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Natürlicher PflanzenschutzUnkrautkiller: Minze statt Glyphosat

17. April 2020, 16:24 Uhr

Bei den Pflanzen ist es wie beim Menschen: einige können sich besser durchsetzen als andere. Die Minze zum Beispiel. Wo sie wächst, verschwinden oft andere Pflanzen. Dabei ist die Minze weder giftig noch besonders bevorteilt. Aber sie beherrscht eine Art chemische Kriegsführung. Wissenschaftler aus Karlsruhe haben dieses Phänomen untersucht und wollen es nutzen, um umweltfreundliche Pflanzenschutzmittel zu entwickeln.

von Antje Übel

In der Natur wird viel mehr kommuniziert, als wir uns bisher vorstellen konnten. Pflanzen sprechen mit Hilfe von chemischen Signalen miteinander. Sie tauschen meist über Duftstoffe wichtige Informationen aus, erklärt Peter Nick, Professor für Molekularbiologie am Botanischen Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Diese Signale seien in dem langen Evolutionsprozess entstanden und sehr fein und spezifisch, erläutert er weiter. Es gebe Pflanzen, die ihren Konkurrenten signalisierten: "Keime nicht!" oder "Stirb!".

Killer-Minze schaltet die Konkurrenz einfach aus

Eine Pflanze, die auf diesem Weg ihre Konkurrenten ausschaltet, ist zum Beispiel die Minze. Den Forschern aus Karlsruhe fiel auf, dass immer dort, wo Minze wächst, bald die anderen Pflanzen verschwunden waren. Sie untersuchten die Signalstoffe von verschiedenen Minzarten genauer und fanden sozusagen ein ganzes Repertoire an Kriegsführungsmaschinerie. So gebe es Stoffe, die zum Beispiel bei anderen Pflanzen die Zellteilung blockierten. Dann kann natürlich die Nachbarpflanze nicht auskeimen, erklärt Nick.

Oder es gibt zum Beispiel die Pferdeminze. Die produziert einen von uns noch nicht identifizierten Wirkstoff - wir wissen noch nicht, was es für eine Chemikalie ist - und dieser Stoff sagt der Nachbarpflanze: 'Bring dich um! Bring dich um! Bring dich um!' Und wenn die das lange genug gehört hat, dann bringt sie sich um. Und auf diese Weise kann sich die Minze dann ausbreiten.

Prof. Dr. Peter Nick, KIT

Man könne sich diese chemischen Signale auch wie Radiowellen vorstellen, erklärt Peter Nick. Die Unkräuter tauschten auf einer eigenen Wellenlänge Signale aus, die für sie wichtig sind. Für andere Pflanzen haben diese Botschaften eigentlich keine Bedeutung, weil sie diese gar nicht hören oder verstehen. Doch die Minze hat gelernt, so Nick, diese Signale sozusagen zu unterwandern und für ihre eigenen Zwecke einzusetzen. Und so gelingt es ihr, die Konkurrenten vom Feld zu schlagen.

Die Minze selber reagiert nicht auf dieses Signal. Wir vermuten, dass es daran liegt, dass ihre Wellenlänge nicht richtig eingestellt ist. Sie hat das entsprechende Protein nicht, womit es dieses Signal wahrnehmen könnte.

Prof. Dr. Peter Nick, Karlsruher Institut für Technologie

Das sei in etwa so wie jemand, der viel Krach macht, sich aber selbst Ohrenstöpsel reingesteckt hat. Der hört selber nichts, aber seine Nachbarn sind extrem gestresst, erläutert Nick.

Unkraut vernichten durch Signal statt Gift

Unkraut jäten adé? Der Duftstoff der Minze könnte natürlich Abhilfe schaffen ganz ohne Gifte. Bildrechte: imago/Panthermedia

Die Forschenden wollen sich nun diese – man könnte sagen kriminellen – Eigenschaften der Minze zu Nutze machen: nämlich beim Pflanzenschutz. Dort wird bisher größtenteils mit Giften gearbeitet, die die Unkräuter töten sollen. Ein Herbizid der Zukunft könnte über chemische Signale der Minze funktioneren, sagt Peter Nick. Das teste sein Team gerade in einem großen Projekt, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich und aus der Schweiz.

Das ist also ein EU-Projekt. Und mit dem Minzöl, das klappt schon recht gut. Man kann damit bestimmte Unkräuter sehr effizient erledigen. Und da es ein Signal ist und kein Gift, wirkt es eben nur auf bestimmte Pflanzen.

Prof. Dr. Peter Nick, KIT

Ob und wann sich so ein Pflanzenschutzmittel durchsetzen kann, hänge davon ab, wie lang die Zulassungsprozesse dauerten, ob man einen Industriepartner finde, der es herstellt und ob man günstig produzieren könne, so Nick weiter. Doch bis dahin könne man Minze auch pur gegen Unkräuter verwenden – im Garten, im Ökolandbau oder im Weinanbau. Im Weinbau funktioniert das besonders gut, sagt Nick. Da gebe es nämlich eine sogenannte Rebzeilenbepflanzung, bei der alles unterhalb der Weinstöcke freigehalten werde. Das werde mit Maschinen gemacht und leider auch mit Glyphosat, sagt Nick. "Da könnte man einfach Minze pflanzen."

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