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Koalitionsvertrag 2018: "Gesagt, getan?" – Die Bilanz der Großen Koalition. Bildrechte: MDR/dpa

Koalitionsvertrag im Check | Teil 2"Gute Kitas": Was ist daraus geworden?

23. September 2021, 11:10 Uhr

In der Familienpolitik hat Schwarz-Rot nicht gekleckert. Es gab in zwei Stufen mehr Kindergeld und einen höheren Kinderzuschlag für Einkommensschwache. Milliarden sollten auch in "gute" Kitas und Schulen fließen. Kamen sie an?

In den vergangenen vier Jahren hat die Koalition aus Union und SPD in der Familien- und Bildungspolitk einiges geschafft. Neben eher sozialpolitischen Aufgaben und Ausgaben für Familien und Kinder hatte sie sich besonders im Bereich frühkindlicher und schulischer Bildung etwas vorgenommen. Noch einmal wie ein Programm hatte dazu im schwarz-roten Koalitionsvertrag gestanden:

Wir werden alle Familien finanziell entlasten, die Kinderbetreuung verbessern.

Koalitionsvertrag, 2018

Kernpunkt der Familienpolitik: Bessere Kinderbetreuung

Auch einen "Nationalen Bildungsrat" wollte die Koalition schaffen und einen Ganztagsanspruch für Grundschüler. Zudem stand der Digitalpakt Schule mit fünf Milliarden Euro in fünf Jahren im Koalitionsvertrag. Das auch als Etatposten größte Projekt in der Familienpolitik wurde aber die Verbesserung der Kinderbetreuung vor der Schule, nun verstärkt auch als "frühkindliche Bildung" qualifiziert.

Wir wollen bestmögliche Betreuung für unsere Kinder und bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu unterstützen wir Länder und Kommunen weiterhin beim Ausbau des Angebots und bei der Steigerung der Qualität von Kinderbetreuungseinrichtungen und dem Angebot an Kindertagespflege sowie zusätzlich bei der Entlastung von Eltern bei den Gebühren.

Koalitionsvertrag, 2018

Daraus wurde das von der SPD forcierte und von deren Familienministerin Franziska Giffey so genannte "Gute-Kita-Gesetz". Im Vertrag hieß es, dass "wir jährlich laufende Mittel zur Verfügung stellen (2019 0,5 Milliarden, 2020 eine Milliarde, 2021 zwei Milliarden)" – und "die Länderkompetenzen wahren".

Statt 3,5 Milliarden wurden es dann fast 5,5 Milliarden Euro, die der Bund locker machte, verteilt auf vier Jahre und 16 Bundesländer: 493 Millionen für 2019, danach 993 Millionen Euro für 2020 und jeweils 1.993 Millionen für 2021 und 2022.

Das "Gute-Kita-Gesetz": Die Ziele der Koalition

Damit gelang es, das komplexe und aufwändige Gesetzgebungsverfahren in erstaunlich kurzer Zeit noch im ersten Jahr der Koalition durchzubringen und das KiQuTG Anfang 2019 in Kraft zu setzen: Das "Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Verbesserung der Teilhabe in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz)".

In der Begründung des Gesetzes wurden vier wesentliche Ziele formuliert:

  • gleichwertiger Zugang zu hoher Qualität in der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung für alle Kinder in Deutschland
  • Abbau von Unterschieden zwischen den Ländern, um zu gleichwertigen Lebensverhältnissen für Kinder in Deutschland zu kommen
  • bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf mit bundesweit gleichwertigen Rahmenbedingungen auch für die Eltern
  • Verbesserung der Teilhabe an der Kindertagesbetreuung auch durch eine Entlastung der Eltern von Kita-Beiträgen

Allgemein

Die "Vereinbarkeit von Familie und Beruf", eine "Baby-Begrüßungsgeld" oder das Wechselmodell für geschiedene Eltern? Lesen Sie hier, mit welchen Ideen CDU/CSU, SPD, AfD, FDP, Linke und die Grünen punkten wollen.

