JVA BurgHalle-Attentäter soll für Geiselnahme "selbstgebauten Schussapparat" benutzt haben
Im Gefängnis Burg hat der verurteilte Halle-Attentäter am Montag zwei Mitarbeiter als Geiseln genommen, konnte aber überwältigt werden. Nun klären die Ermittler, wie er an einen "selbstgebauten Schussapparat" kommen konnte. Der 30-Jährige hatte am 9. Oktober 2019 einen Terroranschlag auf die Synagoge in Halle verübt und zwei Menschen umgebracht. Vor zwei Jahren war er dafür zu lebenslanger Haft verurteilt worden und befindet sich aktuell in der JVA Burg.
- Der verurteilte Halle-Attentäter soll bei einer Geiselnahme in der JVA Burg eine "selbstgebaute Schusswaffe" verwendet haben.
- Laut dem Junstizministerium hatte er Zugang zu Gegenständen des alltäglichen Bedarfs.
- Der 30-Jährige war im Juni 2020 nach einem Fluchtversuch aus dem Gefängnis in Halle nach Burg verlegt worden.
Bei der Geiselnahme am Montag in der Justizvollzugsanstalt in Burg im Jerichower Land hat der Täter offenbar einen "selbstgebauten Schussapparat" benutzt. Das geht nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT aus internen Ermittlungsunterlagen hervor. Den Gegenstand habe der Geiselnehmer beim Zugriff der Beamten weggeworfen. Bei der anschließenden Durchsuchung des Geiselnehmers seien noch eine Bastelschere, ein Messer und ein Dosenöffner gesichert worden. Wie aus den internen Unterlagen hervorgeht, soll der Geiselnehmer auch einen Schuss abgegeben haben.
Bei dem Täter handelt es sich um den rechtsextremen Halle-Attentäter, der wegen Mordes zu lebenslanger Haft mit Sicherungsverwahrung verurteilt wurde. Er hatte am Montag gegen 21 Uhr zwei Mitarbeiter der JVA Burg in seine Gewalt gebracht. Justizvollzugsbedienstete konnten den 30-Jährigen nach weniger als einer Stunde im Innenbereich des Gefängnisses überwältigen. Der Täter wurde dabei verletzt. Die Bediensteten seien körperlich unversehrt, würden aber betreut, teilte das Justizministerium mit.
Täter hatte Zugang zu Gegenständen des alltäglichen Bedarfs
Bei einer Pressekonferenz am Dienstag nannte das Justizministerium zunächst keine Details zu möglichen Waffen oder Gegenständen, die der Geiselnehmer am Abend benutzt haben soll. Der Gefangene sei in der Haftanstalt in einer Kleingruppe untergebracht gewesen und habe somit "begrenzt auch Gegenstände des täglichen Bedarfs in Besitz" gehabt, sagte Frank Meyer vom Justizministerium. "Im Vergleich zum Durchschnittsgefangenen ist die Haftausstattung äußerst übersichtlich".
Die Zelle des Gefangenen werde regelmäßig durchsucht, teilte Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) mit. Woher er die Komponenten seines selbstgebauten Schussapparats bezogen habe, überprüfe derzeit das LKA.
Geiselnehmer zeigte "ambivaltes Verhalten"
Der Halle-Attentäter werde aktuell "engmaschig" überwacht, hieß es weiter. Weidinger sagte, es mache sie betroffen zu sehen, dass er seine Grundhaltung kein Stück geändert habe. Die genauen Hintergründe der Tat würden geprüft. Der verurteilte Attentäter habe ein "ambivalentes Verhalten" an den Tag gelegt, so Weidinger. Er sprach mit den Mitarbeitern der Haftanstalt, lehnte sich aber auch immer wieder auf.
Bereits vor einigen Wochen gab es einen "sicherheitsrelevanten Vorfall" in dem Hochsicherheitsgefängnis, teilte das Ministerium mit. Demnach hatte der Gefangene die Tür zu seiner Zelle mit Papier verkeilt und war anschließend zeitweise in einen Haftraum mit Kameraüberwachung verlegt worden.
