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Mehr als nur ein bisschen summertime sadness: Bei höheren Temperaturen nimmt das Aggressionspotenzial zu, am Tag nach der Hitze steigt die Suizidgefahr. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Forschungszusammenfassung des Robert-Koch-Instituts. Bildrechte: IMAGO / Pond5 Images

Klimawandel und PsycheRKI-Bericht: Mehr psychische Störungen und Suizide nach Extremwetter

08. September 2023, 19:55 Uhr

Eine aktuelle Literaturstudie des Robert-Koch-Instituts schildert, wie der Klimawandel psychische Störungen, Suizidraten und Kriminalität beeinflusst. Dagegen helfen könnte der Aufbau von Resilienz. Außerdem empfehlen die Forschenden, den globalen Klimawandel möglichst stark zu begrenzen. Das sei noch wichtiger als gute Anpassungsstrategien.

Triggerwarnung: Thema Suizid.Wenn Sie darüber nachdenken, sich das Leben zu nehmen oder mit jemandem reden möchten - hier finden Sie Hilfe: Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr erreichbar. Die Telefonnummern lauten 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.

Dass der Klimawandel sich unmittelbar auf unsere Gesundheit auswirkt, haben diverse Forschungen der vergangenen Jahre bereits gut belegt. Beispielsweise, wenn es um Frühgeburten oder Schlaganfälle geht. Etwas diffuser ist die Lage bei psychischen Erkrankungen. Eine aktuelle Literaturstudie des Robert-Koch-Instituts schildert, wie der Klimawandel die Betroffenen beeinträchtigt. Die Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass im Nachgang schwerwiegender Extremwetterereignisse posttraumatische Symptome, Depressionen, Angstsymptome und Drogenkonsum zunehmen. Ein Beispiel für die untersuchten Extremwetterereignisse ist Starkregen, auf den Überschwemmungen folgen.

Extremwetterereignisse wirken sich unterschiedlich stark auf die Psyche aus

Ob und wie stark sich Extremwetterereignisse psychisch auswirken, hängt von Art, Dauer und Schwere des Ereignisses ab. Außerdem spielt es natürlich eine Rolle, ob durch das Ereignis Leben und körperliche Gesundheit der Betroffenen bedroht sind – oder ob ihnen nahestehende Menschen in Gefahr geraten. Zusätzlich relevant: Ob das eigene Zuhause der Personen zerstört wurde oder die Erwerbseinkommen gefährdet sind.

Das alles hängt immer vom biografischen Kontext eines Menschen ab. Wer bereits schlechte Erfahrungen gemacht hat, wird einem Extremwetterereignis meist eine andere Bedeutung zumessen. Als besonders gefährdet für die Entwicklung psychischer Störungen nach einem Extremereignis stuft das RKI Personen mit einer bereits vorhandenen oder entstehenden psychischen Störung ein. Außerdem sind Frauen stärker gefährdet als Männer.

Hitzewellen stehen in Zusammenhang mit Aggression

Die Auswirkungen von Hitze auf den menschlichen Körper sind bereits vergleichsweise gut belegt. Ein Beispiel ist der Zusammenhang zwischen höheren Temperaturen und einer höheren Sterblichkeit: Studien machen den Klimawandel und die damit einhergehenden Hitzewellen für circa 37 Prozent der herzbedingten Todesfälle verantwortlich. Aber auch die psychischen Folgen von Hitze sind bereits Gegenstand internationaler, groß angelegter epidemiologischer Studien gewesen. So konnte Beispielsweise ein Zusammenhang zwischen der "Komforttemperatur" von 21 Grad und sozial verträglichen Charaktereigenschaften ermittelt werden. Heiße Tage und Hitzewellen stehen dagegen in Zusammenhang mit aggressiverem und feinseligerem Verhalten. Das spiegelt sich auch in der Zunahme von Straftaten wie Körperverletzung, Mord, Vergewaltigung und Raubüberfällen bei Hitze wieder.

Am Tag nach der Hitzewelle ist das Suizidrisiko erhöht

Menschen, die bereits diagnostizierte psychische Erkrankungen wie Demenz, eine bipolare Störung oder Schizophrenie haben, sind außerdem gefährdet: Hier gibt es einen signifikanten Zusammenhang zwischen einer höheren mittleren Tagestemperatur und einer höheren Sterberate. Wichtig ist auch, dass nicht nur ein Hitzetag selbst sich auf das psychische Wohlbefinden auswirkt, sondern auch der Tag danach. An diesen kühleren Tagen ist das Suizidrisiko in der Allgemeinbevölkerung höher als sonst.

Climate Anxiety ist noch kaum untersucht

Der Klimawandel beeinflusst unsere Psyche aber auch noch auf einer weiteren, etwas abstrakteren Ebene: Wir werden uns immer bewusster, wie groß die globale Bedrohung durch den Klimawandel werden kann. Darauf reagieren viele Menschen emotional. Für dieses Phänomen werden aktuell in der Forschung Begriffe wie Climate- oder Eco Anxiety, Climate- oder Eco Anger sowie Climate Depression und weitere verwendet. Einheitliche Untersuchungen und Begriffe gibt es bisher aber noch nicht. Die einzige Übereinstimmung vieler internationaler Studien: Die Besorgnis über den Klimawandel ist weit verbreitet, zu psychischen Symptomen führt das aber meistens nicht.

Eine Möglichkeit, mit den psychischen Folgen des Klimawandels umzugehen, könnte laut RKI das Erkennen von besonders gefährdeten Gruppen sein – aber auch das Aufbauen von Resilienz. Eine Erkenntnis ist beispielsweise, dass Eigenschaften wie ein höheres Selbstwertgefühl und Kohärenzerleben (das bedeutet, dass man die Welt um sich herum als verstehbar und vorhersagbar empfindet) eine Rolle spielen. Außerdem ist familiäre Unterstützung oder Unterstützung aus dem weiteren sozialen Umfeld wichtig. Hier fehlt es jedoch noch zu großen Teilen an Forschung.

Klimaschutz ist der wichtigste Gesundheitsschutz, laut RKI

Insgesamt seien die Auswirkungen des Klimawandels auf die psychische Gesundheit in Deutschland nur unzureichend untersucht, so das Fazit des RKI. Um eine Zunahme psychischer Risiken zu minimieren, sollte deshalb an allererster Stelle versucht werden, die klimabedingten Veränderungen auf unserem Planeten so gering wie möglich zu halten. Aus Sicht der RKI-Forschenden ist das noch wichtiger, als die Suche nach Adaptionsstrategien an den Klimawandel. Klimaschutz sei der wichtigste Gesundheitsschutz, betont das RKI.

Links/Studien

Den Bericht in voller Länge zum Nachlesen finden Sie hier. Dezidiert um den Zusammenhang zwischen Klimawandel und psychischer Gesundheit geht es ab Seite 132.

iz

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Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 22. Juni 0023 | 18:36 Uhr

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