CDU/CSU

Familienleistungen sollen automatisiert und digital aus einer Hand kommen, Sozialbeiträge für Geringverdiener nicht steigen, die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden und perspektivisch auch der Steuerfreibetrag für Alleinerziehende auf 5.000 Euro steigen. Ebenso "perspektivisch" könnten Familien mit dem vollen Grundfreibetrag für Kinder und dem Einstieg in ein "Kindersplitting" gefördert werden. Das Ehegattensplitting soll aber bleiben. Das Rentenalter soll nicht weiter als bis 67 Jahre steigen, das Rentensystem jedoch nachhaltiger werden. Vorgestellt wird etwa die Idee einer "Generationenrente", in die der Staat monatlich einen Betrag pro Kind einzahlen könnte. Auch will die Union eine Altersvorsorgepflicht für alle Selbständigen, die nicht anders abgesichert sind. Die betriebliche Altersvorsorge soll so gestärkt werden, dass mehr Menschen sie nutzen. Der von der CSU geforderte Ausbau der Mütterrente steht nicht im Programm, weil die CDU das für unfinanzierbar hält. Soziale Sicherheit soll Armut verhindern und ein Leben in Würde ermöglichen. Das "Prinzip des Forderns und Förderns" will die Union erhalten. Mit ihr werde es kein bedingungsloses Grundeinkommen geben. Sie setzt auf eine Offensive zur Aus- und Weiterbildung. Für Menschen mit Behinderungen will die Union eine barrierefreie Umwelt. Ziel sei zudem ein "inklusiver erster Arbeitsmarkt" und stärkeres betriebliches Eingliederungsmanagement.

SPD

Die SPD will den Sozialstaat stärken. Sie plant Verbesserungen beim Elterngeld, eine dauerhafte Verdoppelung der Kinderkrankentage auf 20 Tage pro Elternteil sowie eine neue Familienpflegezeit mit bis zu 15 Monaten Lohnersatz bei Pflege eines Angehörigen. Eine Kindergrundsicherung soll die bisherigen Leistungen wie Kindergeld und Kinderfreibetrag ersetzen. Familien mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen steuerlich bessergestellt werden. Arbeitslosengeld soll für langjährige Einzahler länger als heute gezahlt werden. Ein Bürgergeld soll die Hartz-IV-Grundsicherung ersetzen, die Höhe ist offen. In den ersten zwei Jahren des Bezugs sollen Vermögen und der Wohnungsgröße nicht überprüft werden. Selbstständige, Beamte und Abgeordnete sollen in die gesetzliche Rente einbezogen und das Rentenniveau soll bei mindestens 48 Prozent stabilisiert werden. Den Staatsdienern wird zugesichert, "das Gesamtniveau ihrer Alterssicherung" zu erhalten. Daneben soll die betriebliche Altersversorgung ausgeweitet werden. Das Konzept Riester-Rente wird aufgegeben, stattdessen mehr auf klassische private Angebote der Altersvorsorge gesetzt. Die SPD plant ein neues standardisiertes öffentliches Angebot nach dem Vorbild Schwedens. Untere und mittlere Einkommensgruppen sollen Zuschüsse bekommen.

