E-MobilitätLadezeiten, Infrastruktur, Rohstoffe: So wird das Elektroauto massentauglich
Die Deutschen sehen Elektroautos noch immer recht skeptisch. Aktuelle Umfragen legen eine gewisse Skepsis nahe und die Verkaufszahlen zeigen, dass Dresden und Leipzig im bundesweiten Städte-Vergleich zu den Schlusslichtern beim E-Auto-Bestand zählen. Die wichtigsten Kritikpunkte der Autofahrerinnen und Autofahrer: Die Preise seien zu hoch, die Reichweiten zu gering und das Laden umständlich und langwierig. Doch für diese Probleme liefert die Forschung Lösungen.
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Für die Autoindustrie ist die Perspektive längst klar: Das Auto der Zukunft fährt elektrisch. Die Planungen der meisten Hersteller sind bereits komplett auf die Elektromobilität abgestimmt. Und auch die Europäische Union plant ja eigentlich ein Verbot von Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotoren. Deshalb wollen etwa Citroën, Jaguar, Audi und Mercedes zwischen 2024 und 2030 nur noch neue Modelle mit E-Antrieb auf den Markt bringen. Und auch Opel, Fiat, Ford, Mini, VW und Hyundai planen zwischen 2028 und 2035 den Abschied vom Verbrennungsmotor. BMW und Kia rechnen zumindest damit, dass bis 2030 die Hälfte des Umsatzes mit dem Verkauf von E-Autos erzielt wird. Nach ADAC-Informationen will eigentlich nur Porsche noch nach 2035 ein Verbrenner-Modell im Portfolio haben, BMW schließt es aber immerhin nicht aus.
Weniger eindeutig ist die Richtung, in die es gehen soll, allerdings für die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland, die das E-Auto noch nicht so richtig in ihr Herz geschlossen haben. Im Städte-Vergleich sind etwa in Dresden und Leipzig mit am wenigsten E-Autos zugelassen. Dass die Elektroautos so reserviert betrachtet werden, liegt Umfragen zufolge an ein paar Kernproblemen, an denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aber intensiv arbeiten. Am häufigsten nennen Befragte neben hohen Preisen auch, dass es zu wenig Ladestationen gebe, das Laden zu lange dauere oder die Reichweite zu kurz sei. Außerdem ist ein hoher Anteil der Befragten auch skeptisch, wie umweltfreundlich E-Autos angesichts der verbrauchten Rohstoffe tatsächlich sein können.
Die Reichweite steigt
Bei der Reichweite der E-Autos hat es in den vergangenen Jahren bereits eine rasante Entwicklung gegeben. Während manch Kritiker noch glaubt, kaum eine übliche Pendelstrecke zu schaffen, sieht die Realität schon ganz anders aus. Und der Trend zeigt nach oben. "Die Reichweite von Elektroautos ist heute absolut praxistauglich und stellt im Alltag keine Einschränkung dar", sagt etwa Martin Doppelbauer, Professor für hybridelektrische Fahrzeuge am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). "Typische Familienautos mit Kapazitäten um 70 bis 90 Kilowattstunden liegen im Winter bei 350 Kilometern, im Sommer bei deutlich mehr."
Bei Neufahrzeugen beträgt die Reichweite bereits zwischen 300 und 600 Kilometern, sagt Uwe Sauer, Professor für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen. Das gelte für optimale Bedingungen, bei schnellem Fahren und im Winter müsse man mit Abstrichen von bis zu einem Viertel der Leistung rechnen. "Prinzipiell gibt es also für jede Nutzerin und jeden Nutzer aus technischer Sicht ein Angebot, dass zusammen mit der Ultraschnellladetechnik die Reichweitenprobleme löst", so Sauer. Er sieht das Problem deshalb eher im Preis für Fahrzeuge mit hohen Reichweiten. Die angebotenen Fahrzeuge in der Kompakt- und Mittelklasse seien im Vergleich zu konventionellen Fahrzeugen zu teuer, so der Experte.
