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NachgefragtLieber doch keine Coronaimpfung? Wer verzichten sollte und warum

14. Januar 2021, 18:47 Uhr

Sie scheint derzeit die Antwort auf alle Übel zu sein: die Corona-Impfung. Aber etliche Menschen können sich in diesen Tagen nur verhalten freuen, denn sie wissen nicht, ob sie geimpft werden können oder nicht. Der Corona-Impfstoff muss direkt in den Muskel gespritzt werden und es gibt Krankheiten, bei denen das sehr schwierig ist, weil die Patienten zum Beispiel mit Blutverdünnern behandelt werden. Anderen machen dagegen die Nebenwirkungen Sorgen. Keine Impfung also für diese Patienten?

von Katja Schmidt

Mehr als eine Million Menschen in Deutschland nehmen regelmäßig blutverdünnende Medikamente ein. Zum Beispiel weil sie an Herz-Rhythmus-Störungen leiden, eine angeborene Neigung zur erhöhten Blutgerinnung haben oder schon mal unter Thrombose litten. Blutverdünner sorgen dafür, dass das Blut langsamer gerinnt und verhindern so Blutgerinnsel oder Schlaganfälle. Der große Nachteil: Die Patienten bluten deutlich länger und stärker – selbst bei einem kleinen Einstich. Impfungen werden normalerweise in den Oberarmmuskel injiziert, weil er gut durchblutet ist und den Wirkstoff schnell im Körper verteilt. Genau das kann für Patienten mit Blutgerinnungsstörungen zum Problem werden, sagt Michael Schäfer, Impfkoordinator am Uniklinikum Leipzig:

Wenn man einen Muskel mit einer Nadel anpiekst, kann durch den Stichkanal eine Blutung entstehen. Wenn man eine starke Blutgerinnungsstörung hat, ist es theoretisch möglich, dass eine Blutung relativ lange anhält.

Michael Schäfer, Uniklinikum Leipzig

Warum die Corona-Impfung besser in den Muskel gespritzt werden muss

Für die meisten Impfungen gibt es deshalb Alternativen, die man nur unter die Haut und nicht in den gut durchbluteten Muskel spritzen muss. Bisher jedoch nicht für Covid-19. Das liegt vor allem daran, dass die aktuellen Impfstoffe auf Ribonukleinsäure, kurz RNA, beruhen.

Bei Corona möchte man sicher stellen, dass diese RNA wirklich zur Expression gelangt. Wenn Sie RNA unter die Haut spritzen und dort Immunzellen vorhanden sind, wird diese RNA durch die Immunzellen durch sogenannte Mustererkennungrezeptoren erkannt. Dann wird eine sofortige Abräumreaktion in Gang gesetzt, die den Impferfolg behindern könnte.

Abwägung in kritischen Fällen

Bedeutet das, dass sich gut eine Million Menschen in Deutschland, von denen ein großer Teil zur Hochrisikogruppe gehört, gar nicht impfen lassen kann? Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung. Michael Schäfer kennt solche Fälle. Ein älterer Mitarbeiter, den er impfte, erfüllte mit seiner Blutgerinnungstörung und als Asthmatiker, Kriterien, die eigentlich gegen eine Impfung sprechen würden. Für die Impfung sprachen dagegen das Alter und Asthma des Mitarbeiters – beide Faktoren für eine besondere Gefährdung durch Covid-19.

Dann muss man mit Menschen einzeln entscheiden: Wie sieht das aus – ist der Nutzen, den wir erhoffen, größer als das Risiko? Das prägt die Impfentscheidung.

Wenn sich die Patienten für eine Impfung entscheiden, empfiehlt die Stiko Ärzten, eine sehr feine Injektionskanüle zu verwenden und danach mindestens zwei Minuten starken Druck auf die Einstichstelle auszuüben. In Absprache mit dem behandelnden Arzt könnte es auch eine Möglichkeit sein, die Blutgerinnungsmedikamente für ein paar Tage vor der Impfung abzusetzen. Es gibt also Lösungen, auch für Patienten bei denen die Impfung nicht ganz so einfach ist.

Stichwort Nebenwirkungen - was beobachtet wurde

Doch auch unter denen, die unkompliziert geimpft werden könnten, gibt es Skeptiker. Dabei ähneln die Nebenwirkungen der Corona-Impfung auf den ersten Blick denen anderer Wirkstoffe, sagt Michael Schäfer. Typische Reaktionen seien, dass der Arm wehtue. Dass es zu Rötungen oder Schwellungen im Bereich der Einstichstelle kommen könne; selten zum Anschwellen von Lymphknoten, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Temperaturanstiegen, allgemeinem Krankheitsgefühl, oder vereinzelt Übelkeit oder Durchfälle. Aber er sagt auch:

Diese Effekte sind ihm Rahmen der gewünschten Immunisierung zu betrachten. Sie sind vorübergehend und nach zwei, drei, vier Tagen abgearbeitet.

Zwar haben wir in den Medien mehrfach von teilweise schweren allergischen Reaktionen auf Corona-Impfstoffe gehört, doch Michael Schäfer beruhigt: Diese Fälle seien sehr selten. Eine Studie zeigt, dass im Zeitraum vom 14 bis 23. Dezember in den USA fast 1.900.000 Personen geimpft wurden und es gab nur 21 Fälle von schweren allergischen Reaktionen. Michael Schäfer rät deshalb Menschen, die wissen, dass sie zu allergischen Reaktionen neigen, sich nur in einem Umfeld impfen zu lassen, in dem eine Notfallversorgung gewährleistet ist. Am wenigsten wissen wir bisher über die Langzeitfolgen der Corona-Impfstoffe, doch auch hier ist Michael Schäfer optimistisch, der an die Schweinegrippe 2009 erinnert:

Da hatte man mit der Pandemrix-Impfung beispielsweise Narkolepsie-Anfälle gesehen. Solche Langzeitnebenwirkungen kann es geben. Sie setzen erfahrungsgemäß nicht allzu lange nach der Impfung ein. Bei der Pandemrix-Impfung waren das Wochen bis wenige Monate. Der Zeitraum ist jetzt schon vergangen, das hätte man jetzt schon gesehen.

Für wen der Impfstoff nicht zugelassen ist

Tatsächlich nicht zugelassen sind die derzeitigen Corona-Impfstoffe für Kinder unter 16. Auch Krebspatienten, Schwangere und Mütter in der Stillzeit sollten sich nur nach einer individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung impfen lassen. Diese Gruppen waren nämlich nicht in den Studien im Rahmen des Zulassungsverfahrens vertreten.

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