AfD

Die AfD definiert Familie als Vater, Mutter und Kinder. Sie will sich für eine "geburtenfördernde Familienpolitik" einsetzen. Die Partei will ein steuerliches Familiensplitting einführen, die vollständige steuerliche Absetzung von kinderbezogenen Ausgaben und die Absenkung der Mehrwertsteuer für Artikel des Kinderbedarfs auf den reduzierten Satz. Die AfD will zudem einen finanziellen Ausgleich für Eltern für die Rentenbeiträge von 20.000 Euro je Kind schaffen. Die AfD möchte damit auch Trennungen von Eltern vermeiden, da aus ihrer Sicht finanzieller Druck "oft zu instabilen Ehen und Trennungen" führen. Im Fall von Trennungen soll der Vater mehr einbezogen werden, "da die Mehrheit der Trennungskinder bei den Müttern aufwächst". Die Partei spricht sich gegen Schwangerschaftsabbrüche aus und will die Hürden dafür erhöhen. Die AfD fordert, Kinder in Kitas und Schulen noch nicht mit gewissen politischen und gesellschaftlichen Themen in Kontakt kommen zu lassen und nennt als Beispiel die Klimapolitik, Gleichstellungsbestrebungen und eine diverse Sexualaufklärung – Themen, denen die Partei kritisch oder ablehnend gegenübersteht. Die Partei will den Zugang für EU-Ausländer zum deutschen Sozialsystem beschränken. So sollen nur noch jene die Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalten, die für einen Job nach Deutschland gekommen sind und diesen bereits "für einen angemessenen Zeitraum" ausgeübt haben. Generell will die AfD Sozialleistungen nur noch auf inländische Konten überweisen.

FDP

Die Höhe der Sozialausgaben soll grundsätzlich bei 50 Prozent des Bundeshaushalts gedeckelt werden. Zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie will die FDP Betriebskindergärten steuerlich fördern, einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung garantieren und Betreuungskosten steuerlich abzugsfähig machen. Die FDP fordert nach der Geburt eines Kindes einen "Partnerschutz" analog zum Mutterschutz für zehn Arbeitstage oder halbtägig für 20 Tage. Alleinerziehende können eine andere Person benennen, etwa Familienangehörige. Die FDP plant ein sogenanntes Kinderchancengeld. Es besteht aus einem Grundbetrag, Flexibetrag und nichtmateriellen Angeboten. Beim Elterngeld Plus soll der Rechtsanspruch um drei Partnermonate auf eine Gesamtbezugsdauer von 15 Monaten verlängert werden, auch für Alleinerziehende. Familien und Alleinerziehende will die FDP steuerlich entlasten. Am Splittingverfahren für Ehe- und eingetragene Lebenspartnerschaften hält sie fest. Steuerfinanzierte Sozialleistungen wie das ALG II, die Grundsicherung im Alter, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder das Wohngeld sollen gebündelt werden. Das Einkommen von Jugendlichen aus ALG-II-Familien soll bis zur Höhe eines Minijobs gar nicht angerechnet werden. Die FDP will mit einem Modell "Vier Mal 1.000 Euro" Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik verbinden: bis zu 1.000 Euro beim sogenannten Midlife-BAföG, 1.000 Euro steuerlicher Freibetrag für arbeitgeberfinanzierte Weiterbildungen, 1.000 Euro Steuerfreibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligung, ein Startbonus von 1.000 Euro in der gesetzlichen Aktienrente, der mit jedem neu geborene Kind steigt sowie 1.000 Euro Sparer-Pauschbetrag. Die FDP will eine Doppelbesteuerung von Renten verhindern und die Beweislastumkehr zugunsten der Steuerpflichtigen einführen. In der Grundsicherung soll das Schonvermögen steigen, insbesondere das Altersvorsorge-Vermögen, die selbst genutzte Immobilie und das für die Erwerbstätigkeit benötigte angemessene Kraftfahrzeug.

