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Der Schwung der Anfangsmonate in der Ampel-Koalition: verflogen. Robert Habeck, Olaf Scholz und Christian Lindner mussten im Jahr 2023 immer häufiger tiefe Gräben zwischen ihren Parteien zuschütten. Bildrechte: ARD-Hauptstadtstudio/Reiner Freese/dpa

Politischer Jahresrückblick2023: Ampelphase Krisenmodus

16. Dezember 2023, 05:05 Uhr

Am Jahresanfang konnte die Koalition aus SPD, Grünen und FDP noch Erfolge feiern. Doch die Konflikte spitzten sich immer weiter zu – bis das Haushaltsurteil drohte, die "Ampel" zu sprengen. Kristin Schwietzer analysiert.

Jeder gute PR-Stratege weiß: Nicht die Krise ist das Problem, sondern wie man ihr begegnet – am besten mit guter Kommunikation. Gerade das lässt bei SPD, Grünen und FDP oftmals zu wünschen übrig. Die Ampel rutscht von einer Krise zur nächsten. Krisenmodus, das Wort des Jahres, passt wohl auch deshalb zu den drei Koalitionären. In manche Krise schlitterte die Ampel dabei unverschuldet. Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen belasten die Ampel-Koalition auch 2023.

Das Ringen um das Heizungsgesetz

Dabei sah es Anfang des Jahres ganz gut aus für die Ampel. Scholz, Habeck und Lindner sind unter den Top 5 im Politiker-Ranking der Umfragen. Ende Januar bringt die Ampel ihre Wahlrechtsreform auf den Weg. Die soll den Bundestag begrenzen. Dafür beschneiden SPD, FDP und Grüne die Direktmandate und damit ganz nebenbei auch die Machtbasis von CDU und CSU. Ein zur Schau getragener Triumph – vor allem für Grüne und Liberale. Sieht fast noch ein bisschen nach Einigkeit aus. Doch die Unterschiede zeigen sich schon zwei Monate später.

Ein Koalitionsausschuss der Ampel wird plötzlich zur Dauersitzung. Zwei Tage lang ringt die Ampel um Einigkeit. Der Grund: Differenzen bei grundsätzlichen Dingen. Die Grünen wollen die Kindergrundsicherung und das Heizungsgesetz. Die FDP will sparen und die SPD wartet ab, was die anderen wollen. Der Kanzler versucht zu moderieren, mit mäßigem Erfolg. Die Kommunikation aus dem Kanzleramt wirkt hilflos bis vorwurfsvoll. Bei einer Pressekonferenz wirft der Kanzler den Journalisten vor, sie hätten bei ihren Analysen "Topfschlagen" betrieben.

Konflikte werden zum Dauerstreit

Was folgt, ist ein öffentlicher Dauerstreit, der alles überschattet. Die Eckdaten für das im Hause Habeck geplante Heizungsgesetz werden an die Öffentlichkeit durchgesteckt. Daraus wird eine monatelange Debatte über Unausgegorenes. Zu viel Klimaschutz zu Lasten der Bürger, schimpfen die Liberalen. Wer soll das bezahlen, fragen sich weite Teile der SPD. Es rumst in der Koalition. Dazwischen platzt noch der Ärger der Kommunen, die sich in der Flüchtlingspolitik vom Bund im Stich gelassen fühlen: keine Quartiere mehr, kein Geld mehr. Viele Bürgermeister sind sauer und überfordert. Die Vorstellungen über den Umgang damit gehen in der Koalition mal wieder auseinander. Grüne und linke Migrationspolitik trifft auf liberale Ordnungspolitik.

Bürgerinnen und Bürger wünschen sich Machtwort von Scholz

Der Kanzler müsse öfter ein Machtwort sprechen. Das wünschen sich viele Bürger. Im Juni geben laut Infratest Dimap 84 Prozent der Befragten an, dass Olaf Scholz in der Bundesregierung die Richtung klarer vorgeben müsste. Einmal hatte Scholz schon von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht, beim Streit über das Abschalten der drei verbliebenen Atomkraftwerke. Inflationär wolle er das aber nicht gebrauchen. So hat Olaf Scholz das einmal bei einem Bürgertalk in Hamburg formuliert: "Das ist dann so wie jemand, der ununterbrochen mit irgendwas auf den Tisch haut und sich am Ende zum Arzt begeben muss, wegen der Behandlung seiner Faust."

Laut auftreten ist nicht des Kanzlers Sache. Scholz moderiert lieber und verhandelt, bis der Erste umfällt. Durchhaltevermögen ist seine Stärke. Scholz verhandelt gern hinter den Kulissen. Die Menschen aber wünschen sich sichtbare Führung.

Der Streit um den Haushalt

Bei der Haushaltsplanung im Sommer unterstützt er seinen FDP-Finanzminister beim Gürtel-Enger-Schnallen. Trotz Rekord-Steuereinnahmen muss die Ampel sparen. Das zeichnet sich schon im Sommer ab. Lindner tritt dafür gemeinsam mit Scholz den Ministerinnen und Ministern abwechselnd auf die Füße. Auch das eskaliert mal wieder öffentlich.

Lisa Paus, die Bundesfamilienministerin, will einen zweistelligen Milliardenbetrag für die geplante Kindergrundsicherung. Der Finanzminister mahnt zum Sparen und gewährt nur 2,4 Milliarden Euro. Das Echo kommt prompt. Im Gegenzug droht die grüne Ministerin mit einer Blockade eines FDP-Gesetzes. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sieht milliardenschwere Entlastungen für Unternehmen vor. Die Ministerin will dagegen im Kabinett ihr Veto einlegen. Wieder muss der Kanzler vermitteln. Das Ergebnis in der Sommerpause: schlechte Umfrageergebnisse für die Ampel.

Die Schelte aus Karlsruhe

Und damit nicht genug. Im Herbst kommt auch noch Ungemach aus Karlsruhe: Der Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung ist so nicht zulässig, erklären die Richter vom Bundesverfassungsgericht. Das heißt: Jetzt wird auch noch das Geld knapp. Wieder muss verhandelt werden. Wieder sitzen Scholz, Lindner und Habeck im Kanzleramt zusammen. Wer kann was geben? 17 Milliarden müssen irgendwo herkommen. Es wird zäh, kleinteilig und langatmig. Und am Ende hart für Industrie und Bürger.

Durch den höheren CO2-Preis könnte Tanken und Heizen teurer werden. Das verfängt bei den Menschen. Dass es dabei auch Entlastungen gibt, zum Beispiel bei der Einkommenssteuer, verpufft geradewegs. Auch das hätte man nach dem langen Ringen um Einigkeit wohl besser erklären können und müssen. Dazu kommen schlechte Persönlichkeitswerte für Olaf Scholz. Nur 23 Prozent der Deutschen attestieren dem Kanzler Führungsstärke im Krisenmanagement. Jetzt also werden Scholz und Co. über Weihnachten auch in den eigenen Wahlkreisen noch Überzeugungsarbeit leisten müssen, um das über das Jahr verspielte Vertrauen wieder einzufangen.

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 13. Dezember 2023 | 19:30 Uhr

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