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Die LinkeWagenknecht und Die Linke: Ein Machtkampf ums Überleben?

01. November 2022, 05:00 Uhr

Sahra Wagenknecht und ihr Ehemann Oskar Lafontaine sind wohl das umstrittenste Politikerpaar in Deutschland – nicht wegen ihrer Partnerschaft, sondern wegen ihres Verhältnisses zur Linkspartei. Lafontaine hat sie mitbegründet und im März geräuschvoll verlassen. Wagenknecht dagegen hat Macht in der Partei, stellt sich aber nach wie vor sehr häufig quer zur Parteilinie. Die Frage ist: Was bedeutet das für sie? Und was für die Partei?

Seit Jahren polarisiert Sahra Wagenknecht in zahlreichen öffentlichen Auftritten – und sorgt so immer wieder innerhalb ihrer eigenen Partei Die Linke für einen Aufschrei. So durch kritische Anmerkungen zur Aufnahme von Flüchtlingen; so durch impfkritische Äußerungen in der Corona-Krise;  oder  zuletzt mit der Behauptung, Deutschland habe "einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten" vom Zaun gebrochen, mitsamt ihrer Forderung nach einem Ende der Sanktionen gegen Russland. Doch warum provoziert sie immer wieder die eigene Partei?

Eine Folge des wenig kompromissbereiten Politikverständnisses von Sahra Wagenknecht ist, dass ein Riss durch die Partei geht. Die einen glauben, sie sei als öffentliches Gesicht der Partei unverzichtbar, und ein Ausscheiden werde die Partei nachhaltig schwächen und deren politischen Einfluss "auf den eines Tierschutzvereins" herunterdrücken, wie es der Kreisvorsitzende der Linkspartei in Meißen, Ulrich Köhler, gegenüber MDR exakt drastisch formulierte. Und die anderen glauben, dass Wagenknecht ein wesentlicher Teil des grundlegenden Problems der Partei sei: nämlich, dass die Partei mit so vielen Stimmen spreche und keine einheitliche und für den Wähler wiedererkennbare politische Linie bilden kann.

Im September, nach Wagenknechts Rede im Bundestag, warfen ihr drei Landtagsabgeordnete der Linkspartei aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in einem Offenen Brief nationalistisches Denken vor, und in Bezug auf Russland und die Ukraine eine "Täter-Opfer-Umkehr". Eine Person, die sich inhaltlich gegen Parteitagsbeschlüsse stelle, könne die Bundestagsfraktion nicht öffentlich repräsentieren, hieß es in dem Schreiben.

Diese Zerrissenheit der Partei in der Frage Wagenknecht fand MDR exakt auch vor Ort. So in Sachsen bei mehreren Veranstaltungen im Zuge der Linken-Aktion "Heißer Herbst". "Ich habe große Bauchschmerzen und Probleme mit Sahra Wagenknecht und denke auch, dass sie unserer Partei massiv schadet und spaltet", sagt der Landtagsabgeordnete Marco Böhme. Ähnlich Anna Gorskih, ebenfalls Landtagsabgeordnete der Linkspartei in Sachsen: "So langsam habe ich den Eindruck, dass Sahra Wagenknecht das aus diesem Grund macht, weil sie nur ein Projekt verfolgt und das heißt Sahra Wagenknecht!"

Ich habe den Eindruck, dass Sahra Wagenknecht nur ein Projekt verfolgt und das heißt Sahra Wagenknecht!

Anna Gorskih | Linken-Landtagsabgeordnete in Sachsen

Anders sieht das Michael Eichhorn, Mitglied im Landesvorstand Sachsen der Linkspartei, der es als relevanten Verlust für die Linken ansähe, wenn Sahra Wagenknecht jetzt die Partei verlassen würde: "Gerade hier, im sächsischen ländlichen Raum, das muss man auch mal so deutlich sagen, würde das bedeuten, dass uns nochmal viele Wählerinnen und Wähler auch wegbrechen." 

Wie nah ist Sahra Wagenknecht an Positionen der AfD?