DIE LINKE

Die Linke lehnt Kürzungen im Sozialbereich ab. Um Familie und Beruf besser zu vereinbaren, will die Linke das Elterngeld auf 12 Monate pro Elternteil (24 Monate für Alleinerziehende) verlängern und auf mindestens 400 Euro erhöhen. Der Anspruch soll bis zum siebten Lebensjahr des Kindes verlängert werden und nicht länger auf Sozialleistungen angerechnet werden. Die Linke fordert einen besonderen Kündigungsschutz für Eltern mit kleinen Kindern. Kinderkrankentage sollen verlängert werden und auch für Beschäftigte in Mini- und Midi-Jobs, Soloselbständige und Freiberufler gelten. Für alle Beschäftigten soll es ein Recht auf vorübergehende Arbeitszeitverkürzung geben. Außerdem braucht es der Linken zufolge einen Rechtsanspruch auf familiengerechte Arbeitszeiten – für alle, die Verantwortung in Erziehung und Pflege übernehmen. Die Linkspartei lehnt das Ehegattensplitting ab und setzt sich für geschlechtergerechte Steuermodelle ein. Die Linke will Kinderrechte im Grundgesetz verankern und Jugendämter mit mehr Personal ausstatten. Das Kindergeld soll auf 328 Euro monatlich erhöht werden. Außerdem will die Partei eine Kindergrundsicherung aufbauen, um Kinder- und Jugendarmut zu bekämpfen. Hartz IV soll nach dem Willen der Linkspartei abgeschafft werden. Die Partei setzt sich stattdessen ein für ein sanktionsfreies Mindesteinkommen von 1.200 Euro. Auch im Alter soll der Partei zufolge durch eine solidarische Mindestrente niemand weniger als 1.200 Euro im Monat zur Verfügung haben. Zudem will die Linke die Doppelbesteuerung der Renten abschaffen. Die Linke lehnt die Rente mit 67 ab. Der Renteneintritt soll spätestens wieder mit 65 Jahren ohne Abschläge möglich sein. Wer 40 Jahre lang Beiträge gezahlt hat, soll nach Vorstellung der Linken bereits ab 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Die Partei möchte das gesetzliche Rentenniveau außerdem bei 53 Prozent festschreiben. Die Linkspartei will, dass in Zukunft auch Abgeordnete, Freiberufliche, Selbständige, Unternehmer und Beamte nach dem Vorbild Österreichs in die gesetzliche Rente einzahlen. Die Linke setzt sich dafür ein, dass das Ost-Rentenniveau auf Westniveau steigt. Die Umrechnung der Ostgehälter bei der Rente soll erhalten bleiben, solange Lohnunterschiede zwischen Ost und West bestehen. Ausbildungszeiten sollen stärker bei der Rente anerkannt werden. Die Partei will auch Zeiten der Erwerbslosigkeit, der Kindererziehung und der Pflege stärker berücksichtigen. Die Linkspartei will kommunale Angebote gegen soziale Isolation und Einsamkeit im Alter und gemeinschaftliche Begegnungsorte fördern.

GRÜNE

Kinder und Familie nehmen einen relativ großen Anteil des Wahlprogramms ein. Im Zentrum stehen dabei die Kinderrechte, die die Grünen gern im Grundgesetz sehen würden, und Grundsicherungskonzepte, die die bestehenden Sozialleistungen ablösen sollen. Mit der "Kindergrundsicherung" streben die Grünen eine Zusammenlegung von Kindergeld, Kinderzuschlag, Sozialgeld und von Bedarfen für Bildung und Teilhabe an. Je geringer das Familieneinkommen ist, desto höher soll die Kindergrundsicherung ausfallen. Mit der "KinderZeit Plus" wollen die Grünen die Elternzeit auf 24 Monate ausweiten. Außerdem soll sie bis zum 14. Lebensjahr genommen werden können. Für den zweiten Elternteil will die Partei zusätzlich eine 14-Tage-Freistellung nach der Geburt eines Kindes. Das Kinderkrankengeld soll auf 15 Tage im Jahr pro Kind und Elternteil angehoben werden – bei Alleinerziehenden analog 30 Tage. Alle Schulkinder aus Hartz-IV-Familien (oder bei Kinderzuschlags-Bezug) sollen Laptops oder Tablets gestellt bekommen. Mit dem "Pakt für das Zusammenleben" nach französischem Vorbild sollen zwei Menschen auch ohne Ehe Verantwortung füreinander übernehmen können. Soziale Eltern sollen durch die Weiterentwicklung des sogenannten Kleinen Sorgerechts besser gestellt werden: Auf Antrag beim Jugendamt soll die elterliche Mitverantwortung auf bis zu zwei weitere Erwachsene übertragen werden können. Mit einer Reform des Abstammungsrechts wollen die Grünen dafür sorgen, dass lesbische Mütter automatisch als rechtlicher zweiter Elternteil gelten – auch ohne Adoptionsverfahren. Eine Kostenerstattung für künstliche Befruchtung soll es nach dem Willen der Partei auch für nicht-verheiratete und lesbische Paare sowie alleinstehende Frauen geben. Bisher ist sie verheirateten Paaren vorbehalten. Hartz IV wollen die Grünen abschaffen und durch eine "Grundsicherung" ersetzen. Dabei sollen die Leistungen schrittweise angehoben und individualisiert werden. Die Anrechnung von Erwerbsarbeit soll attraktiver gestaltet werden. Das Rentenniveau soll bei 48 Prozent stabilisiert werden, die Rente mit 67 beibehalten. Die bereits eingeführte Grundrente soll "repariert" und zu einer "Garantierente" weiterentwickelt werden. An die Stelle der Riester-Rente soll ein öffentlich verwalteter Bürgerfonds treten. Alle Arbeitgeber sollen eine betriebliche Altersvorsorge anbieten.

