Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
Klima & UmweltMedizinPsychologieWeltraumGeschichteNaturwissenschaftBildung
Ist das ein Sinnbild für den kommenden Sommer? Die Chancen für große Hitze, aber auch für starke Regenfälle sind jedenfalls erhöht. Grund ist ein Wärmerekord im Atlantik. Bildrechte: imago/Ralph Peters

KlimawandelBringt uns die "Badewanne" Nordatlantik einen Sommer voller Hitze und Starkregen?

16. Juni 2023, 11:22 Uhr

Der Nordatlantik ist so warm wie nie zuvor in dieser Jahreszeit. Diese beispiellose Erwärmung könnte für Europa einen Sommer mit viel Hitze und Starkregen bedeuten.

Seit Beginn der Satellitenmessungen vor 40 Jahren war der Nordatlantik zu dieser Jahreszeit noch nie so warm wie jetzt. Folgen für Mitteleuropa könnten nach Forscherangaben möglicherweise ein heißer Sommer und heftigere Starkregen sein.

Laut Daten der US-Klimabehörde NOAA ist der Nordatlantik Mitte Juni etwa ein Grad wärmer als im Durchschnitt des Vergleichszeitraums von 1982 bis 2011. Die Temperatur der analysierten Meeresoberfläche vom Äquator bis zur Höhe der Südspitze Grönlands liegt aktuell um etwa 0,5 Grad über dem bisherigen Rekord für diese Zeit.

Ozeane sind Treibhausgas-Speicher

Klimaforscher Mojib Latif Bildrechte: imago/Hoffmann

Was ist der Grund für diesen Temperaturanstieg? Die Ozeane haben, wie Mojib Latif vom Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel erklärt, "90 Prozent der Wärme aufgenommen, die durch die menschengemachten Treibhausgase entstehen".
Nicht nur der Nordatlantik, sondern auch der Großteil der Ozeane weltweit hat seit März neue Rekordtemperaturen für den jeweiligen Tag erreicht. Die steigenden Wassertemperaturen reichen bis in eine Tiefe von 2.000 Metern und sogar tiefer in einigen Regionen. Dies hat weitreichende Auswirkungen, nicht nur auf die Meeresökosysteme, sondern auch auf unser Klima.

Im Durchschnitt zeigt der Nordatlantik derzeit eine Temperatur von fast 23 Grad Celsius. Insbesondere der subtropische Teil dieses Ozeans hat sich seit April deutlich aufgeheizt. Diese ungewöhnliche Erwärmung, so Klimaphysiker Helge Gößling vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, ist auf ein anhaltendes Tiefdruckgebiet zurückzuführen, das dafür gesorgt hat, dass mehr warme Luft aus dem Südwesten und weniger kalte Luft aus dem Nordosten in den subtropischen Nordatlantik strömt. Abgeschwächte Windströmungen in der Region tragen zusätzlich dazu bei, die Oberflächentemperatur zu erhöhen.

Erderwärmung + Zufallsschwankungen = Rekordhitze?

Bemerkenswert ist jedoch, dass es momentan auch im nördlichen Teil des Nordatlantiks eine Anomalie in den Luftströmungen gibt, die zur Erwärmung beiträgt. Mojib Latif denkt, dass es sich dabei um eine "zufällige Schwankung der Atmosphärenströmung" handeln könnte, die im Allgemeinen sehr variabel sei. "Normalerweise haben wir eher Westwinde, nun kamen sie aber aus dem Süden und Osten und versorgen den Norden des Nordatlantiks mit warmer Luft", ergänzt Helge Gößling und unterstreicht die Rolle des Klimawandels bei dieser Situation: "Generell unterliegen die Luftströmungen über den Weltmeeren großen Zufallsschwankungen, die sich aber auf die Erderwärmung draufsetzen und dann zu besonders hohen Temperaturen führen können."

Die Erwärmung der Meeresoberfläche hat sich besonders stark vor den West- und Südküsten Frankreichs bemerkbar gemacht, wo die Temperaturen laut Gößling um bis zu fünf Grad über dem Normalwert liegen. Tendenziell könne die Wärme des Nordatlantiks zu einem heißeren Sommer in Mitteleuropa führen, bis in den August hinein. Diese erhöhte Wärme hat auch zur Folge, dass die Luft mehr Wasser aufnimmt, das von West- und Südwinden nach Europa getragen werden kann. Das fördere dann wiederum Starkregenfälle.

El Niño, Saharastaub, Schwefel?

An Spekulationen einiger Forscher, dass das aufkommende Klimaphänomen El Niño schon jetzt für die Erwärmung im Nordatlantik verantwortlich ist, will sich Klimaforscher Mojib Latif nicht beteiligen. "Ich glaube nicht, dass es damit etwas zu tun hat, denn es fängt ja jetzt erst an."

Eine andere mögliche Erklärung bringt Helge Gößling ins Spiel, das Ausbleiben von Saharastaub über dem Atlantik. Auch diese Variante sei aber noch nicht bestätigt. Die feinen Körnchen reflektieren das Sonnenlicht und haben somit normalerweise einen kühlenden Effekt.
Und auch die These, dass die Erwärmung auf eine vorgeschriebene Verminderung der Schwefelemissionen von Schiffen zurückzuführen sei, hält Gößling für spekulativ.

Die Auswirkungen dieser Erwärmung auf die Hurrikansaison sind noch unklar. Während die Erwärmung des subtropischen Nordatlantiks zu einer Zunahme von Wirbelstürmen führen könnte, könnte El Niño das Windprofil in der Höhe verändern und die Anzahl reduzieren, erklärt Latif. Er glaubt, dass deshalb in Summe "vielleicht eine ganz normale Hurrikansaison" zu erwarten ist, weigert sich aber, kurzfristige Wetterprognosen abzugeben. "Das Wetter ist so chaotisch, da möchte ich keine konkrete Vorhersage machen. Wenn es wärmer wird, werden Wetterextreme aber häufig intensiver."

(rr/dpa)