Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio
SachsenSachsen-AnhaltThüringenDeutschlandWeltLeben

BilanzVon Osteuropa zur Ukraine: Ramelow als Bundesratspräsident in stürmischen ZeitenRamelow als Bundesratspräsident in stürmischen Zeiten

28. Oktober 2022, 05:00 Uhr

In schwierigen Zeiten übernahm im Herbst 2021 Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow das Amt des Bundesratspräsidenten. Eigentlich wollte er vor allem das "Zusammen wachsen" in der Bundesrepublik stärken. Sowohl zwischen Ost und West, als auch im Land der vielen Regionen insgesamt. Doch durch den Krieg in der Ukraine und die damit verbundene Zeitenwende musste er andere Akzente setzen.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) erwarb als Bundesratspräsident ein weiteres Alleinstellungsmerkmal in der bundesdeutschen Geschichte. Ohne Prophet zu sein, wird er wohl absehbar der einzige Ministerpräsident der Linkspartei bleiben, der eines der höchsten Ämter in der Bundesrepublik bekleidete. Und dazu noch in ungewöhnlich stürmischen Zeiten.

Ramelow zeigte sich immer solidarisch mit der Ukraine

Nach Europa ist durch den Überfall Russlands auf die Ukraine der Krieg zurückgekehrt. Deutschland hat sich von Anfang an, solidarisch an die Seite des osteuropäischen Landes gegen den Aggressor gestellt. Anders als einige in seiner Partei tat das von Anfang an auch Bodo Ramelow. Nicht zuletzt in seiner Rede am 3. Oktober brandmarkte er Putins Angriffskrieg als verbrecherisch, imperialistisch und "durch rein gar nichts zu rechtfertigen".

Er geriet durch eine Rede seiner Genossin Sahra Wagenknecht im Bundestag gegen die Russland-Sanktionen während einer Reise als Chef der Länderkammer nach Warschau sogar in Erklärungsnöte gegenüber den Vertretern des Sejms. Aber auch da war Ramelow sehr klar in einer Haltung. Überhaupt war es ihm ein Anliegen seiner Amtszeit, durch Reisen in osteuropäische Länder wie Polen und Rumänien, die dortigen Gesprächspartner der deutschen Solidarität zu versichern in der gefühlten russischen Bedrohung durch den Krieg im Nachbarland Ukraine.

Osteuropa galt seine Aufmerksamkeit als Bundesratspräsident

Diese Reisen nach Osteuropa sollten aber auch ein Element des Wirkens in seiner Bundesratspräsidentschaft unter dem Motto "Zusammen wachsen" sein. Ramelow geht noch immer zu oft der Blick, gerade den westdeutschen Bundesländern zu sehr nach Frankreich oder die Niederlande. Für Ramelow ist der Blick in die Gegenrichtung wichtiger wegen der gemeinsamen Geschichte und wirtschaftlichen Beziehungen Ostdeutschlands mit den ehemaligen Ländern des Ostblocks und der gemeinsamen Erfahrungen im Transformationsprozess nach dem Ende der kommunistischen Diktaturen zu demokratischen Mitgliedsländern der Europäischen Union. 

Motto "Zusammen wachsen" galt nicht nur Ost und West

Aber auch sein Herzensanliegen, das gesamtdeutsche "Zusammen wachsen" wollte er in seiner Präsidentschaft vorantreiben. Doch der Krieg lief diesem Plan entgegen. Wenigstens mit den Feierlichkeiten rund um den Tag der deutschen Einheit in Erfurt konnte er ein Zeichen setzen. Das Erfurter Festprogramm lockte 185.000 Menschen in die Thüringer Metropole. Ramelow wollte dabei nicht die große Show, sondern Deutschlands Vielfalt auf vielen kleinen Bühnen zeigen.

Es gehört zu seinem natürlichen Ziel als ostdeutscher Ministerpräsident, dass Ost und West weiter zusammenwachsen muss, obwohl das Verhältnis nach seinen Worten "bis heute keineswegs spannungsfrei" sei. Doch Ramelow denkt darüber hinaus im gesamtdeutschen Rahmen "Zusammen wachsen" als "unsere Fähigkeit gemeinsam als Bundesrepublik Deutschland in all ihren Regionen und Landesteilen nachhaltig Wachstum zu gestalten".

Anerkannt bei den anderen Länderchefs trotz Parteibuch der Linken

Dabei beließ es Ramelow in seiner Amtszeit als Bundesratspräsident nicht nur als Wächter "der Macht des Wortes und Macht der Geste" aufzutreten. Er sah sich in dieser Funktion als oberster Vertreter des Föderalismus in Deutschland. Egal ob in der Debatte über Corona-Maßnahmen und Infektionsschutzgesetz oder zuletzt über die Beteiligung der Länder an den Kosten des dritten Entlastungspaket für Bürger und Wirtschaft wurde er im Bundesrat immer als ehrlicher Makler der Interessen der Länder in Berlin wahrgenommen.

Ein Blatt vor den Mund zu nehmen, gehörte noch nie Ramelows politischen Stilmitteln. Das bekam auch die neue Bundesregierung und Kanzler Olaf Scholz zu spüren. Ramelow machte deutlich, dass zwischen Bund und Ländern kein Verhältnis zwischen Koch und Kellner, sondern auf Augenhöhe bestehen müsse. Mit dieser klaren föderalen und nicht parteipolitischen Haltung hat er sich über nun fast acht Jahre im Amt des Thüringer Ministerpräsident durchaus Respekt bei seinen Amtsschwestern und Amtsbrüdern der anderen Länder erarbeitet. Selbst bei denjenigen, die mit seiner politischen Herkunft gar nichts anfangen können. Da ist Bodo Ramelow längst Gleicher unter Gleichen.

Bodo Ramelow hat das Amt des Bundesratspräsidenten in der ihm eigenen Souveränität ausgeführt. Und das in schwierigen Zeiten, mit einer neuen Bundesregierung, am Anfang mit der Corona-Krise, am Ende mit der Wirtschaftskrise und vor allem geprägt durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine. Durch diese Zeitenwende manövrierte der wahrscheinlich einzige Ministerpräsident der Linkspartei in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die Länderkammer ohne Schiffbruch. Dieses Alleinstellungsmerkmal sichert ihm mindestens eine Notiz in den deutschen Geschichtsbüchern.    

Mehr zu Bodo Ramelow

 MDR (gh)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 28. Oktober 2022 | 07:00 Uhr