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Diese drei Teams sind für den Deutschen Zukunftspreis 2022 nominiert (von links): Dr. Thorsten Ochs, Dipl-Ing. Stefan Reichert und Dipl.-Ing. Thomas Speidel mit dem Projekt ChargeBox. Dipl.-Inf.- Claus Promberger, Prof. Dr. Cordula Petersen und Stefan Vilsmeier mit der verbesserten Strahlungstherapie. Dipl-Phys. Ralf Wolleschensky, Dr. Jörg Siebenmorgen und Dr. Thomas Kalkbrenner mit der Mikroskopie an lebenden Zellen. Bildrechte: Deutscher Zukunftspreis

Deutscher Zukunftspreis 2022Diese Menschen gestalten den Fortschritt

26. Oktober 2022, 09:45 Uhr

Lebende Zellen beobachten, das E-Auto in wenigen Minuten aufladen und Tumore punktgenau bestrahlen – all das sind zukunftsträchtige Technologien, die für den Deutschen Zukunftspreis nominiert wurden. Am 26. Oktober wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gewinnerteam bekanntgeben. Die Verleihung des Preises können Sie live im Stream des ZDF verfolgen.

"Zukunft ist das, was uns passiert. Fortschritt ist das, was wir selber durch kreative Anstrengung aus der Zukunft machen." Das sagte Oliver Schmolke als Vertreter des Bundespräsidialamtes in seinen heutigen Grußworten. Um für den Deutschen Zukunftspreis nominiert zu werden, muss ein Projekt anspruchsvolle Kriterien erfüllen. Es muss wissenschaftlich-technische Spitzenleistung enthalten. Das Projekt muss Zukunftspotential haben und die Bundesrepublik weiter voranbringen. Es sollen Arbeitsplätze entstehen und die Gesellschaft von der Innovation profitieren.

"Auch in Zeiten von multiplen Krisen hören Innovationen in Deutschland nicht auf", sagte Ferdi Schüth, der Vorsitzende der Jury heute auf der Pressekonferenz, bei der die Nominierungen verkündet wurden. "Gerade in Krisenzeiten müssen wir Neues wagen." Der Preis des Bundespräsidenten für Technik und Innovation wird seit 1997 verliehen und ist mit 250.000 Euro dotiert. 19 große Wissenschafts- und Wirtschaftsorganisationen in Deutschland können Projekte vorschlagen. Eine zehnköpfige Jury entscheidet anschließend über die drei Nominierten und am Ende über das Gewinnerteam. Im vergangenen Jahr gewann Biontech den Preis für die Entwicklung der mRNA-Technologie, die den ersten Covid-19-Impfstoff ermöglichte.

Die drei Teams, die sich nun Hoffnung auf den Deutschen Zukunftspreis 2022 machen dürfen, haben ihre innovativen Ideen bei der Nominierung im September vorgestellt.

Wie kann ich die Zelle beobachten, ohne sie dabei zu töten?

Die Carl Zeiss Microscopy GmbH aus Jena hat eine neuartige Mikroskopietechnik entwickelt, mit der lebende Zellen abgebildet werden können. Bislang war das Problem, dass starkes Laserlicht notwendig war, um die zuvor mit einem Fluoreszenzfarbstoff markierten Zellen sichtbar zu machen. Mitentwickler Thomas Kalkbrenner verglich die Stärke des Laserlichts mit der Intensität von 1.000 Sonnen. Der Laser schadet der Zelle. Genauso, wie Sonnenlicht unserer Haut schadet. Forschende konnten lebende Zellen bisher höchstens im Todeskampf beobachten, nicht aber wirklich lebende Zellen oder ihnen gar bei der Zellteilung zusehen.

Eine neue Mikroskopietechnik ermöglicht es, Zellen in "real life" zu beobachten. Bildrechte: Deutscher Zukunftspreis

Den Forschenden ist es nun gelungen, das Laserlicht so zielgenau zu bündeln, dass immer nur ein winziger Teil der Zelle dem Laser ausgesetzt ist. Die Strahlenbelastung für die gesamte Zelle sinkt damit erheblich. Zudem entwickelte das Team aus Jena eine neue Mikroskopie-Optik, die Bildfehler korrigieren kann. Solche entstehen etwa, wenn Zellproben auf Glasböden mit variierender Dicke betrachtet werden.

Sehen heißt verstehen.

Dr. Thomas Kalkbrenner

Dank dieser neuen Technik können Zellen nun über Minuten und Stunden hinweg beobachtet werden. "Sehen heißt verstehen", sagte Thomas Kalkbrenner in seiner Präsentation. Dies sei zum einen eine große Chance für die Grundlagenforschung an lebenden Zellen. Zum anderen ergeben sich damit wichtige Erkenntnisse für die Medizin. Durch die neue Mikroskopietechnik konnten Forschende verfolgen, wie ein Malaria-Parasit in eine lebende Blutzelle eindringt und verschiedene Schritte des Parasitenkreislaufs untersuchen. So konnten sie herausfinden, dass durch das Ausschalten bestimmter Proteine der parasitäre Kreislauf unterbrochen werden könnte.

