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Die meisten männlichen Pfleger fehlen in Sachsen-Anhalt im Bereich der Altenpflege. Bildrechte: MDR/Maximilian Fürstenberg

Fachkräfte dringend gesuchtDeshalb müssten mehr Männer in der Pflege arbeiten

01. Oktober 2022, 18:13 Uhr

In Sachsen-Anhalt gibt es (zu) wenige männliche Pfleger. Dass sich Männer nicht oder selten für den Beruf entscheiden, liegt oft an Klischees und zu wenig Werbung. Zwei Pflegefachkräfte in Ausbildung erzählen, warum sie sich trotzdem für ihren Beruf entschieden haben – und hoffen, dass sie nicht die einzigen bleiben.

von Maximilian Fürstenberg, MDR SACHSEN-ANHALT

Unter einer knallgelben Decke liegt der 18-Jährige Niklas Rehfeldt in einem Pflegebett. Neben ihm stehen Geräte zur Kontrolle der Vitalfunktionen und ein Tropf. Mit einem Blutdruckmesser tritt Christian Blumrodt an sein Bett. "Liegen Sie bequem? Haben Sie noch einen Wunsch?", fragt er freundlich.

Blumrodt legt Niklas eine Manschette um den Arm. Als er diese aufpumpen will, unterbricht ihn eine Stimme aus dem Off: "Was machen Sie als erstes, bevor Sie die Manschette aufpumpen?" Blumrodt stockt kurz. "Sie fühlen den Radialispuls", mahnt sie ihn. Er nickt verlegen. "Na, dann suchen Sie mal."

Die Situation ist nur gespielt. Niklas und Christian gehören zu den wenigen männlichen Auszubildenden im Bereich der Pflege in Sachsen-Anhalt. In einem Übungsraum der Pflegeschule der "Fit" Ausbildungsakademie in Magdeburg proben sie die Arbeit am Patienten.

Pfleger wird eher, wer den Beruf aus dem nahen Umfeld kennt

Der Puls ist normal, die Übung beendet und Niklas Rehfeldt kann wieder aus dem Bett herausklettern. Er hat sich bewusst für die Ausbildung entschieden – und, weil er den Beruf vorab schon kannte: "Meine Schwester macht dieselbe Ausbildung und ist im dritten Lehrjahr und mein bester Freund macht die Ausbildung auch."

Bei Christian Blumrodt ist das ähnlich. Er ist 40 Jahre alt und hat zuvor in der Papierindustrie gearbeitet, wie er MDR SACHSEN-ANHALT verrät. Nach einem Berufsunfall musste er sich umorientieren. Und auch hier: "Bei uns in der Familie arbeiten sehr viele Mitglieder in der Pflege und ich habe mich dann angeschlossen." Jetzt ist er der erste männliche Pfleger in seiner Familie.

Bei uns in der Familie arbeiten sehr viele Mitglieder in der Pflege und ich habe mich dann angeschlossen.

Christian Blumrodt | Pflegefachkraft in Ausbildung

Es zeigt sich ein erstes Bild, warum so wenige Männer als Pflegefachkräfte arbeiten: Pfleger wird eher, wer den Beruf aus nächster Nähe kennt. Auch die Schulleiterin der "Fit" Ausbildungsakademie, Cordula Rauhut, kennt das Phänomen: "Das ist oftmals traditionell oder familiär begründet. Mutter, Ehefrau oder Schwester sind in der Pflege schon tätig und oft sind es dann Männer, die sich auf dem zweiten Bildungsweg auch für die Pflege entscheiden."

In der Altenpflege fehlen am meisten männliche Pfleger

Beide Auszubildende sind momentan im zweiten Jahr der Ausbildung zur Pflegefachkraft. Den dazugehörenden praktischen Teil üben sie im Bereich der Altenpflege aus. Das ist auch gut so, denn laut Schulleiterin Rauhut ist das der Bereich, in dem am meisten Männer in Sachsen-Anhalt gesucht und gebraucht werden.

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Laut Statistischem Landesamt Sachsen-Anhalt waren zum Stichtag am 15. Dezember 2019 in den Pflegeheimen 23.794 Pflegekräfte tätig, lediglich 3.613 von ihnen waren Männer. Ähnlich sieht es bei den ambulanten Pflegediensten – der Pflege zu Hause – aus. Hier waren etwa neun von zehn Beschäftigten Frauen. Das sind 12.441 von 13.918 Pflegekräften in der Altenpflege.

Klischees müssen aus den Köpfen der Menschen

Dass die Männer in der Pflege fehlen, ist immer noch ein gesellschaftliches Problem, das auf Klischees beruht, erklärt Cordula Rauhut. Dass Männer in der Pflege schwach seien und nur Frauen fürsorglich sein können, treffe nicht zu, sagt die Schulleiterin weiter.

Welche Mutter, welcher Vater sagt seinem Sohn: 'Werde mal Pflegekraft'. Es ist eher Feuerwehr, Polizist und Arzt.

Cordula Rauhut | Schulleiterin Fit Ausbildungs-Akademie

Es sei allerdings immer noch schwer, diese Gedanken aus den Köpfen vieler Menschen herauszukriegen: "Das fängt schon in der Erziehung im Kindesalter an. Welche Mutter, welcher Vater sagt seinem Sohn: 'Werde mal Pflegekraft'. Es ist eher Feuerwehr, Polizist und Arzt", so Rauhut.

