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Bildrechte: imago images/Wilhelm Mierendorf

CoronaCorona-Infektion trotz vollständigem Impfschutz

28. Juli 2021, 15:22 Uhr

Trotz vollständiger Impfung können wir uns mit SARS-CoV-2 infizieren. Rund 0,015 Prozent der Geimpften sind von Impfdurchbrüchen bisher betroffen. Trotzdem ist die Impfung wirksam und wichtig im Kampf gegen Corona.

Endlich geimpft und nun sicher vor Covid-19? Jein. Fakt ist: Trotz vollständigem Impfschutz ist es möglich, sich mit SARS-CoV-2 anzustecken.

Bisher sind in Deutschland 41.097.925 (Stand 25.07.2021) Menschen vollständig gegen Covid-19 geimpft. Das entspricht einer Impfquote von 49,4 Prozent. Dabei variiert der Impfstatus je nach Alter stark. Von den über 60-Jährigen sind bereits mehr als 75 Prozent vollständig geimpft. Bei den Erwachsenen unter 60 Jahren sind es 54 Prozent und bei den Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren nur 2 Prozent.

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Kein 100%iger Schutz

Trotz des vollständigen Impfschutzes kann es aber zu Ansteckungen mit SARS-CoV-2 kommen. Diese Impfdurchbrüche werden vom RKI kontinuierlich geprüft. Von einem Impfdurchbruch wird gesprochen, wenn eine SARS-CoV-2-Infektion trotz vollständiger Impfung mittels PCR-Test oder Erregerisolation festgestellt wird. Als vollständig geimpft gelten Personen, wenn mindestens 14 Tage nach einer abgeschlossenen Impfserie vergangen sind. (2 Dosen Moderna-, BioNTech- oder AstraZeneca-Vakzine bzw. 1 Dosis Janssen-Vakzine). Kommt es zu solch einem Impfdurchbruch bedeutet das nicht, dass die Impfung wirkungslos war, wie oft fälschlicher Weise angenommen wird. Laut Prof. Mathias Pletz vom Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena ist der Mechanismus sehr komplex. Es sei wichtig zu verstehen, dass es bei der Immunantwort eines Menschen nicht nur ein definitives Ja oder eine Nein gibt. Außerdem hat man schon in den Zulassungsstudien gesehen, dass die Impfstoffe keinen 100%igen Schutz bieten. Beim Impfstoff von BioNTech/Pfizer liegt dieser zum Beispiel bei 95,1 Prozent. Die Zahl der Impfdurchbrüche wird auch mit der Zahl der geimpften Personen in Deutschland nach oben gehen.

In biologischen Systemen gibt es meist graduelle Antworten – sehr selten ein klares Ja oder Nein. Übertragen bedeutet das, wenn ich einen perfekten Impfschutz habe, bin ich vor sogar vor asymptomatischen Infektionen geschützt. Wenn ich einen sehr guten Impfschutz habe, bin ich vor leichten Infektionen geschützt. Habe ich einen mittelmäßgen Impfschutz, schützt er mich trotzdem noch vor schweren Verläufen oder vor Tod.

Prof. Mathias Pletz, Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena

Eine perfekter Immunschutz wird von Medizinern übrigens als sterile Immunität bezeichnet. Das bedeutet, dass das Immunsystem alle Corona-Viren im Körper komplett eliminiert. Die geimpfte Person trägt das Virus dann nicht im Körper und kann es folglich auch nicht weiter geben. Bei geimpften Menschen, die das Virus trotzdem in den Körper aufnehmen und weiterverbreiten können, spricht man im Gegensatz dazu von einer klinischen Immunität. Wie gut der Impfschutz wirkt ist bei jedem Menschen individuell verschieden und hängt von Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Begleiterkrankungen ab.

Wir müssen akzeptieren, dass eine 20-jährige Frau, die nur einmal geimpft ist, wohlmöglich einen besseren Schutz hat, auch eventuell vor Delta, als ein 85-jähriger Mann, der doppelt geimpft ist. Er kann trotzdem erkranken. Einfach weil das Immunsystem der jungen Frau so viel leisitungsstärker ist, als das Immunsystem des 85-jährigen Mannes.

Prof. Mathias Pletz, Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena

Im aktuellsten Bericht des RKI (stand 26.07.2021) wurden seit Beginn der Impfkampagne 6.125 Impfdurchbrüche verzeichnet. Die meisten davon bei Menschen im Alter von über 60 Jahren. Auch Untersuchungen der Berliner Charité gehen davon aus, dass die Impfstoffe bei jüngeren Menschen in der Regel besser wirken. Das könnte damit zusammenhängen, dass die Immunreaktion im Alter nachlässt. Diese sei nach einer Impfung deutlich verzögert. Deshalb sei nicht nur der Impfschutz der besonders gefährdeten Risikogruppen, sondern auch von deren Kontaktpersonen wichtig. Außerdem weisen die Forschenden darauf hin, dass sich die untersuchten Menschen zwar trotz Impfung angesteckt hätten, die Impfung aber dennoch wirksam war, da ihre Krankheitsverläufe deutlich milder waren. Auch Prof. Pletz sieht die Wirksamkeit der Impfung trotz auftretender Impfdurchbrüche als gegeben an.

Man darf bei all diesen Durchbruchsinfektionen nicht vergessen, dass bei all diesen Menschen, wenn sie nicht geimpft worden wären, die Infektion deutlich schwerer verlaufen wäre.

Prof. Mathias Pletz, Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena

Von den registrierten Impfdurchbrüchen wurden 77 Personen im Alter von 18-59 Jahren und 639 Personen im Alter von über 60 Jahren hospitalisiert, also ins Krankenhaus eingeliefert.