Reichweiten von 800 Kilometern mit einer Batterie von 100 kWh sollten bis Ende des Jahrzehnts durchaus möglich werden.
Prof. Uwe Sauer, RWTH Aachen
Die Reichweite der Elektroautos werde in den kommenden Jahren noch weiter steigen, erwartet Sauer. "Dabei sollte aber nicht der Ausbau der Batteriekapazität im Vordergrund stehen, weil dies sowohl den Kostenzielen als auch der Schonung von Ressourcen entgegensteht", ergänzt er. Vielmehr müsse an Effizienz und der Anwendung gearbeitet werden, um die Reichweite und die Nutzungsdauer der Batterien zu optimieren.
Dass noch mehr Reichweite möglich ist, habe Mercedes mit einem Konzeptfahrzeug im vergangenen Jahr gezeigt, erläutert der Aachener. Das habe mit einer für heutige Oberklassefahrzeuge normalen Batterie eine Reichweite von 1.200 Kilometern erreichen können. "Natürlich sind das die technischen Grenzen und reale Fahrzeuge werden nicht so effizient sein, aber es zeigt das Potential auf", sagt Sauer. Er hält deshalb Reichweiten von 800 Kilometern mit einer Batterie von 100 kWh bis zum Ende des Jahrzehnts für möglich.
Professor Jens Tübke vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie merkt zusätzlich an, dass die Reichweite immer im Zusammenhang mit dem Ladetempo betrachtet werden müsse. Fahrzeuge mit höheren Reichweiten von mehr als 500 Kilometern würden mit schnellladefähigen Batteriesystemen ausgestattet. Die ließen sich in unter zwölf Minuten auf 20 bis 80 Prozent Batterieladezustand bringen, sodass die Reichweite allein nicht mehr unbedingt im Fokus stehe. Auch die Batteriegröße könne so beschränkt werden. "Dies spart wertvolle Materialressourcen in der Batterieherstellung und reduziert das Fahrzeuggewicht", so Tübke. "Neben etwas Zuwachs an Reichweite – vielleicht bis auf 700 bis 800 Kilometer – werden mittelfristig Batterien zur Verfügung stehen, die deutlich einfacher recycelt werden können und möglichst auf kritische Rohstoffe – zum Beispiel heute bereits vollständig auf Kobalt – verzichten."
Aufgeladen in einer Pipi-Pause
Für viele Autofahrerinnen und Autofahrer ist die Vorstellung, bei weiteren Fahrten lange Ladepausen einlegen zu müssen, abschreckend. Doch diese Befürchtung kann Fraunhofer-Forscher Tübke nicht mehr nachvollziehen. Bei Kurzstrecken und Stadtfahrten stehe das E-Auto ohnehin über Nacht oder beim Parken. Dann könne es auch geladen werden. "Für größere Fahrzeuge und längere Fahrstrecken besteht natürlich die Notwendigkeit der Schnellladung", so Tübke. Die sei allerdings schon jetzt bei einigen Fahrzeugen zu haben: Das Aufladen auf 20 bis 80 Prozent Batterieladung in weniger als zwölf Minuten bedeute in der Praxis: "Damit können bei einem Elektroauto mit circa 500 Kilometern Reichweite etwa 300 Kilometer geladen werden und man kann davon ausgehen, dass auch diese Zeiten noch etwas verkürzt werden können."
Auch der Aachener Professor Sauer weist auf die Schnellladefunktion hin, die es bereits gibt. Demnach könne bei den Oberklassefahrzeugen mit Reichweiten von mehr als 400 Kilometern innerhalb von drei Minuten die Energie für rund 100 Kilometer Reichweite geladen werden. "Da sich die Batterien in der Geschwindigkeit nicht vollständig aufladen lassen, würde das etwa alle 300 Kilometer einen Nachladestopp von 10 Minuten bedeuten", erläutert Sauer. Und künftig geht das noch schneller: Wenn die Fahrzeuge effizienter würden, so der Experte, dann verkürze sich die Nachladedauer für 100 Kilometer Reichweite bei gleicher Ladeleistung auf vielleicht zwei Minuten. Bei Fahrzeugen mit kleineren Batterien bzw. Reichweiten können diese hohen Ladeleistungen nicht erreicht werden. Aber das verlängere die Ladezeiten dann auf "vielleicht fünf bis sechs Minuten" pro 100 Kilometer Reichweite. "Das ist aus meiner Sicht keine große Einschränkung der Mobilität gegenüber den bekannten Verbrennungsmotoren", bilanziert RWTH-Professor Sauer.
