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HintergrundBombenfunde in Leipzig: Warum gibt es immer wieder Überraschungen?

23. September 2022, 12:49 Uhr

In Sachsen werden regelmäßig bei Bauarbeiten Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden. Häufig müssen tausende Menschen ihre Wohnung verlassen, wie zuletzt am Dienstag in Leipzig. Für Stadt, Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte ist das ein enormer Aufwand. Warum geht das nicht anders?

Bei den Bombenangriffen im Zweiten Weltkrieg sind mehr als 25.000 Fliegerbomben auf die Städte Leipzig, Dresden und Chemnitz gefallen, allein mehr als 11.000 in Leipzig. Den schwersten Luftangriff im Zweiten Weltkrieg erlebte die Stadt am 4. Dezember 1943.

Fast 15 Prozent der Bomben waren Schätzungen zufolge Blindgänger, die noch heute unter der Erde liegen. Wenn eine Bombe bei Bauarbeiten entdeckt wird, muss der Kampfmittelbeseitigungsdienst anrücken, um die Bombe zu entschärfen. Falls dies nicht möglich ist, muss sie geborgen und abtransportiert oder notfalls vor Ort gesprengt werden. Doch bis es soweit kommt, sind Bauherren, Kommune und Kampfmittelbeseitigungsdienst in der Regel schon vorbereitet.

Luftbilder liefern Hinweise für Suche von Blindgängern

Wo möglicherweise eine Bombe in Leipzig liegen könnte, hat die Würzburger Luftbilddatenbank recherchiert. Die private Firma hat Zugriff auf etwa 50.000 Luftbilder und Dokumente für Sachsen aus Archiven in den USA und Schottland. Auch Sachsen hat von den Experten eine sogenannte Kampfmittelbelastungskarte erstellen lassen, wie Geograf Johannes Kröckel MDR SACHSEN sagte.

Auf der Karte seien die Flächen kartiert, auf denen Bomben niedergingen und Einschläge zu erkennen oder zu vermuten seien. Kommunen, Bauherren und der Kampfmittelbeseitigungsdienst orientieren sich an dieser Karte und entscheiden dann, ob auf einem Baugelände weitere Sondierungen stattfinden müssen.

Wann genau die am Dienstag in Leipzig entschärfte 100-Kilo-Bombe abgeworfen wurde, könne er nicht sagen, so Kröckel. Das könne aber mithilfe der Kampfmittelbelastungskarte und den Informationen über den Bombentyp eingegrenzt werden.

Bauherr setzt Vorgaben der Stadt um

Im Fall der Bombe, die am vergangenen Dienstag an der Propsteikirche in Leipzig entdeckt worden war, hatte eine Prüfung des Geländes ergeben, dass dort Kampfmittel liegen könnten. Der Geschäftsführer des Bauherren AOC Immobilien in Magdeburg, Till Schwerdtfeger, sagte MDR SACHSEN, das Gelände sei deshalb mit Georadar sondiert worden, dabei sei aber nichts auffälliges entdeckt worden. Bei der Untersuchung mit Georadar werden aus einem Wagen elektromagnetische Strahlen in den Boden abgestrahlt, die von größeren Gegenständen reflektiert werden.

Suche mit Georadar und begleitende Sondierung

Doch auch bei dieser Methode ist es nicht einfach, eine Bombe aufzuspüren, weil die Sonde laut Experten je nach Bodenbeschaffenheit nur Gegenstände erfasst, die in zwei Meter Tiefe im Boden liegen. In einem Sandboden kann Georadar bis in fünf Meter Tiefe Gegenstände erfassen. Dazu kommt, dass in bebauten Gebieten in Innenstädten der Boden oft auch durch alte Rohre oder andere Gegenstände verunreinigt ist. In Reichenbach hatte sich vergangenen November eine vermeintliche Fliegerbombe als alter Heizkessel entpuppt.

Begleitend zu archäologischen Arbeiten auf dem Gelände in Leipzig hat das Unternehmen laut Schwerdtfeger zudem eine Tiefbaufirma und eine private Firma für Kampfmittelerkundung beauftragt, mögliche Gefahren im Auge zu behalten. Als bei Baggerarbeiten am Dienstagvormittag die 100-Kilo-Sprengbombe gefunden wurde, sei sofort der Kampfmittelbeseitigungsdienst informiert worden.

Wann ist eine Evakuierung notwendig?

Bei der Bombe in Leipzig war ein Sperrkreis von 600 Metern angeordnet worden, mehr als 7.000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen. Die Evakuierung des Gebietes dauerte zehn Stunden. Edgar Matthes, Sprecher des Kampfmittelbeseitigungsdienstes sagte MDR SACHSEN, eine Evakuierung sei immer dann notwendig, wenn die Gefahr von Personenschäden bestehe oder die Bombe nicht transportiert werden könne. "Alle schadensmindernden Maßnahmen wie mobile Wände oder andere Methoden sind nicht zertifiziert". Sprich: Wer eine solche Methode anwendet, trägt die Verantwortung dafür, wenn etwas schiefgeht.

Alle schadensmindernden Maßnahmen wie mobile Wände oder andere Methoden sind nicht zertifiziert.

Edgar Matthes | Sprecher des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Sachsen

In Ludwigshafen hatte die BASF im vergangenen Jahr eine riesige Pyramide aus Sand um eine 250-Kilo-Bombe errichtet und diese erfolgreich entschärft. Das Werksgelände musste deshalb nur in einem Umkreis von 300 Metern evakuiert werden, die Produktion lief weiter.

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MDR (kbe)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | SACHSENSPIEGEL | 21. September 2022 | 19:00 Uhr