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Der Klimawandel hinterlässt in deutschen Wäldern deutliche Spuren – zum Beispiel indirekt durch den Borkenkäfer, wie hier in Baden-Württemberg. Bildrechte: imago/Westend61

Forschung aus JenaWie findet der Borkenkäfer seine Baum-Beute? Er hat Verbündete und einen guten Riecher

28. Februar 2023, 15:23 Uhr

Auch das ist Klimawandel: Der Borkenkäfer verursacht in ganz Deutschland Waldschäden von massivem Ausmaß. Forschung aus Jena zeigt jetzt: Die Schuld tragen nicht nur Mensch und Käfer, sondern noch eine weitere Spezies – hinterhältige Verbündete oder gar eine höhere Macht, könnte man schon fast sagen.

Wir wissen allerhand über den Borkenkäfer: Das millimetergroße Tierchen zieht immense Waldschäden nach sich, zum Beispiel im Harz oder im Thüringer Wald. Wir wissen auch: Schuld am Ausmaß des Waldsterbens hat trotzdem der Mensch: Mitunter durch Monokulturen, vor allem aber durch den Klimawandel, der die Bäume schwächt.

Und außerdem wissen wir, dass der trotz verhaltener Körpergröße sogenannte Große Achtzähnige Fichtenborkenkäfer auf Pheromone setzt – also Lockstoffe, um mit Artgenossen zu kommunizieren und einen Massenbefall auszulösen. Unklar bisher war indes, wie das Tier einen lohnenswerten Baum überhaupt erst findet – und sich nicht an einem ungeeigneten Gehölz alle acht Zähne ausbeißt. (Kann er gar nicht, gemeint sind nämlich die zweimal vier Zähne an den Flügeln.)

Winterwald kann auch so aussehen: Im Landkreis Harz sind bereits zwei Drittel der Fichtenbestände abgestorben. 2022 sind Millionen neuer Bäume gepflanzt worden. Dennoch geht das Wiederaufforsten nur langsam voran. Bildrechte: imago/Christian Grube

Forschende, federführend am Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie (MPI ICE) in Jena, zeigen jetzt, dass Borkenkäfer ihren Raubzug nicht alleine planen, sondern ganz offenbar Verbündete haben. Keine Tiere, keine Pflanzen, sondern: Pilze. In Fachkreisen heißen die Ektosymbionten, Symbiosepartner, die außerhalb der Käfer leben. Jede neue Käfergeneration müsse ihre Symbiosepilze finden und zu einem neuen Wirtsbaum tragen, so das Forschungsteam.

Wenn die Abwehr allzu schmackhaft ist

Dabei beweisen die Borkenkäfer ein abermals gutes Näschen: Sie können ihren Pilzpartner anhand der flüchtigen chemischen Verbindungen finden, die die Pilze beim Abbau von Fichtenharzbestandteilen freisetzen würden. "Zunächst beobachteten wir, dass die Borkenkäfer von Duftstoffen angezogen werden, die von ihren Symbiose-Pilzen abgegeben werden, wenn die Pilze auf einem Medium mit Fichtenrindenpulver wachsen", so Studien-Erstautor Dineshkumar Kandasamy. "Wir konnten allerdings auch zeigen, dass Pilze Terpen-Verbindungen aus Fichtenharz in sauerstoffhaltige Derivate umwandeln und dass einige dieser von Pilzen produzierten Stoffwechselprodukte für Borkenkäfer besonders attraktiv sind." Soll heißen: Die Pilze wandeln die chemische Abwehr von Fichten – Harz – in Lockstoffe für die Käfer um.

Bildrechte: imago/ShotShop

Buchdrucker und BorkenkäferLaut statistischem Bundesamt mussten im Jahr 2021 achtzig Prozent aller gefällten Bäume aufgrund von Insektenschäden gefällt werden. Das sind vierzig Millionen Kubikmeter Schadholz – ein riesiger Waldverlust. Ips typographus ist der Hauptschädling – gemeinhin als Buchdrucker bekannt, oder als Großer Achtzähniger Fichtenborkenkäfer. Das Tier wird nur 4,2 bis 5,5 Millimeter lang.

Dem Forschungsteam gelang es zudem, herauszufinden, dass die Käfer – jetzt schon zum dritten Mal – einen guten Riecher haben: Stoffwechselprodukte, die von für die Käfer schädlichen Pilzen produziert wurden, waren für die Tiere nicht interessant. Die Pilzpartner hingegen taten das, wozu so manch andere Art auch beim Menschen imstande ist: Sie stimulierten die Käfer – und zwar zum Tunnelbau.

Die sensible Nase der Käfer ist im Übrigen gar keine, auch das konnten die Forschenden zeigen: Es sind vielmehr sensible Antennen, mit auf die Pilze spezialisierten Geruchszellen. Überhaupt: Die Studie lässt den Borkenkäfer regelrecht wehrlos erscheinen, gesteuert durch eine überlegene Macht, er kann gar nicht anders: "Die Pilze tragen dazu bei, den Wirtsbaum abzutöten, seine Abwehrkräfte zu überwinden, die Käfer mit Nährstoffen zu versorgen oder sie vor Krankheitserregern zu schützen", fasst Jonathan Gershenzon, Professor für Biochemie am MPI ICE, die Sachlage zusammen. "Mit ihrer Fähigkeit, Harzbestandteile, die eigentlich der Verteidigung der Bäume dienen, zu verstoffwechseln, liefern die Pilze den Käfern darüber hinaus wichtige Informationen darüber, welche Pilze bereits im Baum vorhanden sind, wo sie sich im Baum befinden und ob sie als Symbiose-Partner dienen können."

Waldwüste: Rappodetalsperre im sachsen-anhaltischen Unterharz. Bildrechte: imago/Zoonar

Also: Mensch, Tier und Pilz gegen Pflanze – drei gegen einen beim Waldsterben? Vielleicht nicht ganz, die Erkenntnisse machen Hoffnung: Die Forschenden glauben, mit den Terpenen aus dem Pilzstoffwechsel bereits bestehenden Pheromon-Duftfallen ein Upgrade zu verschaffen. Die sind nämlich bei den jüngsten Ausbrüchen an ihre Grenzen gelangt. Ein wichtiges Ziel sei es nun, mehr über die Verstoffwechslung der Fichtenharzverbindungen in den Pilzen zu erfahren und herauszufinden, ob es sich dabei um eine Entgiftungsreaktion für den Pilz oder für den Käfer handelt.

flo

Links/Studien

Die Studie Conifer-killing bark beetles locate fungal symbionts by detecting volatile fungal metabolites of host tree resin monoterpenes erschien am 21. Februar 2023 im Fachjournal PLOS Biology.

DOI: 10.1371/journal.pbio.3001887

Dieses Thema im Programm:MDR S-ANHALT | SACHSEN-ANHALT-HEUTE | 19. Februar 2023 | 19:00 Uhr