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KreistagFlüchtlingsheime im Landkreis Görlitz: Bürger stellen Landrat kritische Fragen

19. April 2023, 18:31 Uhr

Bei einer Sondersitzung des Kreistages Görlitz zu den geplanten Flüchtlingsunterkünfte in Boxberg und Hirschfelde stellte sich Landrat Stephan Meyer den Fragen von Einwohnern. Viele Gegner der Heime nutzen die Gelegenheit, um ihre Kritik an den Plänen zu äußern. Andere warnten vor rechter Hetze. Landrat Meyer ging auf die Bedenken der Kritiker ein, betonte aber auch, dass er für Weltoffenheit stehe.

Bei einer Sondersitzung des Görlitzer Kreistages zu den geplanten Flüchtlingsheimen in Boxberg und Hirschfelde haben Einwohner des Landkreises die Möglichkeit gehabt, Fragen zu stellen und Anregungen einzubringen. Auf der Sitzung hatten zuvor die Mitglieder des Kreistages einen Antrag der AfD mehrheitlich abgelehnt, die verhindern wollte, dass im Landkreis weitere Flüchtlingsunterkünfte entstehen. Das Landratsamt plant derzeit Gemeinschaftsunterkünfte im Zittauer Stadtteil Hirschfelde, in Boxberg sowie in Görlitz. 100 Besucher aus dem Landkreis waren zu der Veranstaltung zugelassen, die Sitzplätze waren alle belegt.

Bürger fragt nach Obergrenze für Flüchtlingsaufnahme

Viele der anwesenden Bürger nutzen die Gelegenheit, um ihre Kritik an dem Heim zu äußern. Die Diskussion verlief teils hitzig. Auf Zwischen- und Buhrufe reagierte Meyer teils scharf, antworte aber auf die Fragen ruhig und sachlich.

Ein älterer Herr, der sich als Bürger des Zittauer Ortsteil Dittelsdorf vorstellte, fragte den Landrat, wann für ihn die Obergrenze der Aufnahmefähigkeit des Landkreises erreicht sei und forderte ihn auf, eine solche festzulegen. Landrat Meyer antwortete, dass er eine solche Zahl nicht nennen könne, "das wäre unredlich". Der Landkreis, betont Meyer allerdings, trete sehr kritisch gegenüber der Bundesregierung in Bezug auf deren Flüchtlingspolitik auf.

Er verwies auf den zuvor beschlossenen Antrag der Landkreisverwaltung, in dem es heißt, dass der Landkreis den Bund auffordern soll, die gesamten Kosten der Flüchtlingsunterbringung zu übernehmen und die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, "um Ausreisepflichtige zügig in die Heimatländer zurückzuführen".

Einwohner kritisieren fehlendes Geld an anderer Stelle

In vielen Fragen und Anmerkungen von Bürgern ging es auch um die Kosten für die Unterbringung der Asylbewerber. So sagte ein Hirschfelder Bürger, dass es in dem Ort an allen Ecken und Enden an Geld fehle, während es für das Heim Mittel gebe. Als Beispiel nannte er die Hirschfelder Schwimmhalle, die zurzeit geschlossen ist, weil die Stadt Zittau Energiekosten einsparen will. "Das kriegt man irgendwann nicht mehr zusammen", sagte er aufgebracht.

In der Tat sei in dem Ort in den letzten Jahren viel weggebrochen an Infrastruktur, antwortete Meyer ruhig. Er verstehe den Frust darüber. Deshalb müsse dafür gesorgt werden, dass diese Infrastruktur wieder aufgebaut wird und wieder mehr Menschen in den Ort ziehen. Das habe allerdings mit der Debatte über die Unterbringung von Flüchtlingen nichts zu tun.

Rentner beklagt angebliche "Rundumversorgung" der Geflüchteten

In eine ähnliche Richtung ging die Wortmeldung eines 73 Jahre alten Mannes aus Rosenthal, der sagte, dass viele Rentner die Kosten für Miete und Nebenkosten nur mit Mühe stemmen würden, während die Flüchtlinge "eine Rundumversorgung" bekämen. Meyer verwies darauf, dass es für die Flüchtlinge "keine Luxusunterbringung" gebe, sondern "einen einfachen menschenwürdigen Standard".

Es werde einen Tag der offenen Tür geben, an dem sich die Einwohner davon überzeugen können. Während die meisten anwesenden Bürger sich kritisch über die geplanten Flüchtlingsunterkünfte äußerten, gab es auch Wortmeldungen von Bürgern, die Sorgen über eine aus ihrer Sicht fremdenfeindliche Stimmung im Landkreis äußerten.

Fremde fühlen sich nicht sicher

Ein Mann aus Görlitz wollte wissen, ob es auch Gesprächsangebote für Menschen geben werde, die angesichts ihrer Hautfarbe in der Region Angst vor Anfeindungen und Angriffen hätten. Eine schwarze Kollegin aus Zittau habe ihm berichtet, dass sie sich nicht mehr sicher fühle. Landrat Meyer antwortete, das Thema sei wichtig, "auch in Bezug auf die Außenwirkung des Landkreises". Betroffene könnten sich an den Bürgermeister der jeweiligen Gemeinde sowie an den Ausländerbeauftragten des Landkreises wenden.

Emotionen schlagen hoch

Und eine junge Frau äußerte ihre Sorgen um die Sicherheit Geflüchteter: "Wer es hier rüber schafft, der kann nicht ruhig schlafen in der Nacht". Aufgebracht rief sie in Richtung des Landrates: "Was werden Sie tun gegen diese rechte Hetze?!" Mehrere ihre Sitznachbarn buhten während ihres Redebeitrags. Ein grauhaariger Mann aus dem Publikum stand wutentbrannt auf und lieferte sich ein Wortgefecht mit ihr.

Landrat: Kreis Görlitz steht für Weltoffenheit

Meyer ermahnte die Teilnehmer, sich nicht gegenseitig zu beleidigen und keine Streitgespräche miteinander zu führen, während er spreche, sonst werde er die Fragestunde beenden. Als wieder Ruhe eingekehrt war, antwortete der Landrat auf die Frage: Sicherheitskonzepte seien für die Landkreisverwaltung "ein Schwerpunkt", "damit die untergebrachten Menschen, aber auch die Bevölkerung, sich sicher fühlen können". Ein konkretes Sicherheitskonzept hat der Landkreis noch nicht vorgestellt.

Meyer betonte, der Landkreis sei auf Zuwanderung angewiesen, sowohl aus dem Ausland als auch aus anderen Gegenden Deutschlands. Das sei ein wichtiges Thema "auch mit Blick auf den Strukturwandel und Forschungseinrichtungen". Als Landrat wolle er gegenhalten gegen Hetze und Intoleranz. Er stehe im Landkreis für Weltoffenheit. Denn "wir werden uns selber abhängen, wenn es uns nicht gelingt, die notwendigen Zuwanderungsbewegungen in den Landkreis Görlitz zu erzeugen." Im Publikum gab es verhaltenen Applaus.

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MDR

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalnachrichten aus dem Studio Bautzen | 19. April 2023 | 05:30 Uhr