Wie sieht das Stromnetz der Zukunft aus?

Mit der Energie- und Mobilitätswende beschäftigte sich das zweite vorgestellte Team. Die ads tec Energy GmbH in Nürtingen hat zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg die "ChargeBox" entwickelt, mit der E-Autos innerhalb weniger Minuten geladen werden können. Dafür genügt ein Standard-Stromanschluss, wie es ihn in Wohn- und Geschäftsgebäuden gibt.

Die ChargeBox soll die Elektromobilität vorantreiben und für eine Dezentralisierung des Stromnetzes sorgen. Bildrechte: Deutscher Zukunftspreis

Schnellladestationen für E-Autos gibt es bereits, die benötigen allerdings einen speziellen Stromanschluss. Das System des baden-württembergischen Teams kombiniert gleich mehrere Techniken in seiner ChargeBox. Ein elektronischer Stromwandler wandelt den Wechselstrom des Netzes in Gleichstrom um, wie er in der Autobatterie benötigt wird. Im Ladegerät ist eine zusätzliche Batterie integriert. Die liefert beim Schnelladen die erforderliche Leistungsspitze, ohne das Stromnetz übermäßig zu belasten. Thomas Speidel von der ads tec Energy GmbH spricht wegen der Zwischenspeicherung von einer zeitlichen Entkopplung und stellt eine Analogie zu einem Wassersystem her: "Ein WC-Spülkasten läuft langsam voll und kann im Bedarfsfall in wenigen Sekunden entleert werden."

Gleichzeitig dient die ChargeBox als Speicher, der das Stromnetz flexibel entlasten und stützen soll. Gelangt mehr Strom ins Netz, als gerade verbraucht wird, nimmt die ChargeBox ihn auf, bei Stromengpässen speist sie ihn wieder ins Netz ein.

Dank eines vom Fraunhofer-Instituts entwickelten Siliziumkarbid-Halbleiters, wird Strom mit einem Wirkungsgrad von 99 Prozent umgewandelt. Auf den gesamten Lade-, Umwandlungs- und Entladeprozess gerechnet hat die ChargeBox einen Wirkungsgrad von 80 bis 85 Prozent, gaben die Entwickler an. ChargeBoxen sollen kleine, flexible und dezentrale Energie-Plattformen sein. Die Entwickler haben die Vision, die Bereiche Elektrizität, Mobilität und Wärme nahtlos miteinander zu koppeln.

Wie treffe ich ein bewegliches Ziel?

Mit Strahlentherapie lassen sich Krebserkrankungen immer besser behandeln und in vielen Fällen heilen. Dabei wird ein Tumor aus verschiedenen Richtungen bestrahlt. In einem Punkt ist die Strahlungsintensität dann so hoch, dass das dortige Gewebe zerstört wird. So soll zielgenau ein Tumor entfernt werden, ohne dabei das umliegende gesunde Gewebe zu verletzten. Das funktioniert sehr gut, wenn sich die Patientin oder der Patient und damit der Tumor nicht bewegt. Es gibt aber auch Fälle, in denen ist es nahezu möglich, dass sich nichts bewegt. Bei Lungenkrebs etwa. Denn der Mensch muss atmen, die Lunge füllt und leert sich und dabei bewegt sich auch ein eventueller Tumor mit. Um den Tumor zu treffen muss ein größerer Bereich bestrahlt werden und gesundes Lungengewebe wird in Mitleidenschaft gezogen.

Strahlungstherapie an sich bewegenden Tumoren Bildrechte: Deutscher Zukunftspreis

Ein Kooperations-Projekt der Brainlab AG in München und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf hat nun eine Lösung für das Problem gefunden. Mit verschiedenen Geräten wird jede Bewegung des Patienten erfasst. Eine Oberflächenkamera erfasst die Position und jede Bewegung des Körpers. Mittels thermischer Signatur kommt eine 4D-Betrachtung zustande und Röntgenbilder ermöglichen einen zusätzlichen Blick in das Innere des sich bewegenden Körpers.

Der Flug zum Mond im Vergleich zur Strahlentherapie vor wenigen Jahren.

Prof. Dr. Cordula Petersen

Cordula Petersen von der Uniklinik Hamburg-Eppendorf hält die Technik für einen gewaltigen Fortschritt der Strahlentherapie: "Dass man die Atembeweglichkeit und die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Tumors in Echtzeit, während der Patient auf dem Tisch liegt, zusammenführt, das ist schon wirklich der Flug zum Mond im Vergleich zur Strahlentherapie vor wenigen Jahren."

Mit der Technik soll es bald auch möglich sein, kleine Tumore, die auf normalen Röntgenbildern kaum zu sehen sind, zu erkennen und zu zerstören. Der Schaden am umliegenden Gewebe fällt damit deutlich geringer aus. Diese Technik ließe sich laut Projekt-Team recht problemlos an bereits vorhandene Geräte anschließen. Oft sei nur ein Software-Update nötig.

Link zum Stream

Die Verleihung des Preises wird heute (26.10.) ab 17:45 vom ZDF gestreamt. Hier können Sie dabei sein.

cn

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