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Größenvergleich mit Hilfe eines Elektronenmikroskops: Das Influenzavirus (lila), ein Norovirus (blau) und Sars-CoV-2 (organe). Bildrechte: imago images/Science Photo Libra

Influenza versus Sars-CoV-2Schützt eine Grippe vor Corona? Virologen: Hamster-Studie nicht auf Menschen übertragbar

13. Juli 2022, 15:06 Uhr

Eine aktuelle Studie an Hamstern legt nahe: Eine Infektion mit dem Grippe-Erreger Influenza verhindert, dass sich Sars-CoV-2 in der Lunge ausbreiten kann. Experten sind aber skeptisch, ob das bei Menschen ähnlich ist.

Kann eine Infektion mit dem Grippe-Erreger-Influenza dazu führen, dass eine gleichzeitige oder kurz darauf stattfindende Ansteckung mit dem Covid-19 Erreger Sars-CoV-2 milder verläuft? Das scheint zumindest bei Hamstern der Fall zu sein, wie eine neue Studie in der Fachzeitschrift "Journal of Virology" zeigt. Eine Infektion von Lungengewebe bremste dort die Ausbreitung von Coronaviren, wenn die Tiere gleichzeitig mit beiden Erregern infiziert worden waren. Das passierte auch, wenn die Ansteckung mit Corona drei Tage nach der Ansteckung mit Influenza erfolgte.

Grippe führt zu starker Interferonantwort – Interferon bremst Corona aus

Heißt das jetzt, dass eine Grippe vor einem schweren Corona-Verlauf schützt? Dass dieser Rückschluss nicht ganz abwegig ist, deuten vorangegangene Studien an, die gezeigt hatten, dass eine von Rhinoviren ausgelöste Erkältung Coronainfektionen erschwert. Grund könnte in beiden Fällen sein, dass sowohl Influenza als auch gewöhnliche Erkältungsviren die sogenannte Interferonantwort des Körpers stimulieren.

Interferone sind Botenstoffe des Immunsystems, die die Abwehrzellen des Körpers aktivieren. Viele Viren lösen eine starke Interferonantwort aus, Sars-CoV-2 kann diesen Effekt zu Beginn der Infektion aber wohl teilweise unterdrücken. (Forscher vermuten, dass das ein möglicher Grund dafür ist, dass das Immunsystem bei schweren Covid-Verläufen später oft überreagiert.) Ist die Interferonantwort bereits vor der Infektion mit Sars-CoV-2 stark aktiviert, bremst das Corona offenbar aus.

Grippe versetzt Körper in antiviralen Status: Interferon hemmt Corona auch ohne Antikörper

Allerdings zeigen verschiedene Beobachtungen an Menschen, dass eine Doppelinfektion mit Grippe und Corona eher häufiger als seltener zu schweren Krankheitsverläufen führt. Laut einer in The Lancet veröffentlichten Auswertung von Gesundheitsdaten in Großbritannien ging eine Doppelinfektion mit einem vergrößerten Sterberisiko einher. Sind die Aussagen der Hamster-Studie also nicht auf Menschen übertragbar?

"Menschen sind keine Hamster", fasst Stephan Becker, Leiter der Virologie an der Marburger Uniklinik, knapp zusammen. Trotzdem: "Die Studie präsentiert gute Daten und das Autorenteam ist auch renommiert." Spannend seien die Erkenntnisse daher allemal. Denn der schwächende Effekt auf Corona sei bei den Hamstern sogar dann noch zu beobachten, wenn sie die Grippe bereits überwunden haben. "Die Grippe versetzt den Organismus des Hamsters quasi in einen antiviralen Status, bei dem nach der Infektion Interferon-stimulierte Gene hochreguliert werden. Für diesen antiviralen Status braucht es noch keine Antikörper", sagt Becker. Allein das Hochregulieren der Interferonantwort bremse Corona bereits, lange bevor das lernende Immunsystem Antikörper und T-Zellen gegen Sars-CoV-2 ausgebildet habe.

Geimpft und genesen: Immunstatus hat erheblichen Einfluss auf Krankheitsverläufe

Was Rückschlüsse für die Therapie von Menschen angehe, habe die Studie einige weitere Schwächen. Einerseits seien jeweils ältere Virusvarianten für die Experimente genutzt worden, etwa ein früher Coronastamm aus den USA sowie ein Grippevirus von 2009. Die aktuell zirkulierenden Versionen der Grippe und von Corona könnten möglicherweise schwerer krankmachen, warnt Becker.

Ortwin Adams, Leiter der Virusdiagnostik an der Düsseldorfer Uniklinik, weist auch daraus hin, dass die Versuchstiere keinerlei Immunität hatten, weder gegen Grippe, noch gegen Corona. Das sei bei Menschen inzwischen völlig anders. "Der erwachsene Mensch hat aber bereits jahrzehntelange Erfahrung mit Influenzaviren, und auch gegen Sars-CoV-2 haben wir mittlerweile ein buntes Bild von 'weder geimpft noch genesen' bis zu 'mehrfach geimpft/geboostert plus ein-/zweimal genesen'. Diese immunologische Vorerfahrung hat erheblichen Einfluss auf den Infektionsverlauf von beiden Viren."

Im Herbst: Grippe- und Corona-Doppelimpfung für Risikogruppen ratsam

Für den kommenden Herbst scheint es daher gerade für ältere Menschen und andere Gruppen mit hohem Risiko auf schwere Verläufe weiterhin ratsam zu sein, sich sowohl gegen Corona, als auch gegen Influenza impfen zu lassen. Im vergangenen Jahr boten Arztpraxen die Impfung gleich als Kombination an.

Links/Studien

(ens/smc)

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