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MDR Kultur | 30.06.2023Schabbat Schalom: Wie sich Flüche in Segen verwandelten

25. Mai 2023, 14:49 Uhr

Wir sollten darauf achten, uns möglichst mit gütigen und freundlichen Menschen zu umgeben. Denn nur so kann sich der Segen in den zwischenmenschlichen Beziehungen wirklich entfalten, diesen Schluss zieht Rabbiner Elischa Portnoy aus Halle in seiner Auslegung des Wochenabschnitts "Chukat-Balak".

An diesem Schabbat werden ausnahmsweise gleich zwei Wochenabschnitte vorgelesen: Chukat (Gesetz) und Balak (Name eines Königs). Normalerweise werden diese Abschnitte getrennt, aber wegen der Besonderheiten des jüdischen Kalenders werden sie in Diaspora zusammengelesen.

Wüstenwanderung und Kriege

Doch es gibt auch interessante inhaltliche Verbindungen: Im Wochenabschnitt Chukat wird unter anderen über die Kriege berichtet, die das jüdische Volk bei der Wüstenwanderung führen musste. Um ins Heilige Land zu gelangen, mussten die wandernden Juden das Land von Moaw überqueren, das damals von König Sichon beherrscht war. Moses bat Sichon um Erlaubnis, sein Land friedlich zu überqueren: "Lass mich durch dein Land ziehen, wir werden nicht abweichen in Felder und Weinberge, nicht Wasser aus den Brunnen trinken; auf der Straße des Königs werden wir gehen, bis wir hinaus sind über deine Grenze." Doch der König lehnte diese Bitte ab und kam mit seiner Armee zur Grenze. Dem jüdischen Volk blieb nichts übrig, als Sichon zu besiegen, um weiter ziehen zu können.

Dieses Ereignis blieb nicht unbemerkt. Sichon war ein mächtiger Herrscher mit starker Armee, deshalb sorgte seine Niederlage für Furore unter den benachbarten Völkern. 

Und damit beginnt auch unser zweiter Wochenabschnitt: "Als Balak, Sohn des Zippor, alles sah, was Jisrael dem Emoriter getan, da fürchtete sich Moab sehr vor dem Volk, da es so groß war, und es graute Moab vor den Kindern Jisrael."

Flüche, die sich in Segen verwandelten

Eigentlich hatte der König Balak nichts zu befürchten: Sein Land lag nicht unmittelbar auf dem Weg des jüdischen Volkes ins Gelobte Land. Trotzdem wollte er auf Nummer sicher gehen und entschied sich, die Israeliten zu eliminieren. Jedoch wusste er auch, dass dies mit konventionellen Mitteln nicht zu schaffen wäre. Seine Armee war nicht stärker als die des besiegten Sichon. Und Balak vermutete zu Recht, dass seine Armee – ganz gleich, wie mächtig sie sei – gegen die Juden keine Chance haben würde, weil G’tt an der Seite seines Volkes kämpft.

Deshalb lud Balak seinen bekannten Magier Bilam ben Zippor ein, damit er die Juden verfluche: "Und nun komme doch, verfluche mir dieses Volk, denn es ist mächtiger als ich; vielleicht vermag ich es zu schlagen, dass ich es vertreibe aus dem Land; denn ich weiß, wen du segnest, der ist gesegnet, und wen du verfluchst, der ist verflucht."

Bilam hatte schon mehreren Königen, unter anderen auch Balak, zu ihren Königreichen verholfen. Bilam verfluchte die Gegner, und seine Auftraggeber hatten danach keine Mühe mehr, ihre Feinde zu besiegen. Da der Magier Bilam auch ein großer Judenhasser war, war er froh, diesen Auftrag vom König zu bekommen. Auf diese Weise konnte er Juden verfluchen und dafür auch noch fürstlich entlohnt werden. Doch diesmal klappte es nicht mit dem Verfluchen. Drei Mal versuchten Balak und Bilam Juden zu verfluchen, und drei Mal verwandelte G’tt Bilams Flüche in Segen.

Nicht jeder ist imstande zu segnen

An dieser Stelle können wir fragen: Wenn sich König Balak vor den Juden fürchtete, hätte er ja Bilam bitten können, ihn zu segnen, anstatt das wandernde Volk zu verfluchen. Die Antwort darauf lautet: Das Segnen war schlicht nicht möglich! Es stimmte nämlich nicht ganz, was der König bei der Einladung an Bilam gesagt hatte: "Wen du segnest, der ist gesegnet, und wen du verfluchst, der ist verflucht."

Bilam konnte tatsächlich gut verfluchen, segnen konnte er aber überhaupt nicht. Denn um jemanden wirkungsvoll zu segnen, muss man den Empfänger lieben und ihm alles Gute wünschen. Bilam war jedoch ein gieriger, boshafter Mensch, der mit bösen Augen auf andere schaute. Deshalb war er nicht imstande, jemanden zu segnen, sogar wenn er das gewollt hätte.

Daraus lernen unsere Weisen, dass man möglichst mit gütigen und freundlichen Menschen verkehren sollte. Die bösen und hasserfüllten Menschen sollten gemieden werden. Denn wir wollen ja, dass alle Glückwünsche und Segnungen in Erfüllung gehen, und das ist nur mit guten Menschen möglich.

Schabbat Schalom!

Zur Person: Rabbiner Elischa M. PortnoyRabbiner Elischa M. Portnoy wurde 1977 in Nikolaew in der Ukraine geboren. Seit 1997 lebt er in Deutschland. 2007 erwarb er sein Diplom als Ingenieur für Elektrotechnik an der TU Berlin. 2012 schloss er seine Ausbildung am Rabbinerseminar zu Berlin ab und erhielt die Smicha.

Elischa M. Portnoy arbeitet als Militärrabbiner der Bundeswehr am Standort Leipzig und betreut die Jüdische Gemeinde in Halle / Saale. Er ist Mitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ORD). Er ist verheiratet mit Rebbetzin Katia Novominski und Vater von vier Söhnen.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 29. Juni 2023 | 15:45 Uhr

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