KlimakriseWie sinnvoll ist es, das CO2 aus der Atmosphäre zu saugen?
Manche Ideen klingen zu merkwürdig, als dass sie schlecht sein könnten. Eine Schweizer Firma baut Gerätschaften, mit denen sich CO2 aus der Luft filtern lässt. Das funktioniert und ist effizient, sagen Forschende. Aber: Kein Allheilmittel.
Wenn es darum geht, dieses olle CO2 endlich wieder loszuwerden (bzw. das, was zu viel davon da ist) – wieso hat eigentlich noch niemand darüber nachgedacht, das Zeug aus der Luft rauszusaugen? Mit einem gigantischen Staubsauger, sozusagen. Nun, darüber hat schon jemand nachgedacht. Zum Beispiel die Firma, die in Hinwil bei Zürich die futuristische Filterversuchsanlage Direct Air Capture betreibt – zu Deutsch etwa: Direkter Luftfang.
Die Anlage sieht zwar nicht aus wie ein Staubsauger, aber dafür wie 18 Staubsauger-Stummel. Fein aufgereiht ragen die kurzen Rüssel in die nordschweizerische Landluft, saugen, filtern, speichern. Die Idee hat ein bisschen was von der eines Weltraumlift – ein einleuchtendes Konzept, aber spätestens bei der Umsetzung kommen Fragen auf. Die Filteranlage ist hier allerdings schon einen Schritt weiter als der Fahrstuhl zur Umlaufbahn: Sie steht bereits und filtert schon. Fragen bleiben trotzdem bestehen: Allen voran zum Ressourcenverbrauch einer solchen Anlage.
CO2-Staubsauger: Ressourcenverbrauch über gesamten Lebenszyklus
Wo sich große Fragen auftun, ist die Forschung bekanntlich nicht so weit: Eine Studie hat den Großfilter jetzt unter die Lupe genommen, um sich anzuschauen, wie Ressourcen-effektiv die Gerätschaft über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg tatsächlich ist. Dazu zählen auch für den Betrieb notwendige Chemikalien und der Abtransport sowie die Speicherung des herausgefilterten CO2. Ressourcen heißt nicht nur Energie, sondern auch Materialien, Landfläche und Wasser. Die Forschenden wollten es so genau wissen, dass sogar die Feinstaubemissionen beim Bau und Abriss der Anlage einberechnet wurden.
Das Ergebnis: Eine Tonne CO2 aus der Luft zu filtern, verbraucht 1.000 Kilowattstunden grüne Energie. Die Betonung liegt auf grün, denn mit Energie aus Erdgas betriebene Filter wären CO2-ineffizient. Die Energiemenge sei vergleichsweise vertretbar, auch die anderen Kategorien lieferten gute Ergebnisse, die dem Konzept unterm Strich einen nützlichen Beitrag zur CO2-Reduktion bescheinigen. "Die Luftfilter schaffen viel Klimaschutz auf besonders wenig Platz, das ist angesichts der weltweit knappen Ressource Land ein großer Pluspunkt", erklärt Felix Creutzig vom Berliner Klimaforschungsinstituts MCC, das an der Studie beteiligt war. "Auf kurze Sicht ist es kosteneffektiver, durch Elektrifizierung des Endverbrauchs CO₂-Ausstoß zu vermeiden – doch in ein oder zwei Jahrzehnten, mit fortschreitender Dekarbonisierung der Wirtschaft, kann auch diese Option in großem Stil einen effizienten Beitrag für den Klimaschutz leisten."
Das Forschungsteam möchte mit seinen Erkenntnissen dazu beitragen, dass zu diesem Zeitpunkt keine Unsicherheiten mehr bzgl. der Effizienz der CO2-Sauger bestehen und die Technologie einsatzbereit ist, wenn sie gebraucht wird. "Denn die bisherige Unsicherheit über den genauen technischen Aufwand führt dazu, dass sich auch keine klaren Vorstellungen über Geschäftsmodelle und eine sachgerechte staatliche Förderung herausbilden können", so Studienleiterin Kavya Madhu von der Universität Freiburg. "Unsere Arbeit liefert einen Beitrag, um die eklatante Innovations- und Politiklücke in diesem Bereich zu schließen." Und bis dahin hat man zumindest im nordschweizerischen Hinwil gute Luft.
flo
Link zur Studie
Die Studie Understanding environmental trade-offs and resource demand of direct air capture technologies through comparative life-cycle assessment erschien am 28. Oktober im Fachblatt Nature Energy.
DOI: 10.1038/s41560-021-00922-6
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