Obwohl viele in Sahra Wagenknecht so etwas wie die linke Ikone der Bundesrepublik sehen, wird sie derzeit häufig mit Positionen der Rechts-Außen-Partei AfD in Zusammenhang gebracht. So hat MDR exakt auf Demonstrationen, über die wir berichteten – zum Beispiel solchen zu den explodierenden Energiepreisen – den Namen Sahra Wagenknecht häufiger gehört.

Ein Demonstrant, der ein großes Durcheinander in Bezug auf den Kurs der Bundesregierung zum Ukraine-Krieg sowie der Energielieferungen aus Russland zu sehen meinte, sagte uns: "Für mich gibt es im Prinzip drei Frauen, die das eventuell klären könnten. Das ist einmal, an erster Stelle, die Sahra Wagenknecht. An zweiter Stelle die Frauke Petry. Und an dritter Stelle die Alice Weidel."

Nun liegen zwischen Frauke Petry und Alice Weidel einerseits und Sahra Wagenknecht andererseits eigentlich politisch Welten. Denn Frauke Petry war, und Alice Weidel ist prominente AfD-Politikerin. Dass Wagenknecht tatsächlich häufig in der Nähe von AfD-Positionen verortet wird, wundert den Politikwissenschaftler von der Technischen Hochschule Aachen, Professor Emanuel Richter, nicht. Er beobachtet die Linkspartei seit Jahren und sieht in den Äußerungen von Wagenknecht Ähnlichkeiten zu den Standpunkten von Rechtspopulisten, die das Volk als eine Art einheitlicher Gruppe darstellten, die es national zu schützen gelte. "Jedenfalls ist sie eine, die eben auch eine gewisse Art von nationaler Geschlossenheit propagiert und sehr kritisch gegenüber Zuwanderung sich äußert. Und das ist natürlich eine Rhetorik, die dem Rechtspopulismus ganz nahesteht!"

Und das ist natürlich eine Rhetorik, die dem Rechtspopulismus ganz nahesteht!

Professor Emanuel Richter | Politikwissenschaftler

So etwas wiederum sorgt auch für viel Aufmerksamkeit bei ihren häufigen öffentlichen Auftritten. "Sie ist ja auch ein Gesicht der Partei, indem sie eben in Talkshows auftritt, für die Linke spricht", so Professor Richter. Auch wenn ihre Partei häufig zweifele, ob sie das Gesicht der Linken sei, stehe fest: "Sie hat Macht."

Steht Wagenknecht schon immer gegen den Strom?

Dass Sahra Wagenknecht tatsächlich Einfluss und Macht in der Linkspartei hat, mag verwundern, denn man kann den Eindruck haben, sie stehe anhaltend und eigentlich schon immer, zumindest partiell, gegen den Strom in ihrer Partei. Die 53-Jährige selbst dagegen sagt, dies  sei nicht der Fall. "Aber es ist schon so, dass ich natürlich vertrete, was ich für richtig halte." Dazu sei ein Politiker auch verpflichtet. "Selbst, wenn es im Einzelfall auch mal Konflikte in der eigenen Partei gibt."

Viele in der Partei jedoch beschreiben das Phänomen anders: Sahra Wagenknecht halte stur an ihren Standpunkten fest. Auf andere zugehen und Kompromisse finden sei nicht ihre Sache. Womöglich wurde dieses fundamentale Beharren auf der eigenen Sicht noch einmal verstärkt durch ihre Partnerschaft mit dem ehemaligen politischen Schwergewicht der SPD: Oskar Lafontaine.

Experte: Wagenknecht und Lafontaine für jede Partei hochproblematisch

Oskar Lafontaine hatte – in der 1998 gebildeten Rot-Grünen-Regierung als zweiter Mann hinter Gerhard Schröder – nach nur einem Jahr mit großem Knall seine Ämter hingeworfen: das des Finanzministers, und das des SPD-Vorsitzenden. 2005 trat er aus der SPD aus und begründete dies so: "Wenn die SPD mit Hartz IV und der Agenda 2010 in die Bundeswahl geht, kann ich sie nicht mehr unterstützen." Andere beurteilten die Sachlage negativer. Denn durch die Aufgabe der einflussreichen Positionen des Parteivorsitzenden und Finanzministers habe Lafontaine den Weg erst freigemacht für Gerhard Schröder und dessen Pläne – weshalb ihn eine Mitschuld an dem anschließenden Sozialabbau treffe.

