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FAQOberbürgermeister in Nordhausen suspendiert: Die wichtigsten Infos zum Fall Buchmann

09. Mai 2023, 13:39 Uhr

Ein gewähltes Stadtoberhaupt zu entlassen, ist ein heikles Verfahren in einer Demokratie. MDR THÜRINGEN hat mithilfe des Gemeinde- und Städtebunds Thüringens die wichtigsten Rechtsfragen für Sie beantwortet.

von Armin Kung, MDR THÜRINGEN

Dass Bürgermeister und Stadtoberhäupter entlassen werden, ist laut Gemeinde- und Städtebund Thüringen äußerst selten. Bürgermeister und Oberbürgermeister sollen Stabilität gewährleisten und nicht zum Spielball politischer Interessen werden. Zumal es sich um direkt gewählte Personen handelt.

Suspendierung bei Rechtsverstoß möglich

Dennoch sind Stadtoberhäupter nicht unantastbar. Es existieren sogar zwei Arten der Amtsenthebung: die Abwahl durch die Wähler und das Entfernen aus dem Amt mit möglicher Suspendierung. Eine Abwahl setzt kein rechtliches Fehlverhalten voraus. Dies zeigt das Beispiel von Tilo Kummer (Linke) in Hildburghausen. Kummer wurden keine rechtlichen Verstöße vorgeworfen, trotzdem musste der Bürgermeister sich der Abwahl stellen. Er verlor. 

Aus dem Amt entfernt und vorläufig suspendiert werden Bürgermeister dagegen, wenn ihnen ein Rechtsverstoß vorgeworfen wird. Dies war zuletzt etwa beim ehemaligen Bad Lobensteiner Bürgermeister Thomas Weigelt (parteilos) der Fall. Der parteilose Kommunalpolitiker war Ende August 2022 vorläufig seines Amtes enthoben worden. Vorausgegangen war eine körperliche Attacke auf einen Journalisten der "Ostthüringer Zeitung".

Auch in Nordhausen geht es beim suspendierten Oberbürgermeister, Kai Buchmann (parteilos), um Rechtsverstößeder Fall. Diese Form ist deutlich umstrittener, weil sie mit dem Wählerwillen und dem Wahlergebnis bricht.

MDR THÜRINGEN hat deshalb mit dem geschäftsführender Vorstand des Gemeinde- und Städtebund Thüringen, Dr. Carsten Rieder, die wichtigsten rechtlichen Fragen für das komplizierte Verfahren einer Bürgermeisterentlassung beantwortet. 

Auf welcher rechtlichen Grundlage kann ein gewählter Oberbürgermeister vorläufig entlassen werden?

Für Beamte wie einen Oberbürgermeister gibt es in Thüringen ein eigenes Disziplinargesetz. Das Gesetz wird bei sogenannten Dienstvergehen angewendet.

Was bedeutet Dienstvergehen?

Dienstvergehen wird als die "Nichterfüllung von Pflichten" oder als eine erhebliche Verletzung von Dienstpflichten betrachtet. So steht es im deutschen Beamtenstatusgesetz. Kai Buchmann wird unter anderem vorgeworfen, Stadtratsbeschlüsse nicht umgesetzt zu haben.

Welche Personen haben die Macht, ein gewähltes Stadtoberhaupt zu entlassen?

Richterinnen und Richter. Genauer gesagt, kann nur ein Verwaltungsgericht schlussendlich entscheiden, ob ein Bürgermeister aus seinem Beamtenverhältnis entlassen wird. Das Thüringer Disziplinargesetz regelt dies unter Paragraf 41. Im Falle von Nordhausen muss die oberste Dienstbehörde, also der Landkreis Nordhausen, vor dem Verwaltungsgericht Meiningen klagen, um Buchmann endgültig entlassen zu können.

Bleibt ein Oberbürgermeister auch dann suspendiert, wenn er erneut zur Wahl antritt und gewinnt?

Ja, selbst bei einer Wiederwahl dürfte die Person das Amt nicht antreten. Das geht aus dem Thüringer Gesetz über kommunale Wahlbeamte hervor. Im Falle einer Wiederwahl würde kein neues Beamtenverhältnis zustande kommen, sondern das bestehende fortgesetzt. Damit bleibt auch der Status der Suspendierung bestehen.

Gilt in Thüringen ein Oberbürgermeister weiterhin als gewähltes Stadtoberhaupt, auch wenn er kein Beamter mehr ist?

Nein. In Thüringen gilt, dass mit dem Beamtenverhältnis auch das Dienstverhältnis endet. Der abgesetzte Oberbürgermeister verliert das Recht, die Amtsbezeichnung zu führen. Auch verliehene Titel, die mit dem Bürgermeisteramt zusammenhängen, gehen verloren. Das gilt ebenfalls für Besoldung und Versorgung.

Schlagabtausch im Kreistag

Buchmann war Ende März von Landrat des Kreises Nordhausen, Matthias Jendricke (SPD), vom Dienst suspendiert worden. Ihm werden vom Landratsamt insgesamt 14 Dienstpflichtverletzungen vorgeworfen, fünf davon beziehen sich auf den Bau des Herkules-Marktes in der Nachbargemeinde Harztor.

Landrat Jendricke wollte sich bislang nicht zu den Vorwürfen äußern. Zu einem beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren dürfe er keine Auskunft geben, sagte er im Kreistag Nordhausen. Dort hat die vorläufige Suspendierung Buchmanns hitzige Diskussionen ausgelöst. Der Kreistagsabgeordnete Kai Liebig (BLS) forderte einen Untersuchungsausschuss in diesem Fall.

Wie Buchmann MDR THÜRINGEN Anfang Mai sagte, bereitet sein Anwalt einen Antrag gegen die vorläufige Dienstenthebung beim Verwaltungsgericht Meiningen vor. Er strebe mit dem Verfahren an, seinen "einstweiligen Rechtsschutz als Beamter" zurückzubekommen, also ins Rathaus zurückzukehren. Eventuell will er später in einem so genannten Hauptsacheverfahren klären lassen, ob die Dienstenthebung verhältnismäßig und begründet ist. Auch möchte er noch einmal als Kandidat im September zur Oberbürgermeiste-Wahl in Nordhausen antreten.

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MDR (jn)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 04. Mai 2023 | 19:00 Uhr