Freitag, 30. Oktober 2020: Süßes oder Saures
Süßes oder Saures! So unverhohlen wird man nur selten aufgefordert, Gutes zu tun.
Die Kinder stehen verkleidet vor der Tür; machen sich einen Spaß daraus, ihre gruseligen Kostüme zu präsentieren und zu drohen. Du gibst uns Süßes, sonst gibt es Saures. Wer lässt sich nicht gern auf das fröhliche Treiben der Kinder ein und hält eine Kleinigkeit bereit.
Gutes tun. Martin Luther hat sich darüber Gedanken gemacht. In einer Schrift aus dem Jahr 1520, also vor 500 Jahren spricht er "Von den guten Werken". Die Menschen seiner Zeit damals lebten in Angst vor ewiger Strafe. Gute Werke könnten Gott besänftigen und das ewige Heil herbeiführen. Die Kirche seiner Zeit beschrieb im Detail, welche guten Taten die meisten Pluspunkte gab. Auch Geldzahlungen gehörten dazu. Luther wandte sich entschieden gegen diese Praxis. Er entlarvte nicht nur eine falsche kirchliche Lehre. Er entdeckte auch, dass es im Menschen so etwas wie einen natürlichen Trieb gäbe, das Ansehen vor Gott durch gute Taten aufzupolieren. Schon darin liegt der Fehler. Wenn ich nur etwas Gutes tue, damit ich gesehen werde, ist schon etwas falsch. Gute Werke sollen aus Liebe geschehen, die keine Gegenleistung erwarten, auch nicht das stille Schulterklopfen des Wohltäters bei sich selbst.
Vor Gott zählt als gutes Werk nur der Glaube daran, dass wir uns ihm ganz und gar verdanken und darauf vertrauen, dass er es gut mit uns meint. Wer das weiß, wird auch anderen Gutes tun. Einfach so, nicht aus Angst, nicht aus schlechtem Gewissen, nicht aus innerer oder äußerer Nötigung.
Süßes oder Saures – Lächeln wir über diese harmlose Drohung und lassen den Kindern ihre helle Freude.
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