Die Linkspartei wurde Oskar Lafontaines neue politische Heimat. Er und Gregor Gysi gehörten zu den treibenden Kräften einer Vereinigung der damals existierenden Abspaltung von der SPD namens "Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit" (WASG) mit der bisherigen PDS zur neuen Linkspartei. Im Jahr 2005 wurde Lafontaine, wiederum zusammen mit Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender im Bundestag, und ab 2007 neben Lothar Bisky Parteivorsitzender der neuen Partei.

Im Laufe der Zeit kamen sich Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine näher, bis sie schließlich innerhalb der Linkspartei ein Paar wurden – politisch und privat.

Und insofern ist dieses 'Power Couple' des radikalen, linken Denkens natürlich für jede Partei hochproblematisch!

Albrecht von Lucke | Politikwissenschaftler

"Mit Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht haben sich zwei Geistesverwandte im wahrsten Sinne gefunden: hochintellektuelle, kluge Personen, radikal in ihren Positionen, absolut konfliktwillig und kompromissunwillig", sagt der Politikwissenschaftler und Publizist, Albrecht von Lucke. Auch er beobachtet die Linkspartei seit Jahren. Die beiden seien geradezu "freie Radikale", die sich gegenseitige in ihren Meinungen und Positionen verstärkten und nicht willig seien, Kompromisse einzugehen. "Und insofern ist dieses 'Power Couple' des radikalen, linken Denkens natürlich für jede Partei hochproblematisch!" Die Linke sei eigentlich auf Kompromisse angelegt und auch auf Koalitionen mit anderen Parteien. "Und genau das ist nicht der Wille von Wagenknecht und Lafontaine."

Wagenknecht und Lafontaine: fundamental dagegen

Im Osten wollten die damals führenden Köpfe der Linkspartei gestalten, sie wollten mitregieren – was ein Zugehen auf die SPD voraussetzte. Lafontaine und Wagenknecht jedoch standen eher für Fundamentalopposition. Ihnen wurde vorgeworfen, unüberwindbare Hürden gegen ein Bündnis mit der SPD aufzubauen.

"Der Vorwurf, den man Lafontaine und Wagenknecht machen muss, besteht darin, dass sie, indem sie jede Koalition mit einer SPD verweigert haben, auch jede Möglichkeit verunmöglicht haben, ihre Positionen wirklich umzusetzen zugunsten der finanziell Schwachen, der prekär Lebenden", sagt Albrecht von Lucke.

Auf dem legendären Parteitag in Göttingen 2012 kam es zu einem Schlagabtausch der gegeneinanderstehenden Parteiflügel. Gregor Gysi rief in seiner Parteitagsrede mit großer Verve: "Natürlich kann man Wählerinnen und Wähler verlieren, wenn man falsche, prinzipienlose Kompromisse schließt. Aber man verliert auch Wählerinnen und Wähler, wenn man erklärt, dass man sich auf die SPD nur dann einlässt, wenn sie unsere Beschlüsse umsetzt, und zwar möglichst vollständig. Die Wählerinnen und Wähler wissen, dass das irreal ist!"

Sogar ein Aufruf zum Nicht-Wählen der eigenen Partei

Zu einer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene kam es nie, die Gegensätze in der Partei blieben – bis heute. Im vergangenen Jahr haben Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht nach innerparteilichen Querelen im Saarland sogar dazu aufgerufen, bei der Bundestagswahl 2021 die eigene Partei – im Saarland – nicht zu wählen. Und im März dieses Jahres, kurz vor der Landtagswahl, trat Oskar Lafontaine sogar mit Getöse aus der Linkspartei aus. Bei der nachfolgenden Landtagswahl wurde die Partei, die Lafontaine im Saarland mehrfach zu zweistelligen Wahlergebnissen geführt hatte, pulverisiert: unter drei Prozent.

"Man könnte sagen, dass Lafontaine in gewisser Weise so eine napoleonische Attitüde an den Tag gelegt hat", sagt Professor Emanuel Richter. "Also, das ist in der Tat eine unglaublich egozentrische Art von Politikverständnis, die eben mit der eigenen Wirkungslosigkeit auch die Wirkungslosigkeit der Partei, in der man ist, unter Beweis stellen will. Und das ist verheerend!"

