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Kommunikation ähnelt menschlichem PfeifenWie Forscher die Sprache der Delfine entschlüsseln

07. November 2021, 05:01 Uhr

Man schätzt, dass es um die 80 Pfeifsprachen auf der Welt gibt, doch nur zwölf von ihnen sind bislang annähernd erforscht. Dennoch entstand schon in den 1960er-Jahren die Idee, dass diese Pfeifsprachen vielleicht ein Modell sein könnten, um die Sprache der Delfine zu dekodieren. Denn das menschliche Pfeifen und die damit vermittelten Informationen lassen sich mit den Lauten von Meeressäugern wie Delfinen und Walen vergleichen.

von Peter Kaiser

Genau das ist im Fokus einer aktuellen Studie aus den USA. Hier suchen Forscher nach Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten in der Struktur menschlicher Pfeifsprachen mit den Klick- und Pfeiflauten von Delfinen und Walen. Ziel ist es, KI-basierte Algorithmen zu entwickeln, mit denen sich irgendwann eine Kommunikation zwischen Menschen und Delfinen und Walen herstellen ließe

Delfine nutzen Schwämme als Werkzeuge

"Wir wissen, dass Delfine einen Teil der Intelligenz nutzen, um ein kompliziertes Leben zu führen. Aber was wissen wir wirklich über ihren Intellekt?", fragt Prof. Denise Herzing von der Florida Atlantic University. Die Meeresforscherin wird auch "Jane Goodall der Meere" genannt und setzt sich mit ihrem "Wild Dolphin Project" für die Erforschung und den Schutz der Delfine ein.

"Kognitiv können Delfine künstlich erzeugte Sprachen verstehen", erklärt die Expertin. "Und sie erkennen sich selbst im Spiegeltest. In einigen Erdteilen setzen sie Werkzeuge ein, etwa Schwämme zum Fischfang. Doch eine große Frage bleibt: Haben sie eine Sprache, und wenn ja, worüber reden sie?"

"El Silbo" auf La Gomera könnte als Modell dienen

Menschliche Pfeifsprachen und die Laute der Delfine und Wale, beide Kommunikationsformen besitzen nicht nur Ähnlichkeiten, sondern wären womöglich auch wechselseitig zu verstehen. So könnte "El Silbo" auf La Gomera als Modell dienen, um Delfinsprache mit Hilfe von KI-Algorithmen zu dekodieren, sagt die Psychologin Prof. Diana Reiss vom Hunter College in New York.

Die Frage ist interessant, in welchem Verhältnis die Delfinsprache zu unserer Kommunikation steht.

Prof. Diana Reiss, Psychologin

Ist sie sehr unterschiedlich oder ist sie eher gleich, fragt sich Diana Reis. "Delfine bieten uns eine einzigartige Möglichkeit, eine Spezies mit Großhirn, die aber keine Primaten sind, zu studieren. Der andere Faktor ist: Wenn wir die Kommunikation verstehen würden, könnten wir ihnen auch besser den Respekt zubilligen, der ihnen zusteht."

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Menschen vereinfachen Wörter, in dem sie Silbe für Silbe in gepfiffene Melodien übertragen. Die Struktur, etwa stille Intervalle zwischen den Pfiffen, könnte Erkenntnisse dazu liefern, wie Delfine und Wale Informationen kodieren. Dazu untersuchen Forscher die kleinsten Einheiten der menschlichen Sprache, sogenannte Phoneme wie m, ts, pf, ä oder tsch. Per KI lässt sich aus großen Audiodaten dann nach Mustern in der Sprache, etwa der deutschen Sprache, suchen. Die deutsche Sprache benutzt 40 verschiedene solcher Phoneme. Tiersprachen verfügen ebenfalls über Phoneme. Gibbons zum Beispiel artikulieren sich mit 27 Phonemen. Reiht man die Gibbon-Phoneme aneinander, entsteht Sprache.

Delfine können sich beim Namen nennen

Delfine sind gesprächig. Sie klickern, pfeifen, rufen sich mit bestimmten Lauten, disziplinieren ihre Jungen, vertreiben Haie und nennen sich mit "Signaturpfiffen" beim Namen. Inzwischen weiß man auch, dass Delfine unsere Wörter und unsere Grammatik verstehen. Der Zoologe Louis Hermann vom Kewalo Marine Lab in Hawaii fand heraus, dass Delfine bis zu 40 verschiedene Begriffe und mehr als 1.000 Satzstellungen der menschlichen Sprache erkennen. Sogar Bedeutungswandel in Kommandos wie "bring die Person zum Surfbrett" und "bring das Surfbrett zur Person" wurden erkannt. Mit Hilfe von KI-Algorithmen auf der Grundlage der menschlichen Pfeifsprachen wollen die Forscher noch tiefer in das Kommunikationsgeschehen der Delfine vordringen. Doch warum?

Wenn wir Delfinstimmen entschlüsseln könnten, könnte uns das helfen, andere Tierstimmen ebenfalls zu entschlüsseln.

Prof. Diana Reiss

Was kann es in den Tiefen der Meere geben, von dem wir noch gar nichts wissen? Wie geht es den Delfinen, den Walen, all den anderen marinen Lebewesen derzeit da unten? Was halten sie von uns, was möchten sie uns mitteilen? Vielleicht wird es eines Tages Antworten auf diese und andere Fragen geben. Ob diese Antworten uns wohl dann gefallen werden?

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 05. November 2021 | 14:45 Uhr

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