Ministerium: Täter wird möglicherweise in anderes Gefängnis gebracht
Nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT soll sich der Gefangene am Abend der Geiselnahme merkwürdig verhalten haben. Daraufhin wurde er in einen anderen Bereich des Gefängnisses gebracht, wo er einen Wärter überwältigt und mit einem Gegenstand bedroht haben soll. Danach soll er die Geisel gegen einen anderen JVA-Beamten ausgetauscht haben. Zu dieser Zeit standen den Informationen zufolge mehrere Kollegen zugriffbereit um die beiden herum.
Nach einer Stunde soll sich die Geisel "ruckartig" befreit haben und der Geiselnehmer überwältigt worden sein. Er befindet sich aktuell in Isolationshaft mit "besonderer Sicherheitsverwahrung", sagte der zuständige Abteilungsleiter des Justizministeriums, Wolfgang Reichelt.
Man überlege, den Täter in eine Haftanstalt eines anderen Bundeslandes zu bringen. MDR-Information zufolge könnte er in ein Gefängnis in Nordrhein-Westfalen oder Bayern verlegt werden. Dieses Verfahren nennt sich Sicherheitsverlegung und ist wohl Standard nach einer Geiselnahme im Gefängnis.
Wie das Ministerium weiter mitteilte, kann man Rückschlüsse ziehen, dass der Geiselnehmer plante, aus der Haftanstalt zu fliehen. Auf den ersten Blick sei nicht festzustellen, dass das Personal der JVA in Burg falsch reagiert habe, so Reichelt. Es habe zu keiner Zeit eine Gefahr für die Allgemeinheit bestanden.
Anschlag auf Synagoge im Oktober 2019
Der Geiselnehmer und rechtsextreme Attentäter hatte am 9. Oktober 2019, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, versucht, in die Synagoge von Halle einzudringen und ein Massaker anzurichten. Er schoss auf die Eingangstür und warf Brand- und Sprengsätze. Als er nicht auf das Gelände gelang, erschoss er eine 40-jährige Passantin und einen 20 Jahre alten Gast eines Döner-Imbisses. Auf der Flucht verletzte er weitere Menschen.
Im Dezember 2020 wurde der damals 28-Jährige vom Oberlandesgericht Naumburg zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter stellten außerdem die besondere Schwere der Schuld fest und ordneten Sicherungsverwahrung an.
Linke und Grüne drängen auf Aufklärung
Die Linke in Sachsen-Anhalt hat nach der Geiselnahme umfassende Aufklärung gefordert. Fraktionschefin Eva von Angern sagte am Dienstag, Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) müsse alles unternehmen, damit der aktuelle Vorfall aufgearbeitet und Schwachstellen behoben werden.
Die Landtagsfraktion der Grünen drängte unterdessen auf eine Sondersitzung des Rechtsausschusses. Der Parlamentarische Geschäftsführer Sebastian Striegel sagte, man müsse schnell zu gesicherten Informationen kommen.
Wegen Fluchtversuch in Halle nach Burg verlegt
Der Attentäter ist seit Juni 2020 im Gefängnis in Burg inhaftiert. Er gilt nach Informationen von MDR SACHSEN-ANHALT als schwieriger Gefangener. Bereits in der Vergangenheit soll es Zwischenfälle mit ihm gegeben haben.
Noch vor dem Prozess war er in der JVA "Roter Ochse" in Halle untergebracht. Dort hatte er Ende Mai 2020 einen Fluchtversuch gestartet. Vom Freistundenhof, auf dem er sich befand, war er über einen knapp dreieinhalb Meter hohen Zaun geklettert und in den Innenbereich der Anstalt gelangt, wo er sich etwa fünf Minuten unbeaufsichtigt bewegen konnte.
Nach Bekanntwerden des Vorfalles hatte ihn das Justizministerium in die JVA Burg verlegen lassen. Das Gefängnis an der Autobahn 2 hat laut Ministerium 637 Haftplätze im geschlossenen Vollzug plus 18 Haftplätze für die Sicherungsverwahrung.
Mehr zum Halle-Attentat am 9. Oktober 2019
epd, dpa, MDR (Kevin Poweska, Cornelia Winkler, Lars Frohmüller, Annekathrin Queck) | Erstmals veröffentlicht am 13.12.2022
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 13. Dezember 2022 | 19:00 Uhr
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