Ladesäulen am Arbeitsplatz
Das aktuell größte Problem für die Alltagstauglichkeit liegt den Forschenden zufolge in der Lade-Infrastruktur. Hier sind die Verbraucherinnen und Verbraucher noch zurecht skeptisch, denn die reicht längst nicht aus: "Wir sehen seit einiger Zeit, dass die Zahl der Elektrofahrzeuge deutlich schneller als die öffentliche Ladeinfrastruktur ansteigt", sagt etwa der Aachener Professor Uwe Sauer. Der aktuelle Fokus beim Ausbau der Ladeinfrastruktur liege aktuell auf den Ultraschnellladeeinheiten, vor allem entlang der Autobahnen. Das sei zwar grundsätzlich sinnvoll, werde aber zu halbherzig angegangen. "Aktuell finden sich in Deutschland inzwischen an sehr vielen Raststätten Ultraschnelllader, aber meist mit einer Säule und zwei Anschlüssen. Damit wird es schon wieder zum Glückspiel, eine freie Ladestation zu finden", so Sauer.
Fraunhofer-Forscher Tübke dagegen spricht zumindest von einem "wahrnehmbaren" Ausbau der Ladeinfrastruktur an den Autobahnen. Das Problem sei aber das flächendeckende Angebot: "Während die meisten Autobahnabschnitte schon gut mit Ladestationen ausgestattet sind, fehlen diese noch an Schnellstraßen und in sehr vielen Innenstädten." Gerade Menschen, die keine eigene Wallbox zu Hause haben, seien auf die Ladesäulen in der Öffentlichkeit angewiesen, so Tübke. Deshalb müsse die Infrastruktur viel schneller ausgebaut werden.
Gerade Fahrzeugbesitzer, die nicht zu Hause an der eigenen Wallbox über Nacht laden können, sind auf die Möglichkeiten angewiesen, in der Stadt beim Parken oder beim Arbeitgeber tagsüber laden zu können.
Prof. Jens Tübke, Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie
Einen Schwerpunkt sehen die Fachleute dabei auf Firmenparkplätzen: Dort könnten Pendler ihre E-Autos tagsüber laden. Das sieht auch der Aachener Sauer so: "Das würde auch das Problem vieler Menschen, die nicht direkt zu Hause laden können, lösen." Dabei reichten sogar schon geringe Ladeleistungen aus, denn die Fahrzeuge parkten ja über viele Stunden hinweg auf dem Firmenparkplatz, so Sauer. Zusammen mit Ladesäulen in Wohngebieten könnten so auch die Stromspitzen durch das Laden von Millionen E-Autos deutlich gesenkt werden, wie eine gerade erschienene Studie ausgerechnet hat.
Die Fachleute sehen hier aber vor allem die Politik in der Pflicht. So meint der Aachener Sauer, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten, dass im Bereich der Wohnbebauung Ladestellen flächendeckend möglich werden. "Gerade Mieterinnen und Mieter führen teilweise extrem aufwendige Auseinandersetzungen mit den Vermieterinnen und Vermietern und geben nicht selten entnervt auf." Deshalb müssten die Gesetze wenigstens ermöglichen, dass in Mietgebäuden von den Nutzenden finanzierte Ladepunkte installiert werden können.
