Mittwoch, 28.10.2020: Freiheitsrechte

"Wer behauptet: Hier herrscht Freiheit, der lügt", sagt der Dichter Erich Fried, "denn Freiheit herrscht nicht."

Wir leben in einem Land, in der Freiheit zu einem der höchsten Werte gehört. Und wir erleben derzeit, dass wesentliche Freiheitsrechte eingeschränkt werden, zum Teil als Empfehlung, zum Teil aber auch gesetzlich verordnet, weil die Risiken der Pandemie beherrschbar bleiben sollen. Hygienische Vorschriften, begrenzte Versammlungsverbote, Reiseeinschränkungen und Auflagen für Handel und Wirtschaft. Viele empören sich, weil die Freiheit nicht nur ein kostbares, sondern auch ein selbstverständliches Gut im Alltag unserer Gesellschaft geworden ist.

Vor 500 Jahren hat Martin Luther über die Freiheit nachgedacht. Im Jahr 1520 schreibt er über die "Freiheit eines Christenmenschen". Und er beginnt seine Abhandlung mit einem Doppelsatz, der paradox klingt:

Ein Christenmensch ist ein Herr über alle Dinge und niemandem untertan. Und ein Christenmensch ist ein Knecht aller Dinge und jedermann untertan.

Genau in unserer Situation heute zeigt sich, was gemeint ist. Im religiösen Sinne sind wir unendlich frei. Der Glaube an den barmherzigen Gott macht unabhängig von aller Willkür, Ungerechtigkeit oder Angst. Luther selbst hat das erfahren als er gezwungen werden sollte, einige seiner Schriften zu widerrufen. Und wenn eine Demokratie wie unsere heute, Freiheitsrechte sogar ins Grundgesetz schreibt, dann ist das eine Riesenerrungenschaft.

Aber Freiheit gilt auch heute nicht grenzenlos. Die Freiheit des Einzelnen endet bei der Fürsorge für den Nächsten. Die Freiheit erfüllt sich geradezu darin, dass wir zu Dienern für das Wohlergehen des Anderen werden. Wir sind niemandes Knecht und zugleich jedermanns Knecht, sagt Luther in alter Sprache.

Und auch neoliberales Wirtschaften muss sich daran messen lassen, ob es noch sozial ist. Soziale Marktwirtschaft ist etwas anderes als maßlose Gewinnmaximierung.

Freiheit herrscht nicht, auch nicht in einer Demokratie. Sie bleibt angewiesen auf die kreative Gestaltung der Menschen, die das Wohl auch des Anderen immer im Blick behält.

Das Wort zum Tag spricht in dieser Woche:

Kurzbiographie Samuel-Kim Schwope

Samuel-Kim Schwope

am 17.02.1988 geboren | verheiratet, ein Kind | aufgewachsen in Dresden | 2009-2014 Studium der Theologie in Erfurt und Freiburg i.Br., | 2014-2018 Gemeindeassistent und -referent in der Verantwortungsgemeinschaft Leipzig-Nord | seit 2016 Freistellung zum Aufbaustudium in Erfurt | seit 2018 Persönlicher Referent des Bischofs von Dresden-Meißen

Verantwortlich für Verkündigungssendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie das Wort zum Tag...

... sind die Senderbeauftragten der evangelischen Landeskirchen, der evangelischen Freikirchen bzw. der römisch-katholischen Kirche.