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Mit kognitiven Tests untersuchten die Forschenden die Auswirkungen des Straßenlärms. Bildrechte: Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal)

GroßstadtschulenLärm lähmt das Gehirn

04. Juni 2022, 12:00 Uhr

Wer lernen will, braucht Ruhe, um sich konzentrieren zu können. Geräusche lenken ab und dauerhafter Lärm bremst bei Kindern sogar die Entwicklung von Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis. Mit langfristigen Folgen für den Lernerfolg. Aber Lärm ist nicht gleich Lärm, wie Wissenschaftler des Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal) herausfanden.

Lärm ist vor allem in großen Städten allgegenwärtig. Dass er Stress verursacht und damit auf Dauer krank machen kann, wissen wir. Doch welche Auswirkungen er auf Kinder hat, deren Schulen an Hauptverkehrsstraßen liegen, ist bislang kaum erforscht. Die Umweltepidemiologin Maria Foraster und der Mediziner Jordi Sunyer haben deshalb eine Studie an 38 Schulen in Barcelona durchgeführtl, um herauszufinden, wie sich der unterschiedliche Lärmpegel auf die geistige Entwicklung der Kinder auswirkt. Sie testeten 2.680 Schüler im Alter von sieben bis zehn Jahren auf ihre kognitiven Fähigkeiten und betrachteten dabei auch die Entwicklungsfortschritte. In diesem Alter, vor der Pubertät, laufen im Gehirn einige Reifungsprozesse auf Hochtouren.

Je lauter die Straße, desto langsamer die Entwicklung

Die Ergebnisse der Wissenschaftler des Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal) deuten darauf hin, dass Lärm zwei wesentliche Grundlagen für erfolgreiches Lernen beeinträchtigt: das Arbeitsgedächtnis und die Aufmerksamkeit. Letztere ist der Schlüssel dazu, sich Wissen anzueignen. Sie richtet unsere Konzentration auf einzelne Reize und auf bestimmte Aufgaben. Mit dem Arbeitsgedächtnis können wir dann die Informationen speichern und sie über einen kurzen Zeitraum manipulieren. Wollen wir Wissen dauerhaft und effektiv verarbeiten, nutzen wir dafür unser sogenanntes komplexes Arbeitsgedächtnis.

Wie schnell oder wie langsam sich beide Bereiche entwickeln, hängt offenbar damit zusammen, wie laut es vor den einzelnen Schulen, in den Klassenzimmern und auf den Spielplätzen ist. Je höher der Lärmpegel, desto langsamer die Reifung. Um es in Zahlen auszudrücken: Eine fünf Dezibel höhere Geräuschkulisse im Freien bremste die Entwicklung des Arbeitsgedächtnisses um 11,4 Prozent, die des komplexen Arbeitsgedächtnisses um 23,5 Prozent gegenüber dem Durchschnitt.

Lärmspitzen sind entscheidend

Ob es einen Schallschutz geben muss und wie er realisiert wird, entscheidet der Gesetzgeber auch bei uns in Deutschland nach wie vor auf der Grundlage von durchschnittlichen Dezibelpegeln. Die Studie von Foraster und Sunyer stützt jedoch die Hypothese, dass die Lärmspitzen und die Geräuscheigenschaften viel entscheidender sind. Es zeigte sich, dass die Kinder innerhalb des Klassenzimmers teilweise viel deutlicheren Lautstärkeschwankungen ausgeliefert waren als im Freien. Wo die Differenzen am größten waren, schnitten die Schüler in den Tests für die Studie durchweg schlechter ab, sowohl im Hinblick auf Arbeitsgedächtnis und komplexes Arbeitsgedächtnis als auch auf die Aufmerksamkeit.

Die Studie ergänzt die Belege zu den Auswirkungen des Verkehrs auf die kognitive Entwicklung von Kindern, die bisher sowohl an Schulen mit Fluglärmbelastung als auch an Schulen mit verkehrsbedingter Luftverschmutzung beobachtet wurden. Es müssten weitere Untersuchungen, auch an anderen Bevölkerungsgruppen folgen, um zu sehen, ob sich die Ergebnisse auch auf andere Städte übertragen ließen.

Ruhige Klassenzimmer für besseres Lernen

Wo viele Kinder gemeinsam lernen, lachen und streiten ist es auch ohne Verkehrslärm oftmals laut. Den Schülern fällt es dann vor allem in den hinteren Reihen schwer, die Worte des Lehrers zu verstehen und dem Unterricht zu folgen, wie eine Studie der Universität Kaiserslautern belegt. Erstklässler in den hinteren Räumen hatten jedes dritte Testwort falsch verstanden. Denn sie sind in diesem Alter wesentlich empfindlicher gegenüber Störgeräuschen als Erwachsene. Kinder mit Konzentrationsschwierigkeiten und Lernstörungen sind der Untersuchung zufolge noch stärker durch Lärm beeinträchtigt, genauso wie solche, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Schallabsorber an der Decke und an den Wänden sowie Teppiche könnten hier Abhilfe schaffen. Darüber würden sich auch die Lehrer freuen, die ebenfalls unter dem Lärm leiden, und das mit den Berufsjahren zunehmend. Das trifft auch auf Kindergärten zu.

krm

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