Berufsorientierende Programme sollen mehr Jungen für Pflege interessieren

Dabei gibt es Programme zur Berufsorientierung, die dagegen steuern sollen. Auf Nachfrage teilt das Bildungsministerium MDR SACHSEN-ANHALT mit, dass es Programme gibt, die explizit dafür sorgen sollen, dass Jungen in Pflegeberufe reinschauen können.

Eines der Programme ist der Boys' Day – Zukunftstag, der jährlich stattfindet. Mit der Teilnahme am Boys' Day sollen frühzeitig Geschlechterstereotype aufgebrochen und die Arbeit von Männern in Pflege- bzw. Erziehungseinrichtungen vorgestellt werden, so das Ministerium.

Doch aktuell ist das Interesse bei der angesprochenen Zielgruppe der Jugendlichen noch gering bis gar nicht vorhanden. Die Schulleiterin, die die Zeit über sehr tough im Gespräch wirkt, scheint an dieser Stelle nachdenklich zu werden: "Boys' Day hatten wir tatsächlich auch schon. Aber für die Pflege war dort kein Interesse. Es war dann eher Interesse für Labor, Physiotherapie und die Erzieherausbildung da."

Pflege ist mehr als nur waschen und reden

Der Klassenraum in der Pflegeschule ist gut gefüllt. Niklas und Christian sitzen – bis auf ein paar andere Männer – zwischen Frauen unterschiedlichen Alters. Zu Beginn der Stunde geht die Lehrerin durch die Reihen und gibt Testblätter zurück: "Wenn Sie schon voneinander abschreiben, dann schreiben Sie wenigstens das Richtige ab", sagt sie scherzhaft. Die Klasse lacht.

Es denken viele, Pflege heißt nur waschen und mit Menschen reden. Es geht auch um Erkrankungen und wie man mit denen umzugehen hat.

Niklas Rehfeldt | Pflegefachkraft in Ausbildung

Die Situation fühlt sich wie eine klassische Schulstunde an und irgendwie auch nach mehr. Auf den Testbögen sind Teile des menschlichen Skeletts und Muskeln abgebildet.

Dass die Ausbildung mehr ist, als nur Biounterricht, erklärt Niklas Rehfeldt eindeutig: "Die Ausbildung hat viel mit Medizin zu tun. Es denken viele, Pflege heißt nur waschen und mit Menschen reden. Es geht auch um Erkrankungen und wie man mit denen umzugehen hat." Schließlich will er, dass sich die Patienten wohlfühlen, fügt er hinzu.

Männer sind bei den Patienten beliebt

Die wenigen Männer in der Pflege sind beliebt – nicht nur, weil sie in einigen Fällen mehr Gewicht heben können, sondern einfach weil sie Männer sind. Christian Blumrodt muss bei dem Gedanken lachen. Die Männer würden sogar von den Patienten bevorzugt, sagt er.

So würden sich die Frauen freuen, wenn sie ab und an auch von einen männlichen Pfleger gepflegt werden. Und auch die Männer kämen auf ihre Kosten: "Die Männer freuen sich, nicht ständig von Frauen gepflegt zu werden, sondern auch unter der Hand etwas erzählen zu können, was sie gegenüber den Frauen nicht äußern würden", sagt er augenzwinkernd.

Die Männer freuen sich, nicht ständig von Frauen gepflegt zu werden, sondern auch unter der Hand etwas erzählen zu können, was sie gegenüber den Frauen nicht äußern würden.

Christian Blumrodt | Pflegefachkraft in Ausbildung

Kooperation mit Schulen würde helfen

Gründe, dass viele Männer nicht in die Pflege gehen, gibt es einige: Klischees, zu wenig Werbung und ein erst seit September angehobenes Gehalt. Die Schulleiterin Cordula Rauhut wünscht sich eine Kampagne, bei der gezielt Männer in die Pflege gerufen werden. So etwas gibt es ihrzufolge in Sachsen-Anhalt nicht.

Doch sie hat noch eine andere Lösung parat: Kooperationen zwischen Ausbildungsakademie und Sekundarschulen. "Ich würde mir wünschen, dass unsere Pflegeschule ein Netzwerk gründet, wo wir den Schülern das Berufsfeld vorstellen, um damit das Interesse für den Pflegeberuf zu wecken." Ob so eine Zusammenarbeit eines Tages stattfindet, ist noch unklar. Die Hoffnug ist auf jeden Fall vorhanden.

Niklas Rehfeldt wirkt da realistischer: "Ich denke, dass die Frauenquote immer über der Männerquote liegen wird. Die Männerquote wird wahrscheinlich steigen, aber sie wird nicht gleich sein."

In welchem Bereich Niklas und sein Kollege Christian im Pflegebereich später arbeiten wollen, wissen sie noch nicht. Doch es ist bei den jungen Auszubildenden Hoffnung zu spüren. Denn würden einmal viele Männer in den Pflegeeinrichtungen sein, würden auch mehr Männer dadurch angelockt werden, schließt Niklas.

Mehr zum Thema: Männer-und frauendominierte Berufe

MDR (Maximilian Fürstenberg)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE | 25. September 2022 | 19:00 Uhr

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