagner"-Truppe – die schon seit Jahren und zunächst verdeckt etwa in Afrika und Syrien agiert hat.

Dass die in der Ukraine nunmehr ganz offen auftretenden "Wagner"-Söldner eine derartige Konkurrenz bekommen könnten, ist nicht ganz neu, wie aus diesem ntv-Bericht vom November 2022 mit Berufung auf den ukrainischen Geheimdienst hervorgeht. Grund ist möglicherweise, dass Putin ein Gegengewicht zu der im Krieg wachsenden und darum auch vielleicht nicht mehr nur militärischen Bedeutung der Truppe sucht.

Womöglich auf diese Entwicklung reagierte nun "Wagner"-Chef Jewgeni Prigoschin mit der Ankündigung von 58 neuen Rekrutierungszentren: In 42 russischen Städten seien derartige Stellen eröffnet worden, teilte er laut AFP am Freitag im Telegram-Kanal seines Unternehmens "Concord" mit.

Private Sicherheitsdienste oder Söldner?

Gazprom kommt dabei zugute, dass es Firmen der Energiebranche in Russland erlaubt ist, eigene Organisationen zu ihrem Schutz zu gründen. Zum Schutz von Objekten und Zivilisten auch in Kriegsgebieten dürfen allerdings auch in vielen anderen Ländern solche Firmen gegründet werden. Eine der bekanntesten davon ist vielleicht die US-Firma Blackwater.

Besonders nach dem Irak-Krieg boomten deren Geschäfte, und im Irak heuerten auch ehemalige deutsche Elite-Soldaten und Ex-Polizisten bei privaten Sicherheitsfirmen an. Wie ihre US-amerikanischen, britischen und australischen Kollegen schützten und verteidigten sie etwa Geschäftsleute und Journalisten, Diplomaten, Ministerien, Botschaften und Firmen.

Als Söldner gelten sie nicht, solange sie zum Schutz von Menschen oder Objekten dienen. Die Grenzen können jedoch fließen; und die "Privatisierung von Kriegsdiensten" wird auch kritisiert, weil Regierungen sich dahinter gut verstecken könnten, wie Konfliktforscher Herbert Wulf schreibt.

Söldner sind international illegal

Söldner kämpfen nur für das Geld, den "Sold", aber wie Soldaten. Sie zählen heute jedoch nicht zu regulären Armeen von Staaten, anders als manche Verbände von Freiwilligen oder Fremdenlegionen. Söldner kannte schon die Antike. Vom Mittelalter bis Ende des 18. Jahrhunderts prägten sie das Militär in Europa. Seinen Höhepunkt hatte der Beruf im Dreißigjährigen Krieg.

Mit der Herausbildung von Nationalstaaten und der Wehrpflicht für die Bürger eines Landes wurden sie dann seltener. Im 20. Jahrhundert jedoch kämpften Söldner wieder in Kriegen und Bürgerkriegen, etwa in Afrika und Asien und auf dem Balkan, oft für private Sicherheits- und Militärfirmen.

Während reguläre Soldaten als "Kombattanten" international geschützt sind, werden Söldner davon ausdrücklich ausgenommen. Eine rechtliche Definition dafür schaffte Artikel 47 des ersten Zusatzprotokolls von 1977 zu den Genfer Abkommen von 1949 – also der sogenannten Genfer Konvention.

Nach diesem sogenannten Kriegsvölkerrecht haben Söldner unter anderem keinen Anspruch darauf, als Kriegsgefangene behandelt zu werden, vielmehr als Zivilisten, die illegal an einem bewaffneten Konflikt teilgenommen haben. Sie können deshalb schon dafür schwer bestraft werden und darüber hinaus durch die gegnerische Kriegspartei auch etwa wegen Mordes.

Als eine weitere Rechtsquelle trat im September 2001 die internationale Vereinbarung gegen die Anwerbung, den Einsatz, die Finanzierung und die Ausbildung von Söldnern in Kraft, die sogenannte Söldner-Konvention. Sie war im Dezember 1989 verabschiedet und von Deutschland ein Jahr später unterzeichnet, bisher aber nicht ratifiziert worden. Und insgesamt sind ihr bisher nur 37 Staaten beigetreten, zuletzt Armenien im November 2020.

