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Seit Beginn der Pandemie gibt es kaum noch eine Corona-Talkshow ohne Virologen. Wie hier bei Anne Will Ende Januar 2021, als Hendrick Streeck (Virologe, Mitte) auf Karl Lauterbach (Epidemiologe) traf. Bildrechte: WDR/ Melanie Grande

Von der Nische ins RampenlichtVirologie: Hat die öffentliche Wahrnehmung die Wissenschaft beeinflusst?

24. März 2021, 16:48 Uhr

von Kristin Kielon

Kennen Sie Professor Christian Drosten? Ganz bestimmt, oder? Und vermutlich sagen ihnen auch die Namen Sandra Ciesek, Isabella Eckerle oder Hendrik Streeck etwas. Sie alle sind natürlich Virologinnen und Virologen – ein Teilbereich der medizinischen Forschung, für das sich die breite Öffentlichkeit vor der Corona-Pandemie kaum interessiert hat. Und heute kennt diese Forschenden das ganze Land. Seit Mittwoch (24.3.) treffen sie sich zu ihrem jährlichen Fachkongress. Welchen Einfluss hat die öffentliche Aufmerksamkeit, an der auch MDR WISSEN einen Anteil hat, aktuell zum Beispiel mit der großen Podiumsdiskussion zum Virologen-Kongress (siehe Link), auf die Wissenschaft? Und hat das den wissenschaftlichen Diskurs verändert?

Den Forschenden in der Virologie geht es gerade so ein bisschen wie sonst nur dem Bundestrainer: Es scheint 80 Millionen Virologie-Experten in Deutschland zu geben und alle wissen es besser. Virologie-Professor Thomas Schulz von der Medizinischen Hochschule Hannover nimmt die große öffentliche Aufmerksamkeit eher gelassen hin. Beeinflusst ihn das nicht – macht das nichts mit ihm? Nein, antwortet Schulz. Mit ihm persönlich mache das nichts.

Die Wertschätzung der Virologie ist in Wellen verlaufen. Sie ist immer mal höher gewesen, wenn wir mal wieder ein Problem gehabt haben. Und das geht auch manchmal den Bakteriologen so. Manchmal sind die Top of the Pops. Das ist halt jetzt eine besonders große Geschichte und deshalb sind die Virologen jetzt populär.

Prof. Thomas Schulz, Medizinische Hochschule Hannover

Professor Thomas Schulz, Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), Hannover Bildrechte: MHH/ Nico Herzog

Den wissenschaftlichen Diskurs hat diese Popularität allerdings nicht massiv verändert, ergänzt Schulz. Und das, obwohl es mittlerweile fast normal geworden ist, dass Studien schon veröffentlicht werden, bevor sie von anderen Forschenden des Fachs auf ihre Qualität und Aussagekraft hin begutachtet wurden. Doch diese Begutachtung passiert im Fall dieser sogenannten Pre-Prints einfach schon mehr in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit, meint Schulz. Man müsse da halt etwas kritischer lesen als sonst, sagt Prof. Schulz. "Aber ich glaube, da gibt es keinen fundamentalen Unterschied."

Dennoch räumt Schulz ein, dass die eine oder andere Studie ohne die Pandemie wohl anders oder gleich gar nicht gemacht worden wäre. "Da sind sicher auch Sachen mal schneller veröffentlich worden oder sagen wir: Schneller ist damit in die Öffentlichkeit gegangen worden, als man das früher vielleicht gemacht hätte", sagt Prof. Schulz. Heute spielt auch die Geschwindigkeit eine Rolle, denn "die Diskussion ist extrem schnell".

Also wenn man früher gesagt hat: Okay jetzt mach ich die Studie noch größer oder ich nehme noch eine weitere Kontrollgruppe dazu oder sowas, das kann man sich fast nicht mehr leisten, weil dann ist das Thema schon wieder weitergegangen.

Prof. Thomas Schulz

Schulz bilanziert, dass es einerseits gut war, dass viel Forschung recht unbürokratisch auf den Weg gebracht wurde – dadurch andererseits aber nicht alle Arbeiten den höchsten Qualitätsansprüchen genügten. Die größte Veränderung hätten aber die Kolleginnen und Kollegen erlebt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die wissenschaftlichen Erkenntnisse an die Öffentlichkeit zu kommunizieren. Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe ist wohl Charité-Professor Christian Drosten. Dass ihn heute Menschen auf der Straße erkennen, ist ihm eigentlich ziemlich unangenehm, sagte er im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Doch er empfinde es nach wie vor als seine Pflicht, als einer von nur wenigen Experten auf dem Gebiet der Coronaviren in Deutschland, die Öffentlichkeit mit Informationen zu versorgen:

Professor Christian Drosten, Direktor des Intituts für Virologie am Charité-Uniklinikum Berlins Bildrechte: imago images / xim.gs

In dieser Anfangszeit, (…) da hatte ich wirklich so bisschen das Gefühl, das ist so ein Dienst am Steuerzahler, der meine Forschung seit 20 Jahren finanziert, jetzt gebe ich dem mal was zurück und sag mal der Allgemeinheit, wie man die Dinge einschätzen kann, wenn man seit 20 Jahren an dem Thema arbeitet. Das haben, glaube ich, von den Rezipienten viele auch verstanden (…) und ich habe das Gefühl, dass im Journalismus das gar nicht so verstanden wurde.

Prof. Christian Drosten, Charité Berlin

Da habe man wohl eher gedacht, er wolle berühmt werden, mutmaßte Drosten. Dabei bringe ihm das beruflich eher Nach- als Vorteile. Und auch Schulz bestätigt, dass diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die viel in den Medien auftauchen, natürlich im Gespräch sind – positiv wie negativ. Und auch die Anfeindungen, mit denen diese sich teilweise konfrontiert sehen, sind durchaus ein Thema, über das untereinander gesprochen wird.

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