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Ist das nun gut oder schlecht? Toastbrot, also ein stark verarbeitetes Nahrungsmittel zusammen mit einem frischen Belag. Bildrechte: World Obesity Federation

Kohlenhydrat-Insulin-ModellAdipositas-Theorie: Nicht wie viel, sondern was wir essen, setzt Kilos an

13. Oktober 2021, 11:03 Uhr

Nicht wie viel, sondern was wir essen, beschert uns die freundlichen Rundungen rund um die Hüfte oder die Oberschenkel. Das sagt ein US-Forschungsteam, das die bisherige Erklärung für krankhaftes Übergewicht, mehr Energiezufuhr als Verbrauch, für mangelhaft hält.

Dass die Menschheit ein schweres Problem hat, zeigen regelmäßige Gesundheitserhebungen. 61,6 Prozent der erwachsenen Männer und 46,7 Prozent der erwachsenen Frauen in Deutschland haben Übergewicht, heißt es in diesem Bericht des Robert-Koch-Institutes von 2017. Demnach leben 19 Millionen Menschen, also knapp ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland, mit Übergewicht.

Wie Übergewicht heute erklärt wird

Jugendliche haben bisweilen einen erstaunlichen Kalorienbedarf Bildrechte: imago/Westend61

Aber wie kommt das eigentlich, dass viele Menschen schwerer sind, als es für sie gesund ist? Bislang wird das mit dem Modell der Energiebilanz erklärt: Also, dass wir mehr Energie zu uns nehmen als wir verbrauchen. Anschaulich gesagt, wir ernähren uns so, als ob wir jeden Tag stundenlang Holz hacken, Möbel schleppen oder Pflastersteine verlegen, ohne dass tatsächlich zu tun. Aber stimmt dieses Modell tatsächlich, bewegen sich die Menschen tatsächlich zu wenig und essen zu viel? Dr. David Ludwig, Endokrinologe am Boston Children's Hospital und Professor an der Harvard Medical School, fordert ein Umdenken. Seine Überlegung: "Während eines Wachstumsschubs zum Beispiel können Jugendliche die Nahrungsaufnahme um 1.000 Kalorien pro Tag erhöhen. Aber verursacht das übermäßige Essen den Wachstumsschub oder verursacht der Wachstumsschub, dass Jugendliche hungrig werden und zu viel essen?"

Warum das heutige Erklärungsmodell für Übergewicht fraglich ist

Die Studienarbeit von Ludwig und 17 weiteren Kolleginnen und Kollegen, die im Fachmagazin "The American Journal of Nutrition" veröffentlicht wurde, sieht das Kohlenhydrat-Insulin-Modell als bessere Erklärung für Gewichtzunahme und Adipositas.

Man sollte die Kausalkette umgekehrt betrachten, was passiert da eigentlich mit den stark verarbeiteten Lebensmitteln in unserem Körper, die schnell verdauliche Kohlenhydrate enthalten? Raffiniertes Getreide etwa, Kartoffelprodukte, oder Produkte mit konzentriertem Zucker, wie sie die Forscher erwähnen.

Die treiben einen fatalen Kreislauf an: Der Körper erhöht bei erhöhter Kohlenhydratzufuhr die Insulinausschüttung. Das führt dazu, dass die Glukagon-Ausschüttung unterdrückt wird. Das wiederum signalisiert den Fettzellen, los Leute, Kalorien einlagern! Mit dem Ergebnis, dass weniger Kalorien für die Versorgung der Muskeln und anderer stoffwechselaktiver Gewebe da sind. Für das Gehirn ein klares Signal: Aha, der Körper kriegt nicht genug Energie, Alarm! Hunger! Und auch der Stoffwechsel kann sich verlangsamen, weil der Körper versucht, Energie zu sparen. Was also zusammen erklärt, dass wir hungrig bleiben, selbst wenn wir überschüssiges Fett ansetzen.

Forschung sagt: Wir brauchen einen Blickwechsel

Aber was bedeutet das nun für Menschen, die mit ihrem Gewicht ringen? Das Forschungsteam rät generell zu einem Diskurswechsel was die Ursachenforschung für Übergewicht angeht. Anstatt die Menschen dazu zu drängen, weniger zu essen - was laut der Forscher auf lange Sicht nicht funktioniert -, sollten auch die Mechanismen, die dazu führen, besser untersucht werden: Die Nahrung an sich, aber auch ihr Einfluss auf den Hormonhaushalt und den Stoffwechsel. Wenn diese Mechanismen aufgedeckt sind, können neue Strategien und Ansätze gegen das XXL-Körpergewicht entwickelt werden.

Bei Übergewicht sollte man nicht die Nahrungsmenge, sondern das Essen an sich angucken, sagt ein US-Forschungsteam. Bildrechte: imago/teutopress

Die Studienarbeit "The carbohydrate-insulin model: a physiological perspective on the obesity pandemic" lesen Sie hier im Original.

In der Datenbank der Adipositas Selbsthilfe Interessengemeinschaft finden Sie Hinweise auf Selbsthilfegruppen und medizinisches Fachpersonal in Deutschland, Österreich und der Schweiz.  

(lfw)

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