Die Umsetzung in den Ländern

Zur Vorgeschichte gehört vor allem der bundesweite Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem ersten Lebensjahr, ebenfalls von einer schwarz-roten Koalition im Bund schon 2008 beschlossen und seit 2013 in Kraft.

Damit einher ging ein gewaltiger Aufbau an Kindergarten- und Krippenplätzen, letzteres vor allem im Westen. Was erreicht wurde, zeigt der gestiegene Anteil von Kindern unter drei Jahren in Tagesbetreuung und erwerbstätigen Müttern von Kindern unter drei in allen Bundesländern, besonders aber im Westen.

Vier Jahre später dann war auch von "Kinder-Verwahranstalten" wieder lauter die Rede, dass doch nicht immer nur neue Plätze geschaffen werden könnten, ohne zu schauen, was in Kitas passiert. Auch erziehungswissenschaftliche Diskurse fanden zunehmend Eingang in Bildungspolitik und damit auch der Begriff "Qualität".

Dass die damalige Ministerin Giffey das politische Produkt als das "Gute-Kita-Gesetz" verkaufte, wurde viel kritisiert, weil das den Namen eines Gesetzes mit Reklame verband. Allerdings brannte diese politische Reklame dem Gesetz den Willen des Gesetzgebers – Qualität zu fördern – förmlich auf, was ihn trotz seiner abweichenden Umsetzung bis heute davor bewahrt hat, vergessen zu werden.

Eine strukturelle Bedingungen für Qualität: Personal

Woran sich "Qualität" bei Kinderbetreuung tatsächlich festmachen ließe, ist Gegenstand potenziell grenzenloser Debatten. Vereinfacht gesagt: Viel liegt am Personal und daran, wie viel Zeit die Erzieherinnen und Erzieher für wie viele Kinder haben. So hatte etwa die Leipziger Erziehungswissenschaftlerin Susanne Viernickel bereits 2010 neben dem Personalschlüssel die Fachkraft-Kind-Relation, die Größe der Kindergruppen und die Qualifikation des Personals als das "eiserne Dreieck der Strukturqualität" bezeichnet. So gesehen, kann es ein Mehr an wie auch immer verstandener Qualität ohne mehr qualifiziertes Personal nicht geben.

Darauf stützt sich letzlich auch die 2020 von der Bertelsmann-Stiftung in einer Studie geäußerte Kritik an großen Unterschieden in den deutschen Kitas gerade beim Personal, zwischen Ost und West und Regionen, daran dass in Kindergärten im Osten sich eine Fachkraft meist um deutlich mehr als zehn Kinder zu kümmern hat und in den meisten westlichen Ländern um deutlich weniger als zehn.

