BundeswehrZahl der Kriegsdienstverweigerer in Deutschland verfünffacht
Trotz ausgesetzter Wehrpflicht hat sich die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in Deutschland im Jahr 2022 auf 1.123 verfünffacht. Neben Reservisten und Berufssoldaten reichen auch Ungediente ihre Verweigerung ein – auch wenn sie dafür erstmal zur Musterung müssen. Und: Wer in Deutschland den Kriegsdienst verweigern will, muss lange Antragszeiten in Kauf nehmen.
- Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer hat sich verfünffacht.
- Bundeswehr: Zahl aber wieder rückläufig.
- Auch Ungediente reichen ihre Verweigerung ein.
- Kriegsdienst ist nicht gleich ausgesetzte Wehrpflicht.
Obwohl die Wehrpflicht in Deutschland seit 2011 ausgesetzt ist, gibt es hierzulande immer mehr Menschen, die den Kriegsdienst aktiv verweigern – mit langer Wartezeit.
Wie der Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft, Klaus Pfisterer, MDR AKTUELL sagte, gibt es derzeit bei der Bundeswehr nur sieben Mitarbeiter, die über die jährlich mehr als 1.000 Anträge entscheiden. Deshalb könne die Bearbeitung eines Falls bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen. Anträge von Soldaten werden Pfisterer zufolge vorrangig behandelt. Sie würden vom Waffendienst sofort befreit und bekämen andere Aufgaben.
Zahl der Kriegsdienstverweigerer verfünffacht
Die Bundesregierung hatte zuvor mitgeteilt, dass sich die Zahl der Kriegsdienstverweigerer in Deutschland seit Beginn des Ukraine-Kriegs verfünffacht hat. Wie aus einer Kleinen Antwort auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke hervorgeht, die dem digitalen Medienhaus Table.Media am Freitag vorlag, stieg die Zahl von 142 Anträgen im Jahr 2020 und 209 Anträgen im Jahr 2021 auf 1.123 Anträge im zurückliegenden Jahr 2022. Unter den Antragstellern 2022 waren dem Bericht zufolge 450 Ungediente, 438 Reservisten, 226 Zeitsoldaten, acht Berufssoldaten und ein freiwillig Dienstleistender.
Bundeswehr: Zahl der Kriegsdienstverweigerer wieder rückläufig
Auch im laufenden Jahr gingen bis zum 30. April 2023 schon 672 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung bei der Bundeswehr ein. Allerdings teilte die Bundeswehr auf Anfrage von MDR AKTUELL schriftlich mit: "Nach Ausbruch des UKR-Krieges war zunächst ein Anstieg an Anträgen auf Kriegsdienstverweigerung zu verzeichnen. Dieser erreichte kurzfristig im Monat März 2022 einen Höhepunkt, seither ist die Entwicklung wieder rückläufig mit gelegentlichen Schwankungen."
Wie der Kriegsdienst verweigert werden kann
Wer in Deutschland den Kriegsdienst verweigern will, muss ganz formell einen Antrag bei der Bundeswehr stellen. Dass die Wehrpflicht ausgesetzt ist, spiele dabei keine Rolle, sagt Michael Zimmermann, der für die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsen in Dresden Kriegsdienstverweigerer berät: "Der Antrag hat drei Teile. Das heißt, ein formaler Teil - 'hiermit beantrage ich'. Dann braucht es einen tabellarischen Lebenslauf und dann braucht es eine Begründung meiner Gewissensentscheidung."
Besonders gestiegen ist die Zahl bei denen, die bisher keinen Wehrdienst geleistet haben. Für diese sogenannten Ungedienten reiche der reine Antrag in der Regel aber nicht aus, erklärt Zimmermann: "Das bedeutet für einen Ungedienten, der so einen Antrag ans Karrierecenter schickt, dass er zunächst zur Musterung einberufen wird und dann festgestellt werden muss, ob er überhaupt tauglich ist. Wenn er tauglich ist, kann der Antrag bearbeitet werden."
Trotz ausgesetzter Wehrpflicht: Einberufung zum Kriegsdienst wäre bei Mobilmachung möglich
Bei einer Teil- oder Generalmobilmachung im Spannungs- oder Verteidigungsfall können nach dem Wehrpflichtgesetz alle Männer ab 18 Jahren bis zur Vollendung des 60. Lebensjahrs (59) eingezogen werden. Ausnahmen gelten bei gesundheitlichen Problemen und Behinderungen.
Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.
Grundgesetz Artikel 4
Wer den Kriegsdienst verweigert, kann zum zeitlich unbefristeten Zivildienst beordert werden. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in Deutschland ist in Artikel 4 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland festgelegt. Darin heißt es, dass niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf.
Die Truppenstärke bei der Bundeswehr hat sich in den vergangenen 30 Jahren mehr als halbiert. Sollte es nun zum Ernstfall kommen, wäre es möglich, dass die Wehrpflicht wiedereingeführt wird.
MDR (Marius Rudolph)/AFP/KNA (dni)
Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 05. August 2023 | 07:00 Uhr