Impfdurchbrüche in Mitteldeutschland
 ThüringenSachsenSachsen-Anhalt
Gesamtzahl vollständig Geimpfte1.040.625 (Stand 27. Juli 2021)1.865.796

(Stand.27.´Juli 2021
1.059.223 (Stand 27.Juli 2021)
Gesamtzahl Impfdurchbrüche437824316
hospitalisiert5691keine Angaben
verstorben212019

Macht impfen überhaupt noch Sinn?

Auch wenn sich geimpfte Personen mit SARS-CoV-2 anstecken können, macht die Impfung Sinn. Der Zweck eines Impfstoffes ist es, die Menschen vor einer schweren Erkrankung zu schützen. Ist man selbst geimpft, ist die Wahrscheinlichkeit schwer an Covid-19 zu erkranken sehr gering. Aber auch die Wahrscheinlichkeit eines Impfdurchbruches, also einer Erkrankung trotz vollständiger Impfung ist gering. Es handelt sich im Moment um gerade einmal 0,015 Prozent aller vollständig geimpften Personen in Deutschland.

Ungeimpfte Menschen haben ein deutlich höheres Risiko sich mit SARS-CoV-2 anzustecken, einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden und auch andere Menschen anzustecken. Eine Impfung ist nicht nur eine individuelle Entscheidung, sie ist auch entscheidend, um die Pandemie einzudämmen. Pletz verdeutlicht das mit einem einfachen Rechenbeispiel:

Der Schutz vor asymptomatischen Infektionen liegt zwischen 80 und 90 Prozent. Wenn wir 10 Ungeimpfte haben, die mit dem Virus in Kontakt kommen, werden wahrscheinlich alle 10 das Virus weitergeben, und zwar über einen relativ langen Zeitraum mit einer hohen Viruslast. Wenn wir 10 Geimpfte haben, werden wahrscheinlich nur einer oder zwei das Virus weitergeben. Und diese ein oder zwei Personen scheiden das Virus über einen sehr kurzen Zeitraum aus und in mit einer so niedrigen Viruslast, die zum Teil sogar den Antigentest nicht mal positiv werden lässt. Außerdem werden von den 10 Ungeimpften, je nach Alter, vermutlich drei bis vier symptomatisch erkranken, also vielleicht einen leichten Husten haben. Und wir haben ja gelernt, dass der Hustenstoß und die damit verbundene stoßartige Virusfreisetzung ein ganz wesentliches Momentum ist, was die Ausbreitung des Virus begünstigt.

Prof. Mathias Pletz, Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena

Eine möglichst hohe Impfquote ist also die einzige Möglichkeit die Pandemie in Schach zu halten, die Wahrscheinlichkeit weiterer Impfdurchbrüche zu verringern, schwere Verläufe zu verhindern und das Gesundheitssystem vor einer Überlastung zu bewahren. Zeitgleich wären Lockdown-Maßnahmen, um eine solche Überlastung abzufedern, nicht mehr nötig. Für einen Impfpflicht spricht sich Pletz trotzdem nicht aus. Aber er sagt eines ganz deutlich:

Jeder muss sich die Frage stellen: Will ich die Impfung oder will ich die Infektion. Eine dritte Antwortmöglichkeit gibt es nicht. Man kann sich diesem Virus nicht auf Dauer entziehen. Ich persönlich würde die Impfung immer bevorzugen, denn dafür kenne ich die Risiken, ich weiß wie extrem selten irgendwelche Komplikationen auftreten. Das kann man nachlesen. Bei der Infektion kann man es nur bedingt. Jeder hat bei der Impfung die gleiche Impfdosis. Bei der Infektion kann ich Glück gehabt haben, aber auch Pech gehabt haben, je nachdem wieviel Viruslast ich abbekommen habe und wie gut mein Immunsystem gerade arbeitet.

Prof. Mathias Pletz, Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena

Macht uns Delta einen Strich durch die Rechnung?

Der Großteil der Durchbruchsinfektionen erfolgte durch die Delta-Variante, die in Deutschland dominant ist. Das bedeutet aber nicht, dass ein vollständiger Impfschutz gegen diese Virus-Variante nicht wirksam ist.

Es stimmt, dass die Antikörper, die die aktuellen Impfungen induzieren nicht mehr so gut auf Delta passen, wie sie auf Alpha gepasst haben. Aber ob ein Antikörper das Virus im Körper eliminieren kann, das liegt an zwei Dingen: Wie gut passt der Antikörper und wie viele gibt es davon. Sehr viele Antikörper, die weniger gut passen, können genauso effektiv sein, wie sehr wenige, gut passende Antikörper. Und die Impfungen, generieren nach der zweiten Dosis in der Regel so hohe Antikörperspiegel, dass die gegenüber Delta etwas geringere Passfähigkeit nicht mehr ins Gewicht fällt, denn das Produkt aus der Passfähigkeit UND der Anzahl der Antikörper ist das Entscheidende.

Prof. Mathias Pletz, Institut für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene, Universitätsklinikum Jena

Trotzdem glaubt Pletz, dass Impfstoffe, die genau auf die Delta-Variante angepasst werden, sehr sinnvoll sein können. Bei den mRNA-Impfstoff-Herstellern erfolgt diese Anpassung bereits. Außerdem glaubt er, dass Auffrischungsimpfungen für bestimmte Menschen durchaus nötig sein könnten, etwa für die Älteren, deren Immunantwort nicht mehr so stark ist, wie die von jüngeren Menschen. In jedem Fall ist er sich sicher, dass uns das Corona-Virus noch viele Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, beschäftigen wird. Er glaubt aber auch, dass wir damit irgendwann tatsächlich wie mit einer Grippe umgehen können. Die Impfung wird dabei aber eine zentrale Rolle spielen.

JeS

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