Für das Flottenziel von 15 Millionen E-Autos bis 2030 ist nämlich ein deutlich beschleunigter Ausbau nötig, bilanziert Thorsten Koska vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Besonders relevant sei eben auch die private Ladeinfrastruktur. Denn das sei deutlich preisgünstiger und es lassen sich Synergien mit selbsterzeugtem Solarstrom schaffen. Und durch die langen Stehzeiten gebe es hier noch einen Vorteil: Die E-Autos in der Garage oder auf dem Firmenparkplatz lassen sie sich auch als Speicher nutzen: geladen wird dann, wenn viel erneuerbarer Strom zur Verfügung steht, bei schwachem Angebot können die Fahrzeuge Strom ins Netz oder den Haushalt zurückspeisen, erklärt Koska. "Beides kann den Bedarf an zusätzlichem Netzausbau reduzieren und die Potenziale von E-Fahrzeugen zur Abfederung der volatilen Erzeugung erneuerbaren Stroms besser nutzen."
Rohstoff-Recycling und neue Batterie-Technologie
Die Umweltverträglichkeit der E-Autos wird von Skeptikern immer wieder in Zweifel gezogen. Denn klar: Ohne Batterie kein E-Auto. Und eine Batterie funktioniert nun einmal nur dank verschiedener Rohstoffe: neben Lithium vor allem Nickel, Kobalt, Mangan. Doch die werden künftig kaum noch gebraucht, erklärt KIT-Professor Martin Doppelbauer. "Es gibt schon in vielen Autos Lithium-Eisenphosphat-Batterien ohne diese Rohstoffe", erklärt er. Ohne Lithium werde es langfristig aber kaum gehen, obwohl aktuell sogar erste Autobatterien auf Natriumbasis in Serienproduktion gingen. Doch die hätten bisher nur rund die halbe Energiedichte. Doch es gebe, so Doppelbauer, auf der ganzen Welt große Lithiumvorkommen – sogar in Deutschland. Und der Rohstoff lasse sich inzwischen sogar umweltfreundlich gewinnen. "Batterien lassen sich zudem gut recyceln und ein Großteil der eingesetzten Rohstoffe kann zurückgewonnen werden", so Doppelbauer weiter.
Auch der Aachener Uwe Sauer sieht kein unlösbares Problem beim Rohstoff Lithium. Die Förderkapazitäten würden zwar knapp, aber Länder mit sehr großen Reserven wie etwa Argentinien oder Bolivien lieferten bislang noch "keine substantiellen Mengen". Doch aufgrund des hohen Lithiumpreises dürfte sich das künftig ändern. Sauer rechnet deshalb nur mit einer kurzen Knappheit am Markt. "Daneben wird zum Beispiel die Natrium-Ionen-Batterietechnologie in verschiedenen Segmenten eine gewisse Entlastung des Rohstoffmarktes für Lithium-Ionen-Batterien ergeben", ergänzt der RWTH-Professor. Zusätzlich weist auch er darauf hin, dass Kobalt und Nickel künftig wohl nur noch in geringen Mengen gebraucht würden.
Prinzipiell seien die derzeit für Batterien benötigten Rohstoffe aber weltweit ausreichend vorhanden, sagt Hinrich Helms vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu). Mehrere Szenarienstudien belegten demnach, dass die weltweiten Vorkommen den prognostizierten Bedarf auch bei einem globalen Wachstum der Elektromobilität übersteigen. Doch die Rohstoffe müssen womöglich gar nicht in so großen Mengen abgebaut werden, denn im Recycling stecke hier viel Potenzial: "Zusätzlich können Kobalt und Nickel prinzipiell auch zu 90 Prozent aus Batterien zurückgewonnen werden, was aber den Aufbau entsprechender Recyclingkapazitäten voraussetzt", so Helms.
Umfragen zur Elektromobilität
Deloitte (2023): Deloitte Global Automotive Consumer Study 2023.
Acatech (2023): Mobilitätsmonitor. Untersuchung des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften.
Deutsche Automobil Treuhand DAT (2023): DAT-Report.
(kie/smc)
Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | 14. März 2023 | 16:40 Uhr