Da die Sache im deutschen Föderalismus aber in der Hoheit der Länder liegt, versuchte es die schwarz-rote Koalition dieses Mal über Verträge mit ihnen und überließ es ihnen fast ganz, wofür sie die Mittel nutzen. Zehn Handlungsfelder waren definiert, die so ziemlich alles denkbare ermöglichten, von Sprachförderung über Fachkräfte-Ausbildung bis zur Schaffung von weiteren Kita-Plätzen oder der Beitragsentlastung der Eltern. Vom "Geld-für-alles-Gesetz" war da die Rede.

"Geld-für-alles-Gesetz" macht vieles möglich

Was die Länder daraus gemacht haben, zeigt diese Karte. Und wie sie ihre Schwerpunkte finanziell setzten, geht im Detail vor allem aus den Anhängen der jeweiligen Bund/Länder-Verträge hervor, die ebenfalls dort zu finden sind.

Dass sie vom Ziel qualitativer Angleichungen abweichen, wurde nicht erst Ende 2019 schon kritisiert, als mit den Verträgen fest stand, was die Länder mit dem Geld machen würden. "Schummelbezeichnung" kam von der FDP aus der Opposition. Doch in ähnliche Richtungen ging auch Experten-Kritik etwa vom Paritätischen Gesamtverband, wie auch schon bei den Anhörungen im Bundestag 2018, als es die Grünen noch mit einem alternativen Gesetzentwurf versucht hatten.

Das aufälligste Beispiel für diese Abweichungen bietet Mecklenburg-Vorpommern. In dem Vertrag, den die frühere Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig dann als Ministerpräsidentin im Nordosten mit ihrer SPD-Parteifreundin Franziska Giffey unterschrieb, gewährte der Bund die Mittel ausschließlich zur Entlastung der Eltern von Kita-Beiträgen. Nichts ging hier also in mehr pädagogische Qualität im engeren Sinn, womit Mecklenburg-Vorpommern bundesweit aber allein geblieben ist.

Was Sachsen getan hat

Sachsen hat seine rund 269 Millionen Euro tatsächlich in zumindest eine Bedingung für Qualität investiert – in mehr Vor- und Nachbereitungszeit der Kita-Fachkräfte. Ab 22 Stunden Arbeitszeit pro Woche gab es mindestens eine Stunde für "mittelbare pädagogische Tätigkeiten" wie Dokumentation und Planung von Bildungsangeboten, ab 34 Stunden pro Woche mindestens zwei Stunden. Für Kindertagespflegepersonen ("Tagesmütter") wird je betreutem Kind eine halbe Stunde wöchentlich für solche Zwecke finanziert. Das Plus an dazu nötigen Fachkräften für die Kitas wurde auf 5,4 Prozent beziffert.

Verwendung der Mittel aus dem "Gute-Kita-Gesetz":
Betreuungsschlüssel: 96 Prozent – Kindertagespflege: 4 Prozent

Der Vertrag mit dem Bund – Vorhaben des Landes im Anhang im Detail

Das Beispiel Sachsen zeigt dabei recht plastisch, wie teuer nennenswerte Verbesserungen beim Personalschlüssel werden können, was auch eine der größten Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieses Ziels ist. Denn Aufwuchs beim Personal müssen die Länder weiter finanzieren, um danach den erreichten Stand zumindest zu halten. Für die vier Jahre, in denen Mittel des Bundes flossen, gingen diese in Sachsen fast vollständig darin auf.

Allerdings haben die Kitas im Land auch beim "Bildungsstärkungsgesetz" etwas abbekommen; und für ihren weiteren Ausbau nutzt Sachsen auch Mittel aus dem Konjunkturpaket des Bundes für die Jahre 2020 und 2021.

Gut scheint es den Kitas im Land jedoch noch nicht zu gehen und günstiger werden sie auch nicht. Trotz der Anfang 2020 erweiterten Spielräume für Kommunen, Kita-Kosten zu senken, sind sie weiter sehr unterschiedlich hoch für Eltern und steigen auch weiter, wie jetzt beispielsweise in Chemnitz.

