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In zahlreichen Städten und Ländern protestieren Menschen gegen den Krieg in der Ukraine. Die Frage, ob der Welt auch ein Einsatz von Atomwaffen droht, ist nicht so leicht zu beantworten. Bildrechte: IMAGO / Chai von der Laage

Der Redakteur | 28.02.2022Angriff auf die Ukraine: Kommt es zum Atomkrieg?

28. Februar 2022, 13:50 Uhr

Russlands Staatschef Wladimir Putin hat die russischen Abschreckungswaffen in Alarmbereitschaft versetzt. Diese umfassen auch Atomwaffen. Aber wie groß ist die Gefahr eines Atomkriegs wirklich?

Die Frage scheint völlig aus der Zeit gefallen. Als wir uns zu DDR-Zeiten in der NVA, GST oder Zivilverteidigung mit der Frage beschäftigt haben, wohin man die Aktentasche am besten hält, wenn die Atombombe explodiert, war jedem klar, wie sinnlos solche Überlegungen sind. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ende des Kalten Krieges war das Thema auch eigentlich durch.

Keine neue Form des Säbelrasselns

Plötzlich ist die Angst aber wieder da, spätestens seit die russischen "Abschreckungskräfte" in Alarmbereitschaft gesetzt wurden. Das Ausmaß der Anweisung ist nur schwer abzuschätzen, auch wenn uns Militärexperten beruhigen. Diese Form des Säbelrasselns ist zwar selten, aber nicht wirklich neu. Die gleiche Alarmstufe zwei von vier wurde schon 2014 ausgerufen, als Russland die Krim annektierte. Prof. Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr relativierte deshalb in den ARD-Tagesthemen diese "Alarmbereitschaft der Abschreckungskräfte".

Das bedeutet nicht, dass wir kurz vor einem nuklearen Schlagabtausch zwischen Russland und anderen Staaten stehen würden.

Prof. Carlo Masala, Institut für Politikwissenschaft Universität der Bundeswehr in München

Nun gehen die Meinungen in diesen Tagen auseinander, ob nun noch mehr Härte (der NATO) zielführender gewesen wäre oder ob es besser ist, die Rolle des Klügeren einzunehmen und nachzugeben. Derzeit suchen wir verzweifelt nach Signalen aus Russland, die einerseits die nächsten Schritte, andererseits die wirklichen Pläne verraten. Was sagen uns zum Beispiel die Gesichtszüge der höchsten russischen Militärs aus, die von ihrem Chef die Befehle zur Erhöhung der Alarmstufe entgegen nehmen?

Waleri Gerassimow ist der Chef Generalstab der Streitkräfte und Sergei Schoigu, der Verteidigungsminister. Letzterer sei ein "ergebener Mitarbeiter Putins", so Nato-General Egon Ramms im "Heute Journal" des ZDF. Das ist insofern interessant, dass laut der aktuellen Einschätzungen der Korrespondenten vor Ort zwei von drei sogenannten Atomkoffern notwendig sind, um einen Atomschlag durchzuführen.

Solche Angeben sind natürlich immer mit Vorsicht zu genießen, weil diese zu den geheimsten aller Geheimnisse gehören. Genauso wie der Aufenthaltsort von Wladimir Putin, womit direkt die Frage verbunden ist, was es bedeutet, dass unter anderem die Ansprachen von Putin offensichtlich schon Tage vorher aufgezeichnet wurden. Daraus kann man mindestens schließen, dass es einen Plan gibt, den Einsatz in der Ukraine betreffend, der offenbar an dieser Stelle sogar noch zu den aktuellen Entwicklungen passt. Bei anderen Entwicklungen sieht es eher nicht planmäßig aus.

Aus Versehen den Sieg verkündet?

Vieles deutet auf eine Kommunikationspanne hin, die der russischen Nachrichtenagentur RIA unterlaufen ist. Anders ist es kaum zu erklären, warum eine offensichtliche Siegeserklärung, in Form eines Kommentars von Petr Akopow, kurzzeitig online war. Sie ist im Webarchiv immer noch abrufbar. Darin wird geschwärmt, dass vor unseren Augen eine "neue Welt" geboren wird.

Russland stellt seine Einheit wieder her, freut sich Akopow, "die Tragödie von 1991 [der Zerfall der Sowjetunion], diese schreckliche Katastrophe unserer Geschichte, ihre unnatürliche Verwerfung, ist überwunden." Noch ist sie es aber eben nicht, die Ukrainer wehren sich nach Kräften, während Petr Akopow bereits bilanziert: "Russland stellt seine historische Fülle wieder her und versammelt die russische Welt, das russische Volk - in seiner Gesamtheit der Großrussen, Weißrussen und Kleinrussen."

Als sogenannte "Kleinrussen" werden historisch die Ukrainer bezeichnet. Wenn dieser Text - und davon muss man ausgehen - für den Tag der vollständigen Einnahme der Ukraine vorbereitet wurde, dann sagt er einiges über die Kriegsziele aus, nämlich: Die komplette Ukraine an Russland anzuschließen und damit quasi dem Westen zu entreißen. Mal abgesehen davon, dass das - völkerrechtlich gestützt - eine Nation heutzutage gern selbst entscheidet, so kann das mit Blick auf die Atomwaffen beruhigend wirken.

Man will offenbar die Ukraine beherrschen, aber nicht die Welt zerstören. Und auch aus dem Schlusssatz des Kommentars kann man schließen, dass es nicht geplant ist, sich mit den westlichen Atommächten anzulegen. Petr Akopow schreibt bilanzierend: "Die neue Welt wird von allen Zivilisationen und Machtzentren aufgebaut, natürlich zusammen mit dem Westen (vereint oder nicht) - aber nicht zu seinen Bedingungen und nicht nach seinen Regeln." Das ist ja fast schon eine ausgestreckte Hand.

Große Aufgaben für Diplomaten

Vor den Diplomaten dieser Welt stehen also große Aufgaben, wenn die Waffen endlich schweigen. Wobei Überraschungen immer noch möglich sind, schließlich haben auch führende NATO-Militärs und politische Beobachter noch vor Tagen ausgeschlossen, dass es Russland quasi auf die komplette Ukraine abgesehen hat.

Ich habe vor zehn Tagen noch argumentiert, dass Putin einen Rest von Vernunft besitzt und die Ukraine nicht angreift. Ich wurde durch sein Handeln widerlegt.

Egon Ramms, General a.D. im ARD-Morgenmagazin

Und bestenfalls werden wir sogar positiv überrascht: Schließlich ist der Mut vieler Russen, die Stimme zu erheben, genauso beeindruckend, wie die nahezu heldenhafte Verteidigungsbereitschaft der Ukraine. Und vielleicht gibt es ja noch mehr Menschen vom Schlage eines Oleg Anisimow, dem Leiter der russischen Delegation im Weltklimarat.

Wie Teilnehmer einer Schaltkonferenz des Gremiums berichteten, soll er am Sonntag gesagt haben: "Lassen sie mich im Namen aller Russen, die diesen Konflikt nicht verhindern konnten, eine Entschuldigung aussprechen." Und er ergänzte, dass alle Russen, die wüssten was gerade passiert, keine Rechtfertigung für diesen Angriff finden würden.

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Quelle: MDR THÜRINGEN

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Der Mittag | 28. Februar 2022 | 13:50 Uhr

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