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VogelforschungVogel-Gezwitscher ähnelt der menschlichen Sprache

12. September 2019, 14:59 Uhr

Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Die letzten Jahrzehnte Forschung haben die Antwort auf diese Frage immer schwieriger gemacht. Ist es vielleicht das Benutzen von Werkzeugen? Das machen Krähe und Schimpanse auch. Die Fähigkeit zum Lösen von Problemen? Können kluge Hunde und Papageien. Was da noch bleibt, ist vielleicht die komplexe Sprache? Doch auch diese Fähigkeit ist im Tierreich nicht gänzlich unbekannt, haben Schweizer Forscher herausgefunden.

von Jessica Brautzsch

Babys können zwar noch nicht sprechen, aber sie probieren schon gern fleißig alle möglichen Laute aus. Denn eben daraus besteht menschliche Sprache und das macht sie besonders: Eine begrenzte Anzahl von bedeutungslosen akustischen Lauten kann zu bedeutungstragenden Signalen – also Wörtern – kombiniert werden.

Die deutsche Sprache besitzt etwa 40 einzelne bedeutungslose Laute. Ihre Kombination entscheidet darüber, ob wir zum Beispiel am "Rasen" oder an "Rosen" riechen. Lange Zeit galt die Komplexität der menschlichen Sprache als unser Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Tieren. Doch dann kamen Untersuchungen wie die von Dr. Sabrina Engesser vom Institut für vergleichende Sprachwissenschaft an der Universität Zürich. Ihr Forschungsobjekt: Der Rotscheitelsäbler.

Der Rotscheitelsäbler: Ein hoch sozialer Vogel

Der Rotscheitelsäbler ist ein spannender Vogel: Er lebt in hoch sozialen Gruppen, in denen sich die Tiere unterschiedliche Aufgabenbereiche teilen. Das kann unter anderem die Aufzucht der Jungen sein oder aber das Ausschau-halten nach Fressfeinden.

Ein Grauscheitelsäbler lebt wie sein Verwandter der Rotscheitelsäbler vor allem in Australien. Bildrechte: imago/BIA

In sozial lebenden Gruppen gibt es also viele Aufgaben, die koordiniert werden müssen. Und ganz wichtig: sie müssen auch kommuniziert werden – zum Beispiel durch bedeutungstragende Rufe, die aus einzelnen kleinen Lauten bestehen. So wie etwa der Flugruf, der zu hören ist, wenn der Rotscheitelsäbler in der Gruppe sein Revier abfliegt. Oder auch der Fütterungsruf, wenn der Nachwuchs gefüttert wird. Beide Rufe haben eine bestimmte Funktion für die Tiere und führen zu einer bestimmten Reaktion bei den Artgenossen.

Ähnliches Prinzip wie beim Menschen

Aber werden hier auch einzelne bedeutungslose Laute zu einem sinntragendem Signal zusammengesetzt, wie es in der menschlichen Sprache passiert? Das wollte Engesser mit 25 wilden Tieren herausfinden, die jeweils für zwei Tage in Einzelhaft kamen. Und dort gab es dann die Dauerbeschallung mit nur einem Laut aus einem der Rufe - so lange, bis sich der Vogel an den Laut gewöhnt hat.

Dies haben wir daran gemessen, dass das Tiere im Laufe dieser Habituierung immer weniger in Richtung des Lautsprechers geschaut hat, von dem der Laut zurück gespielt wurde.

Dr. Sabrina Engesser, Universität Zürich

War das Tier an den Laut gewöhnt, wurde ein anderer Vergleichslaut eingespielt. Schaute der Vogel dann wieder zum Lautsprecher, hat er den ersten vom zweiten Laut unterschieden. Wenn nicht, konnte er die Laute nicht unterscheiden. Die Analyse der Reaktionen zeigte den Wissenschaftlern um Engesser, dass die Rufe der Vögel zwar aus unterschiedlichen, wahrnehmbaren Lauten bestehen, diese aber im Einzelnen keine relevanten Informationen transportieren.

Demnach können wir daraus schließen, dass keiner der einzelnen Laute, die Bedeutung der Rufe tragen und demnach einzeln betrachtet bedeutungslos sind und nur Bedeutung generieren, wenn sie in einer bestimmten Art und Weise kombiniert werden.

Dr. Sabrina Engesser, Universität Zürich

Ganz ähnlich wie es in der menschlichen Sprache stattfindet. Also zumindest was das Prinzip angeht.

Sprache der Tiere nicht entschlüsselt

Dennoch sind wir weit davon entfernt, die Kommunikation der Tiere vollständig zu entschlüsseln, erklärt Stefan Leitner vom Max-Plank-Institut für Ornithologie in Seewiesen. Demnach ist es noch nicht möglich einzelne Bestandteile wie bei der menschlichen Sprache herauszufiltern – also etwa ob der Vogel sagt "Jetzt fliegen wir da zum Apfel" oder "Jetzt fressen wir die Mehlwürmer".

Das Prinzip mag ähnlich sein – von der Bedeutung ist man aber weit entfernt.

Stefan Leitner, Max-Plank-Institut für Ornithologie

Und dennoch hat die Studie nachgewiesen, dass die Fähigkeit, Laute zu bedeutungsvollen Signalen zu kombinieren, auch im Tierreich vorkommt. Das könnte ein Baustein sein, um die evolutionäre Entwicklung der menschlichen Sprache zu entschlüsseln.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 13. September 2019 | 09:52 Uhr