Die Umsetzung in Sachsen-Anhalt

Sachsen-Anhalt hat seine rund 140 Millionen Euro größtenteils in eine Entlastung der Eltern mit mehreren Kita-Kindern von den Gebühren gesteckt und den Rest zu gleichen Teil in Gewinnung und Ausbildung zusätzlichen Personals und pädagogische Fachberatung sowie in mehr Personal für Einrichtungen mit besonderem Bedarf. Hierfür werden den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zusätzliche 137 Vollzeitstellen finanziert.

Verwendung der Mittel aus dem "Gute-Kita-Gesetz":
Gebühren: 58 Prozent – Betreuungsschlüssel: 21 Prozent – Fachkräfte: 21 Prozent

Der Vertrag mit dem Bund – Vorhaben des Landes im Anhang im Detail

Mit der Gebührenentlastung kann das Land zumindest für etwas mehr Gleichheit innerhalb Sachsen-Anhalts sorgen, denn die Kosten für Kita-Plätze variieren regional stark. Gleichwohl hieß es unter anderem bei der SPD vor der Landtagswahl 2021, dass die finanzielle Entlastung von Familien noch nicht reiche, weil Kitas auch Bildungseinrichtungen seien. Beim Thema Qualität ist also noch nicht viel Neues passiert, während die Belastung des Personals auch wegen der hohen Auslastung der Einrichtungen weiter hoch ist.

Was Thüringen getan hat

Thüringen hat seine rund 142 Millionen Euro in vier Feldern verwendet und den größten Teil zur Verbesserung der Fachkraft-Kind-Relation. Umgesetzt im neuen Kindergartengesetz seit 1. August 2020, wurden Personalprobleme verschärft und das Gesetz gelockert, um in Kindergärten doch auch geringer qualifizierte Sozialassistenten und Kinderpfleger einsetzen zu können.

Mit fast genau so viel Geld wurde zudem die Beitragsfreiheit für Eltern ausgebaut, von einem auf zwei Jahre vor der Einschulung. Der Rest fließt in ein noch mäßig frequentiertes Modellprojekt "Vielfalt vor Ort begegnen". Dabei geht es um multiprofessionelle Teams in Kindertagesstätten "mit komplexen Bedarfen" – mithin also auch um die Qualität pädagogischer Arbeit.

Verwendung der Mittel aus dem "Gute-Kita-Gesetz":
Betreuungsschlüssel: 44 Prozent – Gebühren: 43 Prozent – Pädagogische Arbeit: 12 Prozent – Fachkräfte: 1 Prozent

Der Vertrag mit dem Bund – Vorhaben des Landes im Anhang im Detail

Unsicher ist, wie es weitergeht. Um Qualität zu entwickeln, hatte etwa die Landtagsfraktion der Grünen ein Gutachten erarbeiten lassen. Ob und wie es sich nutzen lässt, wird sich vermutlich aber erst zeigen, wenn die politischen Verhältnisse im Land auf längere Sicht etwas klarer werden sollten, frühestens wohl, wenn über den Landeshaushalt für 2022 gesprochen werden muss.

Die Ergebnisse

Zumindest angeschoben ist der Anspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschüler der Schuljahrgänge ab 2026. Dabei steckte er bis kurz vor der Bundestagswahl noch im Vermittlungsausschuss fest, weil den Ländern die vom Bund zugesagte Finanzierung nicht reichte. Nach dem erst Anfang September gefundenen Kompromiss soll er sich nun aber mit bis zu 3,5 Milliarden Euro am Platz-Ausbau beteiligen und später dann auch stärker an den laufenden Betriebskosten. Damit dürfte dieses Vorhaben der schwarz-roten Koalition für den Bund langfristig eines der teuersten in diesem Bereich werden.

