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Schabbat Schalom | MDR Kultur | 01.03.2024Schabbat Schalom mit Rabbiner Alexander Nachama: "Kein Mensch ist Gott"

01. März 2024, 13:48 Uhr

Menschen sollen nicht vergöttert werden – selbst wenn sie als Pop- oder Fußballballstars von den Massen angehimmelt werden. Daran erinnert die Weisung "Du sollst dich vor keinem anderen Gott niederwerfen", wie Rabbiner Alexander Nachama in seiner Auslegung des Wochenabschnitts Ki Tissa erklärt.

Der Wochenabschnitt Ki Tissa handelt von ungeduldigen Israeliten, die ein goldenes Kalb anfertigen, weil sich die Rückkehr von Mosche vom Berg Sinai scheinbar verzögert. Als Mosche nach 40 Tagen und 40 Nächten schließlich zurückkehrt und sieht, wie die Israeliten das goldene Kalb anbeten, ist seine Wut so groß, dass er die beiden Bundestafeln zerstört. Schließlich kehrt er zum Berg zurück und bittet für die Israeliten vor Gott um Verzeihung.

In seinem großen Erbarmen verzeiht Gott den Israeliten nicht nur, vielmehr wird auch der Bund zwischen Gott und den Israeliten erneuert. Gott spricht: "Du (Israel) sollst dich vor keinem anderen Gott niederwerfen." Im hebräischen Text fällt auf, dass der Buchstabe "Resch" im Wort "acher" (anderen) etwas größer geschrieben ist. Wieso diese Hervorhebung?

Im "Schma Israel", das aus dem fünften Buch der Tora kommt und eines der berühmtesten Gebete aus dem jüdischen Abend- und Morgengebet ist, heißt es: "Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einer." Im hebräischen Text fällt auf, dass das "Dalet" im Wort "Echad" (einer) ebenfalls hervorgehoben ist.

"Acher" (einen anderen) und "Echad" (einer) unterscheiden sich im Hebräischen nur durch einen Buchstaben: Während "Acher" mit Resch geschrieben wird, wird "Echad" mit Dalet geschrieben. Diejenigen, die Hebräisch lesen können, wissen, dass sich Resch und Dalet in ihrer Schreibweise nur minimal unterscheiden.

Da die Tora ohne Vokale überliefert worden ist, sollte dem Leser hier eine wichtige Lesehilfe gegeben werden: Aus Echad – "Du sollst dich vor keinem ANDEREN Gott niederwerfen" –, sollte beim Lesen NICHT versehentlich "Du sollst dich nicht vor dem EINEN Gott niederwerfen" werden.

Aus "Der Ewige ist EINER" sollte NICHT "der Ewige ist ein anderer" werden.

Nun mag die korrekte Formulierung und das korrekte Verständnis dieser Worte schon so verinnerlicht worden sein, dass man meinen könnte, diese Verse nicht falsch lesen oder falsch verstehen zu können. Allerdings liegt genau darin auch eine Gefahr: Denn etwas, was wir meinen zu kennen, lesen wir vielleicht nicht mehr ganz so genau, betonen wir vielleicht nicht mehr genau – und schon lesen wir es möglicherweise falsch. Die Hervorhebung mahnt uns jedes Mal aufs Neue zur Aufmerksamkeit.

Andere Götter haben bekanntlich die Ägypter verehrt – wir verehren nur den einen, einzigen Gott. Aber ist dies selbstverständlich?

Auch hier ist es wichtig, sich eines immer wieder bewusst zu halten:

Kein Mensch, egal welchen Posten oder Beruf er hat, wird jemals von sich behaupten dürfen, Gott zu sein. Kein Musiker, auch kein Fußballer.

Das sollten wir niemals vergessen, denn nur wenn wir uns dessen bewusst bleiben – so wie die hervorgehobenen Buchstaben in der Tora uns mahnen – bleiben wir unserem Glauben und damit Gott treu.

Schabbat Schalom!

Zur Person: Alexander NachamaGeboren 1983 in Frankfurt am Main. 2005 erhielt er von Rabbiner Zalman Schachter-Shalomi, dem Gründer der Rabbiner- und Kantorenschule "Aleph", eine Urkunde als Kantor. 2008 erhielt er einen Bachelor in Judaistik (Freie Universität Berlin), 2013 einen Master (Universität Potsdam).

Ab 2007 absolvierte er eine Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg mit Studienaufenthalten in Israel, die er 2013 mit der Ordination zum Rabbiner abschloss. 1998 - 2011 amtierte Alexander Nachama zunächst als ehrenamtlicher Vorbeter, später als Kantor in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

In den Jahren 2012 - 2018 war er Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, bis August 2023 Landesrabbiner der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen. Inzwischen ist Alexander Nachama der zuständige Militärrabbiner für Berlin und Brandenburg.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 01. März 2024 | 15:45 Uhr

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