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An der Fleischtheke ist die Welt noch in Ordnung. Aber der Schein trügt. Bildrechte: imago/Westend61

Ernährung"Darf's etwas weniger sein?" — Fleischkonsum gefährdet Versorgung mit ausreichend Lebensmitteln

11. Oktober 2022, 14:09 Uhr

Wer wenig oder kein Fleisch isst, muss nicht hungern – wer zu viel isst, hingegen schon. Das ist das Ergebnis einer aktuellen PwC-Studie. Sie sagt: Wir werden um ein massives Umstellen der Ernährungsgewohnheiten und Lieferkettensysteme nicht herumkommen.

Akribisch sucht die Menschheit nach Erd-ähnlichen Planeten in den Weiten des Weltalls. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder wir strengen uns ein bisschen an und finden bis 2050 noch mindestens zwei bewohnbare Planeten mit den gleichen Ressourcen wie auf der Erde. Oder wir strengen uns ein bisschen an und krempeln unsere Ernährungsgewohnheiten schlussendlich um.

Zu diesem Entweder-oder-Fazit kommt eine neue Studie von Strategy&, der Strategieberatung des globalen Beratungsfirmen-Netzwerks PricewaterhouseCoopers (PwC). Die Studie legt die zweite Variante nahe, da es bis 2050 nicht zu erwarten ist, die dann mehr als neuneinhalb Milliarden Menschen mit den Ressourcen von zwei zusätzlichen Erden zu füttern.

Weniger Fleisch – weniger Emissionen, weniger Süßwasserverbrauch

Hauptursache für die starke Übernutzung der irdischen Ressourcen sei der weltweite Fleischkonsum. Die Rechnung ist einfach: Etwa achtzig Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche entfallen auf die Fleischproduktion. Allerdings werden damit nicht achtzig Prozent, sondern gerade einmal elf Prozent des Kalorienbedarfs gedeckt. Die Studie rechnet vor, dass ein globaler Fleischverzicht siebzig Prozent der nahrungsmittelbedingten CO2-Emissionen verhindern würde – und genau so viel Süßwasserverbrauch. 27 Prozent der landwirtschaftlichen Flächennutzung gingen zurück.

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Das Szenario geht aber auch eine Runde kleiner: In Deutschland isst mit fast sechzig Millionen der Großteil der Menschen im Land Fleisch. Würde nur ein Fünftel darauf verzichten, käme das einer Einsparung von zehn Millionen Tonnen CO2 im Jahr gleich.

Effizientere Lieferketten, neue Märkte – und das Eingemachte in der Wirtschaft

"Um unsere Ernährung und die Lebensmittelproduktion nachhaltiger zu machen, sind drei Hebel entscheidend: In erster Linie das Schaffen von Ersatzprodukten für Verbraucher, aber auch die Reduktion entsorgter Lebensmittel entlang der gesamten Lieferkette sowie nachhaltigere Produktionsmethoden." Das sagt Catarina Bjelkengren, Leiterin bei Strategy& in der Schweiz. Sie verweist auf neue Produktionstechnologien wie etwa den 3D-Druck von Lebensmitteln. Sehr hohes Potenzial hätte aber auch die enorme Lebensmittelverschwendung. So müsse derzeit etwa ein Drittel aller produzierten Lebensmittel aufgrund von Verzögerungen und Ineffizienzen während der Ernte, in der Logistik sowie im Einzelhandel entsorgt werden. Das entspreche der Nahrung für zwei Milliarden Menschen – und damit dem notwendigen Puffer für das Abfedern des Mehrbedarfs an Lebensmitteln für die wachsende Weltbevölkerung.

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Immerhin handelt es sich um eine PwC-Studie – was darauf hindeutet, dass es bei der Thematik auch ums Eingemachte in der Wirtschaft geht. "Die Lebensmittelbranche muss sich darauf einstellen, dass der Druck von Seiten des Gesetzgebers auf eine nachhaltigere Produktion weiter steigen wird", sagt Harald Dutzler, Partner bei Strategy& in Österreich. Strengere Emissionsziele, nachhaltige Lieferketten, das Einhalten von Tierwohlstandards und der effiziente Verbrauch von Wasser würden die Kosten für die Landwirtschaft deutlich erhöhen. Es sei ratsam, sich besser früh als spät anzupassen. Mit relativ wenig Aufwand, so Dutzler, könne man große Wirkung erzielen.

Wer keine wirtschaftlichen Fäden in der Hand hält, antwortet auf die Frage, ob's etwas mehr sein darf, künftig eben einfach mit nein. Oder geht gar nicht erst zur Fleischverkaufsstelle. Verhungern wird man deshalb nicht – mit zu viel Fleisch aber irgendwann schon.

flo

Links/Studien

Hintergründe zur Studie "The Sustainable Food Revolution" in englischer Sprache gibt es hier.

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