Der Nationale Bildungsrat scheiterte am föderalen Kompetenzgerangel in der Bildung. Experten sowie Vertreter von Bund und Ländern sollten ebenfalls zur Vereinheitlichung von Verhältnissen beitragen, etwa zur bundesweiten Angleichung des Abiturs. Doch es ging hier nicht um viel Geld und die Kultusminister begnügten sich nach der Absage von Baden-Württemberg und Bayern Ende 2019 schließlich doch mit einer eher unverbindlichen Expertenkommission ohne den Bund.

In einem ähnlich gelagerten Gekabbel zwischen Bund und Ländern hing länger auch der Digitalpakt Schule fest, ebenfalls ein Vorhaben des Koalitionsvertrags, das durch die Schulschließungen in der Corononavirus-Pandemie noch wichtiger wurde. In ähnlicher Größenordnung wie beim "Gute-Kita-Gesetz" fließt hier viel Geld, allerdings – wie sich etwa in Thüringen zeigt – erheblicher langsamer.

Beim "Gute-Kita-Gesetz" sieht die Bilanz besser aus. Das Geld ist flott verteilt worden, und wofür es verwendet wird, ist in einer bisher seltenen Transparenz dokumentiert – etwa im kurzen Bericht vom Sommer 2020 noch unter Ministerin Giffey, basierend auf einem umfangreichen wissenschaftlichen Monitoring.

Zudem gibt es im Gesetz vereinbarte Evaluationen, ob und wie die Ziele erreicht werden. Am 22. September – vier Tage vor der Bundestagswahl – wurde der erste Bericht im Bundeskabinett behandelt. Er sollte danach dann auch dem Bundestag zugeleitet werden. Daraus Schlüsse zu ziehen, wird allerdings dem neu gewählten Parlament zukommen. Ein weiterer Evaluierungsbericht ist für 2023 geplant.

Das "Gute-Kita-Gesetz" ist ein Anfang

Bereits jetzt aber lässt sich sagen: Seinem Namen wird das "Gute-Kita-Gesetz" bestenfalls zur Hälfte gerecht. Denn – wie auch immer man "Qualität" auffasst – ein Großteil der Mittel floss und fließt in Dinge, die damit ohne Spitzfindigkeiten kaum zu verbinden sind. So ist es Union und SPD bei Wahrung der Länderkompetenzen kaum gelungen, bessere Strukturbedingungen für Qualität durchzusetzen.

Zwar mag etwa in Mecklenburg-Vorpommern mit der Beitragsentlastung die Betreuungsquote in bestimmten sozialen Gruppen erhöht worden sein und damit auch die Teilhabe von Kindern an Bildungschancen. Trotzdem ist das ist eher Sozialpolitik. Für mehr pädagogische Qualität oder gleichwertigere Verhältnisse bei der Kinderbetreuung in Deutschland wäre aber vor allem eine Angleichung durch bessere Personalschlüssel ein zählbarer Schritt und eine Voraussetzung.

Denn Unterschiede etwa zwischen Ost und West sowie zwischen einzelnen Regionen scheinen sich eher noch auszuwachsen, wenn die Mittel anteilig gleich über Länder mit unterschiedlichen Bedingungen verteilt werden und es ihnen auch derart frei überlassen bleibt, wie sie die Mittel des Bundes überhaupt einsetzen.

So mag das Versprechen "guter Kitas" in ganz Deutschland für ein Bundesgesetz etwas zu vollmundig gewesen sein. Es wurden damit jedoch Prozesse angestoßen, von denen im besten Fall zu hoffen wäre, dass sie nicht mehr aufzuhalten sind.

Mit dem "Gute-Kita-Gesetz" ist ein Anfang gemacht, vor allem aber auch ein Anspruch in die Welt gesetzt, den künftige Politiker in Bund und Ländern nicht mehr einfach umgehen können. Eine Fortsetzung würde den Kitas gut tun.

Quelle: MDR, ksc