Die "Wagner"-Truppe von Jewgeni Prigoschin

Eine militärisch wichtige Rolle spielen Söldner im Ukraine-Krieg aktuell auf russischer Seite. So hatten erst kürzlich die als "Wagner"-Truppe bekannten Einheiten von Jewgeni Prigoschin nach eigenen Angaben den Osten der heftig umkämpften Stadt Bachmut eingenommen. Auch im Kampf um Soledar im Januar soll Prigoschins Privat-Armee wichtig gewesen sein. Ihren Namen soll sie nach ihrem Kommandeur Dmitri Utkin haben, der als Hitler-Verehrer und wie dieser des deutschen Komponisten Richard Wagner beschrieben wird.

Prigoschin gilt bislang als Vertrauter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er saß zu Sowjet-Zeiten unter anderem wegen Raub-Straftaten neun Jahre im Gefängnis. Heute wird er auch als "Putins Koch" bezeichnet, da er später als Geschäftsmann mit Schnellrestaurants begann. Das scheiterte, doch bekam er bald öffentliche Aufträge für Essenslieferung an Schulen und Kindergärten, für die Armee und Staatsbankette. Dass seine Söldner-Truppe in der Ukraine mit Billigung des Kremls agiert, steht außer Zweifel.

Warum Putin sie gewähren lässt und warum er nun angeblich auch eine weitere Formation dieser Art zulassen sollte, darüber kann nur spekuliert werden. Es könnte mit Problemen bei der Mobilisierung regulärer Soldaten für die russische Armee zusammenhängen und auch mit Problemen bei der Mobilisierung privater finanzieller Mittel für den Krieg gegen die Ukraine.

In der "Wagner"-Truppe dienen diversen Medienberichten zufolge neben freiwilligen Russen und verurteilten Straftätern auch Ausländer, darunter wohl auch Ex-Mitglieder der französischen Fremdenlegion. Diese etwa gilt zwar als das Musterbeispiel einer Söldner-Truppe. Sie ist im Unterschied zu anderen jedoch offiziell regulärer Teil der französischen Streitkräfte.

Freiwillige auch auf ukrainischer Seite

Dagegen gelten die inzwischen schon seit Jahren in der Ost-Ukraine kämpfenden pro-russischen Freischärler nach internationalem Recht nicht als reguläre Kombattanten, ebenso wenig wie die auf der anderen Seite.

Denn auch für die Ukraine waren und sind ausländische Freiwillige im Kriegseinsatz. Zum Eintritt etwa in die drei Tage nach der russischen Invasion gegründete "Internationale Territorialverteidigungslegion der Ukraine" hatte unter anderem Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter aufgerufen:

Nach Ansicht des Juristen Felix Zimmermann, Chefredakteur der "Legal Tribune Online", könnte sich Kuleba mit solcher Werbung in Deutschland strafbar machen, in der Ukraine kämpfende Deutsche aber womöglich nicht. Zimmermann zufolge regeln Länder das unterschiedlich. Für Schweizer sei es verboten, während Staaten wie Dänemark, Großbritannien und Lettland ihren Bürgern demnach explizit erlaubt haben, für die Ukraine zu kämpfen.

In Deutschland gibt es, anders als etwa auch in Österreich, keine eigene Strafnorm, "die das Kämpfen in einem bewaffneten Konflikt im Ausland unter Strafe stellt", wie Zimmermann schreibt. Allerdings könnten hier dann auch andere Straftatbestände zum Tragen kommen – etwa wegen Bildung oder der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung.

Strafbarkeit in Deutschland

In Deutschland ist es strafbar, für "Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung" eines anderen Staates oder Firma im Ausland zu werben. Zudem riskiert den Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft, wer im Ausland in reguläre oder andere bewaffnete Verbände ohne Zustimmung des Verteidigungsministeriums eintritt – außer jemand würde staatenlos, ist minderjährig oder aufgrund zwischenstaatlicher Verträge dazu berechtigt.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 10. März 2023 | 16:47 Uhr