Experte: Wagenknecht hat Macht und nutzt sie

Oskar Lafontaine ist heute ohne Partei. Dagegen hat Sahra Wagenknecht in der Linkspartei Macht – sowohl dadurch, wie von führenden Parteimitgliedern kritisch angemerkt wird, dass die derzeitige Fraktionsführung auf die Zustimmung des Wagenknecht-Lagers angewiesen sei, wie auch durch ihre große  öffentliche Präsenz. "Wagenknecht hat ein enormes Erpressungspotential gegenüber der Partei", meint Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke. Denn wenn sie die Partei verlasse, würden andere Mitglieder folgen, und Die Linke würde ihren Status als Fraktion im Bundestag verlieren. "Das heißt, sie verliert an Redezeit, sie verliert an politischem Einfluss." Dies würde die Chancen der Partei bei der nächsten Bundestagswahl noch einmal deutlich verringern.

Wagenknecht hat ein enormes Erpressungspotential gegenüber der Partei.

Emanuel Richter | Politikwissenschaftler

Dennoch: In jüngster Zeit stößt Sahra Wagenknecht auf stärkeren Gegenwind. So wurde sie von ihrer eigenen Partei von einer großen Demo in Leipzig am 5. September, wo sie eigentlich sprechen wollte, ausgeladen. Ihr Parteifreund und Regierungschef in Thüringen, Bodo Ramelow, kritisierte sie nach ihrer Bundestagsrede sogar als "Putin-Propagandistin". Als Reaktion schrieb Wagenknecht in einer internen SMS: "Natürlich kann man das alles widerspruchslos hinnehmen. Man darf sich dann nur nicht beschweren, wenn zumindest ich mit diesem Laden nichts mehr zu tun haben will."

Wer braucht wen mehr: Wagenknecht die Linkspartei, oder die Partei Wagenknecht?

Schon in dem "Offenen Brief" der drei Landtagsabgeordneten im September war der Ausschluss von Sahra Wagenknecht aus der Bundestagsfraktion gefordert worden. Inzwischen gibt es zudem einen Aufruf der progressiven Linken in der Partei, die ein großes Vernetzungstreffen wollen, um über den weiteren Kurs der Partei zu entscheiden. In dem Aufruf wird das jüngste Buch von Wagenknecht ("Die Selbstgerechten") geradezu als "Gegenprogramm" des eigentlichen Parteiprogramms charakterisiert. In diesem Buch machte Wagenknecht den Parteien des linken Spektrums – allen voran den Grünen, wie sie sagt, aber auch ihrer eigenen Partei – schwere Vorwürfe. Debatten um Gender, Klima und Bio-Essen würden die eigentlichen Kernwähler verprellen. Öffentlich machte Wagenknecht Fehler der linken Parteien dafür verantwortlich, dass viele Menschen gar nicht mehr oder rechts wählen.

Einer der Initiatoren des Aufrufs zu dem Vernetzungstreffen ist der langjährige Bundestagsabgeordnete der Partei, Thomas Nord. Seiner Auffassung nach ist die Partei nach vier desaströs verlorenen Landtagswahlen im Augenblick dabei, "zu zerbröseln". Weil ihre Existenz unmittelbar auf dem Spiel stehe, müssten jetzt Entscheidungen getroffen werden über den künftigen Kurs der Partei. Dabei gehe es nicht in erster Linie um Frau Wagenknecht – um diese brauche man sich laut Nord keine Sorgen zu machen: "Frau Wagenknecht geht's nach unserem Empfinden relativ gut." Wem es schlecht gehe, sei die Partei.

Und: "Der Schlüssel für die Lösung der Krise liegt bei der Mitte dieser Partei. bei den Parteiführungen, bei den Vorständen, bei der Bundestagsfraktion. Dort muss eine Entscheidung getroffen werden, wohin diese Partei eigentlich wirklich will!", so Nord. Soll es der Weg des Wagenknecht-Flügels sein? Oder einer, der wesentlich dem aktuellen Parteiprogramm entspreche? Oder ein anderer? Ohne eine solche Entscheidung sei das Ende der Partei, das sich derzeit deutlich abzeichne, womöglich nicht mehr abzuwenden, glaubt Nord. Zu seiner Parteifreundin sagt er mit einer gewissen Resignation: "Sahra Wagenknecht wird ihre Position weiter ungerührt verbreiten – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche!"

