Kommentar Bundesparteitag der AfD: Extrem und machthungrig

31. Juli 2023, 10:41 Uhr

Radikal, rechts und stolz darauf. So präsentiert sich die AfD auf ihrem 14. Bundesparteitag in Magdeburg. Flügelkämpfe sollen der Vergangenheit angehören. Die neue Losung lautet: Harmonie. Die hohen Umfragewerte schweißen die Partei zusammen. Widersprüche werden weggejubelt. Die AfD will nach der Macht greifen, nicht nur in Deutschland, auch in der EU. Um sich an die Verwirklichung dieser ambitionierten Ziele zu machen hat die AfD zwar viele Kandidaten, aber keinen Plan.

Torben Lehning
Bildrechte: MDR/Tanja Schnitzler

Blitzlichtgewitter in der Menschentraube. Björn Höcke fährt mit zwei Limousinen vor und betritt Halle 2 auf dem Magdeburger Messeglände. Zeit für ein Bad in Menge. Vorbei sind die Zeiten, in denen man nicht mit Höcke gesehen werden wollte. Und selbst denen, die mit Höcke nichts anfangen können ist seit dem vergangenen Parteitag in Riesa klar: Ohne ihn und seine rechts-nationalen Unterstützer aus den Ostverbänden wird in der AfD niemand mehr etwas.

Ohne Höcke kein Bundesvorstand, ohne Höcke keine Inhalte, ohne Höcke keine Mehrheiten. Der Thüringer Landeschef, der gerichtlich-bestätigt Faschist genannt werden darf, ist aber nicht mehr der einzige Star aus seinem gesichert rechtsextremen Landesverband. Draußen bei den Bierbänken signiert Robert Sesselmann Wahlplakate. Der frisch gewählte Landrat von Sonneberg, wird herzlich umgarnt. Selfies und Segenswünsche. Die Stimmung in Magdeburg ist gut.

Die neue Harmonie

Graben und Flügelkämpfe prägten die vergangenen Parteitage. Die sogenannten moderaten Kräfte der Partei sind verstummt. Wer den völkisch-rechten Kurs nicht mittragen will, ist entweder gegangen oder mittlerweile im falschen Verein.

Ohne Widersprüche, gibt es herzlich wenig zu Zanken. Und tatsächlich: Streit auf offener Bühne sucht man in Magdeburg vergebens. Die hohen Umfragewerte im Bund besänftigen die Gemüter. Bundessprecher Tino Chrupalla nennt das schwärmerisch "die neue Harmonie in der AfD". Chrupalla ist sich sicher: Einigkeit bringt Erfolg. Die Marschroute ist klar: es gilt Umfragewerte in Wahlerfolge umzumünzen. Die AfD hat Machthunger.

Die letzte Brandmauer

Für Parteichefin Weidel ist klar, dass es für die AfD nur noch eine Brandmauer einzureißen gilt, dann könne der Siegeszug der AfD im Bund beginnen. Diese Brandmauer trägt laut Weidel einen Namen: die ostdeutsche CDU. Die Messehalle jubelt, der Plan gefällt. Hört man sich bei den Delegierten der AfD-Ostverbände um, herrscht große Siegesgewissheit. Jeder hatte schon Kontakte mit CDU-Landtagsabgeordneten, die "ja eigentlich viel lieber mit uns zusammenarbeiten würden".

Was auf kommunaler Ebene nicht erst seit der Sonneberg-Wahl passiert, gilt es salonfähig zu machen – politische Zusammenarbeit mit anderen Parteien. Die AfD will der Union die Hand reichen. Chrupalla breitet die Arme aus und ruft: "Ich rufe allen Patrioten in der CDU zu, reißt diese schwarz-grüne Mauer nieder."

Dass die Ost-CDU-Verbände solche Freundschaftsangebote annehmen, scheint ob der zur Schau gestellten Radikalität der AfD eigentlich unmöglich. Doch schien es vielen Beobachtern auch bis vor kurzem noch unmöglich, dass der sächsische Ministerpräsident einen "pragmatischen Umgang mit der AfD" einfordern könnte. In der AfD nimmt man die losgetretene Unionsdebatte mit freudiger Erregung wahr.

Rechter Siegeszug

Der Parteiräson gemäß setzen sich bei der Aufstellung der Europaliste der AfD völkisch-nationale Kandidaten durch. Der neue Spitzenkandidat Maximilian Krah macht zu Beginn seiner Rede klar, dass "in Riesa die Richtigen gewonnen" hätten. Die Richtigen sind für den sächsischen Kandidaten klar am rechten Rand, da wo sich Krah auch selbst verortet. In Europa will dieser sich von rechtsextremen Partner-Parteien "eine Scheibe abschneiden", der EU den "Stecker ziehen".

Der auf Platz zwei gewählte Petr Bystron überzeugt die 600 Delegierten mit antisemitischen Verschwörungserzählungen. Die Partei brauche jemanden, der für Freiheit kämpfe und die Spitzenkandidatin der Partei Die Linke in den Knast stecke.

Viele Kandidaten aber keinen Plan

Was die AfD politisch in Europa umzusetzen gedenkt, bleibt allerdings äußerst kryptisch. Soll Deutschland in der EU bleiben, austreten oder die EU gar auflösen? Von den Delegierten bekommt man auf diese Fragen äußerst unterschiedliche Antworten. Im Programmvorschlag des Bundesvorstands wird eine geordnete Auflösung der EU gefordert. Kurz vor Beginn des Parteitages widerruft der Bundesvorstand jedoch seinen eigenen Vorschlag. Da sei ein redaktioneller Fehler unterlaufen, erklärt Bundessprecherin Weidel. Die Bundesspitze stehe geschlossen für eine Reform der EU.

Der starke Mann in der AfD hat andere Pläne. "Die EU muss sterben, damit Europa leben kann", fordert Björn Höcke und verfremdet somit abermals eine nationalsozialistische Parole. Außerdem müsse Deutschland aus der NATO austreten. Es sei noch viel Programmarbeit zu leisten.

Eine gemeinsame Linie ist nicht erkennbar. Die scheint in der AfD aber auch längst nicht mehr vonnöten zu sein. Wer braucht gemeinsame Vorstellungen von Politik, wenn jede und jeder mit Verschwörungstheorien um sich werfen darf, um seine Aussagen jederzeit nach Gutdünken zu widerrufen. Wer die AfD unterstützt oder wählt, wählt ein Gefühl und die Gewissheit eine radikal rechte Ideologie zu unterstützen. Inhalte scheinen da zweitrangig.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 29. Juli 2023 | 19:30 Uhr

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