Auf der BaustelleAsylbewerbereinrichtung in Stendal: Unter Druck beim Bau der Landesaufnahmestelle
Die vorzeitige Inbetriebnahme der Landesaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (LAE) in Stendal stellt die Verantwortlichen vor besondere Herausforderungen. Die Einrichtung soll bereits im Sommer des kommenden Jahres in Teilbetrieb gehen – rund anderthalb Jahre vorher als ursprünglich geplant.
- Im Sommer 2024 sollen die ersten Menschen in Stendal einziehen.
- Die Bauarbeiten gehen dann aber noch weiter – bis Ende 2025 sollen die "richtigen" Versorgungsgebäude fertig sein.
- Anwohnerinnen und Anwohner wünschen sich mehr Informationen über die Aufnahmeeinrichtung.
"Der Druck ist gewaltig", sagt verantwortliche Baugruppenleiter Sven Engel vom Landesbetrieb Bau- und Liegenschaftsmanagement Sachsen-Anhalt (BLSA). Im Sommer 2024 sollen die ersten rund 600 Menschen in Stendal einziehen. Dies hat die Landesregierung vor vier Wochen beschlossen. Dazu muss improvisiert werden. Mit Containern und einem Gebäude in Leichtbauweise soll eine schnelle Übergangslösung geschaffen werden. Rund drei Millionen Euro sind laut Finanzministerium dafür veranschlagt. Es werden Büros für die Ausländerbehörde und andere Mitarbeiter benötigt. Aber auch die Essensausgabe sowie ein Waschgebäude sind bisher noch nicht vorhanden.
Die Wohnblöcke für fast 1.000 Menschen sind nach jetzt vier Jahren Bauzeit allerdings so gut wie bezugsfertig, wie Bauleiter Sven Engel sagt. Von zwei weiteren Versorgungsgebäuden ist bislang nicht viel zu sehen: Es stehen nur die verbliebenen Stützpfeiler der ehemaligen Kaserne. "Die Pfeiler sind das Einzige, was für den Neubau noch zu gebrauchen war", sagt Engel. Bis Ende 2025 sollen die "richtigen" Versorgungsgebäude fertig sein.
Bauarbeiten gehen auch nach Einzug weiter
Wenn im zweiten Quartal des kommenden Jahres die ersten Menschen in Stendal in der Landesaufnahmeeinrichtung einziehen werden, dann muss parallel noch weiter an diesen Versorgungsgebäuden gebaut werden. "Die Baustelle wird mit Zäunen abgegrenzt", sagt Bauleiter Sven Engel. Es werde Zugangskontrollen geben, so dass sowohl die Bauarbeiter in Ruhe weitermachen können als auch die dann dort lebenden Menschen ihren geschützten Raum haben. Die Stendaler Einrichtung wurde von Anfang an insbesondere für sogenannte vulnerable Menschen konzipiert, dass heißt Frauen und Kinder aber auch Traumatisierte.
Die Menschen sollen jeweils für eine maximale Aufenthaltsdauer von 18 Monaten in Stendal bleiben, so sieht es die Konzeption des Innenministeriums vor. Erstregistrierungen sollen aber weiterhin in Halberstadt in der zentralen Aufnahmeeinrichtung des Landes erfolgen.
Asylbewerber-Situation in Sachsen-Anhalt
Da die Zahlen der in Sachsen-Anhalt ankommenden Asylbewerber wieder angezogen hat und zahlreiche Landkreise Schwierigkeiten bei der Unterbringung signalisierten, hatte dass Land nun die vorzeitige Inbetriebnahme der Stendaler Einrichtung beschlossen. Im vergangenen Jahr waren rund 5.700 Menschen – Ukrainerinnen und Ukrainer ausgenommen – als Asylsuchende ins Land gekommen. Auch 2023 waren es bis April rund 2.000 – und damit ähnlich viele wie im Vorjahr, allerdings noch sehr weit entfernt von 2015, als rund 34.000 Menschen kamen und über den sogenannten Königssteiner Schlüssel auf das Land verteilt wurden.
2015 ist auch das Jahr gewesen, als der damalige Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) die ehemalige Grenztruppen-Kaserne in Stendal als eine mögliche zentrale Aufnahmeeinrichtung für das Land entdeckte. Lange wurde mit dem Bund über die Finanzierung des Objektes verhandelt. Erst vor vier Jahren begann der Bau, als viele schon Zweifel an der Sinnhaftigkeit angemeldet hatten.
Mittlerweile sind die Gesamtkosten angestiegen auf 56,8 Millionen Euro, wie das Finanzministerium in Magdeburg mitteilt. Dazu kommen 1,59 Millionen als sogenannte Risikokosten, wie Nicole Weishof von der Fachaufsicht im Ministerium mitteilt. Bislang war von Kosten in Höhe von 45 Millionen Euro ausgegangen worden. "Die zusätzlichen Kosten wurden Anfang Mai durch den Landtag bestätigt", sagt Weishof.
Anwohner fordern mehr Informationen
Unterdessen fordern Anwohner aus dem angrenzenden Ortsteil Stendal-Wahrburg mehr Informationen über die baldige Inbetriebnahme der LAE. "Seit 2015 hat es keine näheren Informationen mehr gegeben", sagt die Ortsbürgermeisterin Carola Radke. Sie beschreibt die Stimmung als geteilt im Ort. "Einige wollen helfen, andere haben Angst und wiederum andere lehnen das Ganze gänzlich ab", sagt sie. Auf jeden Fall gebe es viele Fragen.
Weitere Informationsveranstaltung geplant
Das Innenministerium arbeitet an einer Informationsveranstaltung, wie eine Sprecherin auf Anfrage mitteilt. Möglicherweise direkt auf dem Gelände der künftigen Ausnahmeeinrichtung. Auch der Stendaler Landrat Patrick Puhlmann (SPD) drängt auf mehr Information für die Menschen vor Ort: "Es braucht jetzt gute Konzepte." Man müsse auch aus Erfahrungen von anderen Orten mit größeren Asylbewerberheimen lernen, damit es sich nicht zu einem Problemgebiet entwickeln kann.
Allerdings: Schon jetzt hat der Landkreis Schwierigkeiten beim Personal. Allein die Stellen für die Ausländerbehörde sind kaum zu besetzen, so Puhlmann. Und das Land möchte, dass der Landkreis mit noch weiteren sechs Mitarbeitern künftig in der LAE vor Ort ist. "Wir haben ein Amtshilfegesuchen an das Land gestellt", sagt Puhlmann. Allein werde man das nicht schaffen.
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MDR (Bernd-Volker Brahms, Johanna Daher)
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 02. Juni 2023 | 06:30 Uhr
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