Sahra Wagenknecht wird ihre Position weiter ungerührt verbreiten – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche

Thomas Nord | Ehemaliger Bundestagsabgeordneter für Die Linke

Doch wohin will Wagenknecht am Ende mit ihrem konfrontativen Kurs? Denn wenn dieser, wie Nord meint, ihr selbst nütze, der Partei aber schade, dann wird sie mit dem Ende der parlamentarischen Präsenz der Linkspartei auch ihren Resonanzboden verlieren: also das permanente Eintrittsticket in Fernsehbeiträge und Talkshows. Denn dass das Medieninteresse an Wagenknecht auf dem gegenwärtigen hohen Niveau erhalten bliebe, wenn sie keine medienwirksame Opposition zur eigenen Partei mehr pflegen könnte – weil sie keine mehr hat –, ist eher unwahrscheinlich.

Was will Wagenknecht eigentlich erreichen?

Wagenknechts 2018 gegründete Initiative "Aufstehen", die eine Sammlungsbewegung für Linke aus verschiedenen Richtungen darstellen sollte und von vielen bereits als Absetzbewegung von der Partei gedeutet wurde,  scheiterte krachend. Will sie ihre Popularität nun dazu nutzen, einen erneuten Anlauf  zur Gründung einer eigenen Partei zu nehmen? Bei einer Buchpräsentation im Oktober in der vollbesetzten Aula des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums in Zwickau stellte ihr ein Besucher genau diese Frage: "Frau Wagenknecht, warum gründen sie in Ostdeutschland keine Partei, die sich auf die Tradition bezieht, die wir 1990 oder ´91 machen wollten?"

Die Antwort von Sahra Wagenknecht: Es sei richtig, dass "eine große Leerstelle im politischen System" existiere. Doch es sei sehr schwer, eine Partei neu zu gründen. Auch die Linkspartei sei eine Neugründung gewesen, doch damals habe es bereits die Strukturen aus der PDS gegeben. "Also es gibt schon eine Reihe von Problemen. Ich sage nicht, dass das generell nicht möglich ist – aber: Man muss sich das sehr überlegen! Es ist nicht einfach. Es ist sehr, sehr schwer!"

Die Neugründung einer Partei muss man sich sehr überlegen! Es ist nicht einfach. Es ist sehr, sehr schwer!

Sahra Wagenknecht | Linken-Politikerin

Umso mehr steht die Frage im Raum, was Sahra Wagenknecht eigentlich will. Denn der Abwärtstrend der Linkspartei ist überdeutlich: Bei der Bundestagswahl im September 2021 scheiterte die Partei knapp an der Fünf-Prozent-Hürde und hat es nur durch drei gewonnene Direktmandate gerade so nochmal in den Bundestag geschafft. Und bei vier nachfolgenden Landtagswahlen scheiterte die Partei desaströs: überall unter drei Prozent. 

Sahra Wagenknecht hat in der Bevölkerung hohe Beliebtheitswerte – was auch mit den populistischen Positionen zu tun haben dürfte, die ihr häufig vorgeworfen werden. Der Partei hat das aber bislang nicht genutzt, das ist angesichts der Bundestags- und nachfolgenden Landtagswahlen offensichtlich. Möglich, dass sie auf eigene Rechnung agiert und tatsächlich eine eigene Partei gründen will, der enormen Schwierigkeiten eines solchen Projekts zum Trotz. Möglich auch, dass sie auf die nächste Europawahl im Jahr 2024 spekuliert. So oder so, das Miteinander von Linkspartei und Wagenknecht – inklusive der beständigen Konfrontation mit ihrer Partei – ähnelt einem Drahtseilakt. Mit der Gefahr, dass beide abstürzen.

Quelle: MDR exakt/ mpö

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Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR exakt | 26. Oktober 2022 | 20:15 Uhr