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Nach BundestagBundesrat billigt Nato-Beitritte, Aus von Paragraf 219a und Bafög-Reform

08. Juli 2022, 20:22 Uhr

Mehr Kohlekraftwerke sollen zur Stromerzeugung genutzt werden, um Gas zu sparen. Ärztinnen und Ärzte dürfen künftig ungestraft über Schwangerschaftsabbrüche informieren und Bafög-Empfänger erhalten künftig mehr Geld. Außerdem sollen Finnland und Schweden Nato-Mitglieder werden. Das hat der Bundesrat am Freitag beschlossen.

Nach dem Bundestag hat nun auch der Bundesrat grünes Licht für wichtige Neuerungen gegeben. Die Beschlüsse im einzelnen:

Gesetzespaket zur Energiesicherheit

Nach dem Ja vom Bundestag hat auch der Bundesrat das Gesetzespaket zur Energiesicherheit in Deutschland gebilligt. Die Länderkammer votierte am Freitag unter anderem für Pläne, Kohlekraftwerke aus der Reserve zu holen und sie zur Verstromung einzusetzen, um so Gas zu sparen. Außerdem dürfen Energiefirmen bei einer Gasmangellage höhere Preise weiterreichen. Staatshilfen für strauchelnde Energiekonzerne wurden zudem erleichtert.

Der Bundesrat stimmte außerdem für die neuen Ausbauziele für Erneuerbare Energien und die dafür nötigen Änderungen unter anderem des Naturschutzgesetzes, damit die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden können. Teil des Gesetzespakets sind ferner Änderungen des Energiewirtschaftsrechts, das den Ausbau von Stromnetzen und Elektroladesäulen sowie eine stärkere Beobachtung der Kraftstoffpreise vorsieht.

Paragraf 219a gestrichen

Der Bundesrat hat außerdem das Gesetz zur Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen gebilligt. Danach können Ärztinnen und Ärzte künftig auch über die Methoden eines Schwangerschaftsabbruchs informieren, ohne dafür mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen zu müssen. Der Bundestag hatte das Gesetz im Juni beschlossen.

Der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches hatte bis dahin das Anbieten, Ankündigen oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen untersagt, wenn dies aus finanziellem Vorteil heraus oder in grob anstößiger Weise geschieht. Irreführende Werbung soll demnach jedoch durch eine Änderung im Heilmittelwerbegesetz weiter verboten bleiben. So solle sichergestellt werden, dass die Aufhebung des Werbeverbots nicht zu Lücken im grundrechtlich gebotenen Schutzkonzept für das ungeborene Leben führt, heißt es in der Gesetzesbegründung. Weiter sieht das Gesetz eine Rehabilitation früherer Verurteilter vor. Strafgerichtliche Urteile, die seit dem 3. Oktober 1990 wegen Werbung für den Schwangerschaftsabbruch ergangen sind, sollen demnach aufgehoben und noch laufende Verfahren eingestellt werden.

Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens

Als erster Nato-Mitgliedsstaat hat Deutschland den Beitritt Schwedens und Finnlands zum transatlantischen Bündnis ratifiziert. Nach dem Bundestag stimmte auch der Bundesrat der Nord-Erweiterung der Allianz am Freitag mit großer Mehrheit zu.

Für die Aufnahme Finnlands und Schwedens in das transatlantische Bündnis votierten im Bundestag die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und Union. Die AfD-Fraktion stimmte weitgehend zu, die Linke dagegen. Damit die Aufnahme vollzogen ist, muss die Ratifizierung in allen 30 Mitgliedstaaten der Nato erfolgen.

Bafög-Reform

Bafög-Empfänger erhalten künftig mehr Geld. Auch das hat der Bundesrat am Freitag beschlossen. Der sogenannte Grundbedarfssatz steigt damit um 5,75 Prozent auf 452 Euro im Monat. Der Wohnkostenzuschlag für Studierende, die nicht im Elternhaus wohnen, erhöht sich um elf Prozent von 325 Euro auf 360 Euro. Der Förderungshöchstsatz inklusive Wohnkostenzuschlag steigt damit von 861 Euro auf 934 Euro - eine Steigerung von mehr als acht Prozent.

Alle Bafög-Geförderten, die auswärts wohnen, bekommen eine Einmalzahlung für einen Heizkostenzuschuss in Höhe von 230 Euro. Der Kinderbetreuungszuschlag steigt von 150 Euro auf 160 Euro. Außerdem sollen verschiedene Freibeträge angehoben werden: Der für das eigene Vermögen der Bezieherinnen und Bezieher etwa soll auf 15.000 Euro für unter 30-Jährige und auf 45.000 Euro ab 30 Jahren steigen. Statt wie bisher ab 2.000 Euro soll das Einkommen von verheirateten Elternteilen künftig erst ab 2415 Euro auf den Bafög-Anspruch des Kindes angerechnet werden. Die Möglichkeit, Darlehensschulden nach 20 Jahren zu erlassen, gilt künftig auch für jene, die dies nicht innerhalb der gesetzten Frist nicht beantragt hatten.

Weniger Zinsen bei Steuernachzahlungen

Bei Steuer-Nachzahlungen werden künftig weniger Zinsen fällig. Auch dafür gab der Bundesrat am Freitag grünes Licht. Konkret müssen rückwirkend zum 1. Januar 2019 nur noch 1,8 statt 6,0 Prozent pro Jahr gezahlt werden. In gleichem Maß sinkt aber auch der Zinssatz, von dem Steuerzahler bei einer Rückerstattung vom Finanzamt profitieren.

Die Zinsen gibt es bei der Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer. Sie werden fällig, wenn sich eine Steuernachzahlung oder -erstattung um mehr als 15 Monate verzögert. Im ersten Fall profitiert der Fiskus, im zweiten der Steuerzahler. Wegen der jahrelangen Niedrigzinsphase hatte das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr die ungewöhnlich hohen Steuerzinsen von jährlich 6 Prozent für verfassungswidrig erklärt.

Weitere Beschlüsse

Der Bundesrat hat außerdem zugestimmt, die Regeln für die Auftragsvergabe für die Streitkräfte bis Ende 2026 zu lockern. Damit können die zuständigen Vergabestellen schneller Aufträge erteilen und Material beschaffen. Dies soll auch die Nutzung der Mittel aus dem 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen zur Stärkung der Bundeswehr erleichtern.

Die wegen der Corona-Pandemie geschaffene Möglichkeit, dass Aktiengesellschaften ihre Hauptversammlungen virtuell abhalten können, wird um ein Jahr verlängert. Sie wäre sonst am 31. August ausgelaufen. Die Entscheidung zur Online-Hauptversammlung trifft der Vorstand, der Aufsichtsrat muss zustimmen.

Das ebenfalls gebilligte Energiewirtschaftsgesetz sieht neben einem beschleunigten Netzausbau auch mehr Verbraucherrechte gegenüber Energielieferanten sowie eine schärfere Beobachtung der Tankstellen vor.

Keine Übergewinnsteuer

Die Forderung von Thüringen und drei anderen Bundesländern nach einer Sondersteuer auf hohe Zusatzgewinne von Unternehmen durch den Ukraine-Krieg fand keine Mehrheit in der Länderkammer. Auch die Bundesregierung ist in der Frage gespalten: Während sich SPD und Grüne offen zeigen, lehnen die FDP und Finanzminister Christian Lindner eine solche Steuer klar ab.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 08. Juli 2022 | 12:00 Uhr